Telecom-Neuordnung noch nicht mehrheitsfähig, aber:

EG-Kommission forciert Deregulierung

12.06.1987

MÜNCHEN (CW) - Das sogenannte Grünbuch zur Neuordnung der Telekommunikation will die Brüsseler EG-Kommission noch im Laufe des Juni verabschieden. Schwerpunkte des Papiers sollen die schrittweise Öffnung des Endgerätemarktes bilden sowie der Zugang zu grenzüberschreitenden Diensten. Einig wurden sich die Repräsentanten der zwölf EG-Mitglieder indes noch in keinem Punkt.

Nationale Unterschiede einerseits sowie die Römischen Verträge und die Einheitliche Europäische Akte andererseits gelte es zu vereinbaren, erklärte der Kommissions-Vizepräsident Karl-Heinz Narjes auf einem Telekommunikations-Symposium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Die wirtschaftspolitische Bedeutung des Telekommunikationsbereichs gebiete dennoch ein geschlossenes europäisches Vorgehen bei der Deregulierung: Die derzeit zwei Prozent des EG-Brutto-Inlandsprodukts schätzt Narjes für die Jahrhundertwende auf neun Prozent.

In Übereinstimmung mit dem Brüsseler EG-Kommissar fordert auch der BDI, den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt zu forcieren. Zwar dürften Innovationsvorhaben der Fernmeldebehörden nicht blockiert werden, doch müßten solche Bereiche privatisiert werden, in denen die Postverwaltungen die Nachfrage nicht befriedigen könnten, erläuterte ein BDI-Sprecher aus Köln. Gemeinsam mit dem ZVEI arbeitet der Industrieverband an einer Deregulierungsvorlage; ohne sich dabei in allen Teilaspekten bereits eine Meinung gebildet zu haben, orientieren sich die Vorstellungen beider Interessenvereinigungen allerdings an den Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Gemeinschaft.

Im Bundespostministerium wird der EG-Plan, noch bis Ende Juni das "Grünbuch" zu verfassen, lakonisch kommentiert: "Über diesen Entwurf muß erst noch abgestimmt werden; das wird bis Jahresende dauern. Bis dahin wird das Vorschlagswerk vertraulich behandelt - nicht öffentlich."