Nach dem EG-Gipfeltreffen in Maastricht

EG-Parlament kann künftig Forschungsvorhaben stoppen

27.12.1991

BRÜSSEL (IDG) - Die auf dem EG-Gipfeltreffen in Maastricht gefallenen Entscheidungen - vor allem über die Befugnisse des Europäischen Parlaments - könnten "einen gravierenden Rückschlag für die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben der Gemeinschaft bedeuten", erklärte in der vergangenen Woche ein Vertreter der EG-Kommission in Brüssel.

Bereits einen Tag nach der Unterzeichnung des "Vertrags zur Europäischen Gemeinschaft" im holländischen Maastricht sagte der Präsident der EG-Kommission, Jaques Delors, daß das Abkommen "nicht helfen werde, die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft - weder in der Industrie noch in der Forschung - zu verbessern", vielmehr kompliziere es die Situation und werde das Erreichen von Kompromissen noch schwieriger machen.

Kritisiert wird nicht nur, daß der Entscheidungsprozeß für die Zustimmung zum FuE-Rahmenplan der nächsten fünf Jahre nicht verkürzt und vereinfacht worden ist, sondern vor allem, daß dem Europäischen Parlament ein Vetorecht über alle diese Programme eingeräumt wurde. Sollte das EG-Organ seine neue Verantwortung ernstnehmen und die Dinge eingehend prüfen, befürchten Kommissionsvertreter erhebliche Verzögerungen. Schon die heutigen Entscheidungsprozeduren werden von den Betroffenen als "langwierig und lästig" kritisiert. Sie drückten ihr Bedauern darüber aus, daß es die Politiker in Zeiten, in denen eine energische FuE-Politik notwendig sei, nicht geschafft haben, die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

In den Rahmenprogrammen sind für die nächsten fünf Jahre die Forschungsausgaben und -prioritäten festgelegt. Nach den alten und neuen Regeln muß sich nur eine qualifizierte Mehrheit der betroffenen EG-Organe für ein Programm entscheiden, damit es implementiert wird. Die heutigen Prozeduren räumen dem EG-Parlament zwar das Recht ein, in zwei Lesungen über die Rahmenprogramme zu befinden, praktisch spielt diese Entscheidung aber keine Rolle, weil sowohl EG-Kommission als auch der EG-Rat das Votum ignorieren können.

Das ist nach der Veranstaltung in Maastricht anders geworden. Der neue Vertrag - der allerdings noch von den nationalen Volksvertretungen ratifiziert werden muß - räumt dem EG-Parlament durch das sogenannte "negative Zustimmungsverfahren" quasi ein Vetorecht ein. Dabei haben die Straßburger Parlamentarier das Recht, ihre Meinung zweimal zu äußern: Einmal vor der Entscheidung des Rates und danach. Wenn das Parlament die Position des Ministerrats nach drei Monaten mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder ablehnt, dann wird das Programm als "nicht angenommen betrachtet".

In seiner Straßburger Rede rief Delors das EG-Parlament dazu auf, seine neue Macht "umsichtig" zu benutzen, damit wichtige Entscheidungen der EG nicht blockiert würden.