Zeit der Bereichsmonopole neigt sich langsam aber sicher ihrem Ende zu

EG-Berater zeichnen, düsteres Bild der europäischen IT-Szene

09.02.1990

BRÜSSEL (bi) - Die Informations- und Kommunikationsindustrie (IuK) entwickelt sich in Europa gegen den vielbeschworenen Trend zur Integration auseinander. Zu diesem alarmierenden Befund kommt eine Studie, die die Generaldirektion III der EG-Kommision bei internationalen Beratungsunternehmen in Auftrag gegeben hat.

Hintergrund der Recherchen war der Wunsch der Brüsseler Eurokraten im Hinblick auf die großen europäischen IuK-Forschungsvorhaben wie "Esprit", "Eureca", Jessi", "HDTV" und "Race" (= Research and Development in Advanced Communications Technologie for Europe) etc. flankierendes statistisches Material zu sichten.

Sowohl die unternehmenspolitische wie die ordnungspolitische Szene hinkt demzufolge, was innovative Strukturen und Projekte angeht, hinter den konkurrierenden Weltmarktgegnern in den USA und im pazifischen Raum hinterher.

Entscheidend für eine starke Position beim weltweiten Kräftemessen in der künftigen globalen "Informationsindustrie" seien die Software und die Mikroelektronik. Bisher habe sich der Markt in einzelne Produkt-orientierte Segmente aufteilen lassen - wie zum Beispiel Datenverarbeitung, Unterhaltungselektronik und Nachrichtentechnik - mit mehr oder weniger natürlichen Monopolen. Dieses wohlorganisierte Szenario verändere sich weltweit rapide, nicht jedoch in Europa, wo, nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen, beispielsweise Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik zusammenwachsen zu lassen, ein gegenteiliger Trend auszumachen sei.

Die USA und Japan hätten sowohl in der Informationstechnik als auch im Consumer-Markt bereits die Führung übernommen. Zwar sei Europa traditionell hervorragend in der Nachrichtentechnik, aber jetzt riskiere es selbst diese starke Position, die die Voraussetzung darstellte, über den Markt der "Intelligenten Netze" bei der europaweiten "Mehrwertschöpfung" an hervorragender Stelle mitwirken zu können.

Die zögerliche Abfolge von technologischer Entwicklung, industrieller Anwendung und Marktreife, gepaart mit geringer individueller Initiative (verglichem mit USA und Japan), könnte die europäische Stärke sehr schnell in sich zusammenbrechen lassen, bevor sie überhaupt Wirkung hätte zeigen können.

Die Studie mit dem Titel "Perspectives for Advanced Communications in Europe" (PACE 89) weist weiter darauf hin, daß zum einen die Nachfrage in Europa geringer sei als in den USA und zum anderen der technologische Schub schwächer als in Japan. Kleiner Trost der Euro-Kassandren aus Brüssel: Europa halte immer noch klar die erste Position bei konzeptionellen Entwicklungen von fortgeschrittenem Telekommunikations-Equipment.