Datenverarbeitung im Molkereiprodukte-Großhandel:

EDV wie aus dem Lehrbuch

02.02.1979

MAINTAL (CW) - Zuerst Rechenzentrum, dann eigener Rechner mit Standard-Software, schließlich Individualsoftware in zwei Etappen - die Einführung von EDV in einen Betrieb kann kaum behutsamer und fundierter vorgenommen werden. Auf unbekanntem Terrain ist ein solches Vorgehen freilich auch anzuraten. Jetzt, nach rund drei Jahren, hat das Molkereiprodukte-Großhandels- und -Importhaus Erich Claus in Maintal 3 die letzte Ausbaustufe erreicht. Die EDV begleitet und steuert nun sämtliche betrieblichen Abläufe, angepaßt an die branchenspezifischen Probleme.

Problemlöser ist ein NCR-Modell 8200 (64 K, vier Magnetplatten mit insgesamt 40 MB, ein Zeilendrucker mit 12 000 Zeilen pro Stunde, eine Magnetbandkassette und vier Bildschirme), das 1976 rund 310 000 Mark kostete. Für die NCR-Standard-Software Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung waren nochmals 12 000 beziehungsweise 7000 Mark zu entrichten.

So bestückt, kehrte man sich ab vom Rechenzentrum, dessen Dienstleistungen

nicht die Flexibilität und Schnelligkeit mit sich brachten, die man im Wettbewerb am Markt benötigte. Das Großhandelsunternehmen erkannte aber auch bald, daß meßbare Wettbewerbsvorteile nur erzielbar waren, wenn man über den Einsatz standardisierter EDV hinaus auf eigens für die speziellen Probleme der Branche geschaffene Hilfsmittel zurückgreifen konnte.

Auftragsbearbeitung im Griff

Gemeinsam mit der ortsansässigen Unternehmensberatung Lunzer + Partner GmbH ging man also daran, in einer ersten Stufe die Auftragsbearbeitung (Auftragserfassung, Lieferscheine, Faktura, Statistiken) EDV-mäßig in den Griff zu bekommen. Nach drei Monaten, die man für die Organisation, und weiteren vier Monaten, die man zum Programmieren und Austesten benötigte, stand das Paket.

Für dieses aus 25 Einzelprogrammen bestehende Paket zahlte der Großhändler dem Unternehmensberater 120 000 Mark. Dabei ist zu beachten, daß das Großhandelshaus nach Meinung seines EDV-Chefs Klaus Bürkel eine anteilige Leistung von 40 Prozent an der Erstellung dieser Software vorzuweisen hat. Immerhin entstanden durch die projektbegleitende Mitarbeit später keine besonderen Aufwendungen für Schulung und Einarbeitung des Personals.

Die Arbeitsweise des Programmpakets: Man gibt eingehende Kundenaufträge per Bildschirm in das System ein; die entsprechenden Lieferscheine werden ausgedruckt und an das Warenlager (zur Disposition) und den Kunden (zur Bestätigung) weitergeleitet. Differenzen zwischen Bestellung und tatsächlichen Lieferung lassen sich noch vor der Fakturierung korrigieren.

Fakturierung nach Wunsch

Die Rechnungsschreibung kann je nach getroffener Vereinbarung in Form der Einzelrechnung (mit maximal 250 Positionen) oder der Sammelrechnung vorgenommen werden. Die nach Dekaden oder im Halbmonatsabstand aufgestellten Sammelrechnungen können auf Kundenwunsch stark aufgegliederte Informationen enthalten, etwa nach Liefertag, belieferter Filiale und Waren-Einzelbezeichnungen. Die im Molkereiproduktehandel bedeutsam Rolle der Kommissionsware berücksichtigt das Programm entsprechend.

In der Endausbaustufe will das Handelshaus Claus nun auch seine Lagerbestandsführung auf den NCR-Rechner übertragen. Der im Zusammenwirken mit der Unternehmensberatung Lunzer entwickelte Softwaremodul (Kosten für Claus rund 40 000 Mark) kontrolliert die Lagerzu- und -abgänge, steuert das Bestellwesen, stellt Preisvergleiche zwischen den einzelnen Lieferanten an.

Der Verkaufssachbearbeiter kann nun schon während des Telefonats mit dem Kunden verbindlich zusagen, ob die bestellten Artikel in der gewünschten Menge lieferbar sind. Mehrfachdispositionen gehören der Vergangenheit an.

Das System ermöglicht der Geschäftsleitung Monatsvergleiche über das laufende Jahr hinweg, beispielsweise was das Bestellverhalten von Kunden oder die Marktgängigkeit von Artikeln angeht. EDV-Chef Bürkel hat aber für alle Fälle auch die gesamten Vorgänge aus zurückliegenden Jahren "am Lager".

In Maintal ist man mit dem Erreichten sehr zufrieden, auch wenn der Computer in einem wichtigen Punkt den Menschen nicht ersetzen kann: Um stets den ältesten Käse in den Lieferwagen zu verfrachten, bedarf es weiterhin der geistigen Anstrengung des Lagerpersonals.