EG-Kommisson nicht aus dem SNAider

17.08.1984

Das Ergebnis von Brüssel (CW Nr. 33 vom 10. August 1984, Seite 1: "IBM gelobt Besserung - EG setzt Verfahren aus") bedeutet mehr, als sich den Kopf zu zerbrechen, wer eher Grund hatte, zufrieden zu sein - wiewohl EG-Kommissar Andriessen diplomatisch von einem Kompromiß sprach ("Es gibt keine Sieger und keine Verlierer") und IBM-Chef Opel mit der Verpflichtungserklärung "den Wünschen der Kommission Rechnung getragen" sah.

Solange gewisse IBM-Analysten so tun, als wüßten sie alles besser, solange vor allem die Öffentlichkeitsarbeiter des Marktführers sich für Menschheitsbeglücker halten, so lange reicht die (Lehr-)Formel aus, daß alles weiter geht wie bisher - was hieße: The winner is IBM. Wer sonst? Genau das wollen einige Beobachter der Brüsseler Szene herausgefunden haben. Tenor der Aussagen: "Was kümmert's die stolze Eiche ..." Nur, weil die EG-Behörde weniger Erfahrung hat, was den Umgang mit den Medien betrifft: Müssen die Wettbewerbshüter deshalb Traumtänzer sein?

Greifen wir einen Punkt heraus, der Schlagzeilen gemacht hat: Jubel-lBMer unterstellen, die Brüsseler wären bereit, die "Systems Network Architecture" (SNA) des blauen Riesen als international verbindlichen Standard für die Telekommunikation einzusegnen.

Warum wohl, dies der Kern der Provokation, legt die EG-Behörde so großen Wert darauf, daß die IBM ihre SNA-Spezifikationen offenlegt, wenn sie damit nicht zum Ausdruck bringen wollte, SNA sei De-facto-Standard? Da ist es dann ein kurzer Weg zu der Annahme, die Verpflichtungserklärung der IBM erhebe, weil von der EG-Kommission ausdrücklich gewünscht, SNA in den Status einer Norm.

Doch über eine solche Argumentation ist nicht viel zu holen. Die EG-Kommission hat erkannt, daß die Einbeziehung der SNA-Thematik in das Verfahren zum Bumerang werden kann. Die Frage eines "offenen Standards", der sogenannten "Open-Systems-Interconnection" (OSI), wurde so zum besonderen Anliegen, festgeschrieben in dem Andriessen-Papier, das zu der Regelung gehört. In dem Schreiben an die IBM heißt es

am Schluß:

"Ihre Verpflichtungserklärung ist in einem Marktzusammenhang zu sehen, in dem viele Benutzer und andere Hersteller planen, Standards auf der Grundlage eines offenen Systemanschlusses (OSI) zu realisieren. In der Erfüllung der Verantwortlichkeiten für den gemeinsamen Markt der EG und mit Zustimmung der Mitgliedsstaaten wird diese Entwicklung von der Kommission aktiv unterstützt. Aus diesem Grund ist Abschnitt 14 nicht als Anerkenntnis von SNA bei der Normen-Politik der Gemeinwirtschaft zu verstehen."

Die Forderung auf Annäherung an den OSI-Rahmen mag in IBM-nahen Kreisen wenig gelten. Sie kann der EG-Kommission indes nicht die Verhohnepipelung eintragen, sie sei ein bürokratischer Haufen ohne Macht. Mit dem Hinweis auf ihre normenpolitische Verantwortung (siehe oben) sind die Brüsseler, was offene Netze anlangt, ganz sicher nicht aus dem Schneider. Doch die Fußnote sorgt dafür, daß die Dinge offenbleiben.

Ob SNA das Tele-Vaterunser ist oder nicht, darauf kommt es nämlich gar nicht an. Daß die Schnittstellen transparent werden, bringt Bewegung in den Datenendgeräte-Markt - und das kann der IBM nicht egal sein, die das SNA-Konzept ja nicht als Heilslehre sieht, sondern als marktpolitischen Abschirmdienst - auf daß das Terminalgeschäft blühe.