MTA: Großrechenzentren schufen sich eigenen Beruf

EDV-Nachwuchs maßgeschneidert

16.04.1976

LUDWIGSHAFEN - Unbewußt mag bei Schöpfung der Berufsbezeichnung "Mathematisch-technische Assistentin" Pate gestanden haben. Das ist aber die einzige Ähnlichkeit der beiden MTAs. Mit dem "Mathematisch-technischen Assistenten" haben sich die deutsche Großindustrie sowie einige Forschungs- und Hochschulinstitute einen Spezialberuf geschaffen.

Ins Leben gerufen wurde der neue Beruf vor 17 Jahren im damals noch jungen Rechenzentrum der BASF AG (Ludwigshafen). Zweck war es, auf der Grundlage einer guten Allgemeinbildung (Abitur als Eingangsschwelle) Mitarbeiter heranzubilden, die möglichst eigenverantwortlich die Denkansätze der Kaufleute, Mathematiker, Physiker und Ingenieure in maschinenverdauliche Programme verwandeln. Wobei es sich versteht, daß ein Unternehmen von der Größenordnung der BASF ein fast unüberblickbares Feld von Problemstellungen anzubieten hat. Dieser Zielsetzung, nämlich Mittler zwischen Problemanalyse und Rechenmaschinen heranzubilden, entsprach denn auch die Tätigkeitsbezeichnung "Mathematisch-technischer Assistent", die eingestandenermaßen etwas unglücklich, inzwischen aber längst allgemein eingeführt ist.

Zweieinhalb Jahre Ausbildung

Der Ausbildungsgang wurde in enger Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer für die Pfalz konzipiert und sieht nach mehreren durch den Wandel der Datenverarbeitung bedingten Modifikationen heute etwa so aus: Einem dreimonatigen Unterrichtsblock (Fächer: Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und DV-Grundwissen) folgt ein Jahr handfester praktischer Tätigkeit im BASF-Rechenzentrum, begleitet von einem Tag Kursunterricht pro Woche. Danach folgen ein weiterer dreimonatiger Unterrichtsblock, ein weiteres Jahr praktischer Mitarbeit und schließlich die Abschlußprüfung vor der IHK.

Am Ende dieser zweieinhalb Jahre Ausbildung sind die jeweils etwa 20

Teilnehmer - zu rund 70 Prozent junge Damen firm im Programmieren in den bevorzugt gebrauchten Sprachen Cobol und Fortran und in den Maschinen-Steuersprachen. Ihr

mathematisches Wissen hat vor allem im Bereich der numerischen Methoden eine den EDV-Bedürfnissen adäquate Breite und Tiefe; betriebswirtschaftlich haben sie die nötigen Kenntnisse, um alle kaufmännischen Aufgabenstellungen eines Großunternehmens zu überblicken und maschinengerecht, transportieren zu können. Inzwischen haben auch andere Unternehmen dieses Berufsbild übernommen und bilden selbst ihren Nachwuchs aus.

Der Aufwand lohnt sich

Die BASF greift zu dieser Eigeninitiative, die immerhin mit erheblichen Kosten zu Buche schlägt, weil es keine entsprechenden Ausbildungsgänge gab. "Und selbst gegenüber dem inzwischen ins Leben gerufenen Informatiker (grad.) hat der Mathematisch-technische Assistent den Vorteil, sich schneller und reibungsloser seiner beruflichen Umwelt einzufügen", stellt Dipl.-Math. Otto-Hans Schmidt, Leiter der EDV-Ausbildung der BASF, fest. "Der Fachhochschul-Informatiker, bringt zwar in mancher Hinsicht eine größere Bandbreite der Ausbildung mit. Dafür hat der Mathematisch-technische Assistent die größere praktische Erfahrung."

Zwar bieten die Computerhersteller ein breites Spektrum von Ausbildungs- und Fortbildungskursen, aber nach Schmidts Erfahrung ist es praktisch nicht möglich, hieraus ein Curriculum zusammenzustellen, das den Programmierschüler in einem Durchgang zum letztlich geforderten Wissens- und Erfahrungsstand führen könnte. Auch fehlt bei den Herstellerkursen die Vermittlung der fundamentalen mathematischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse, die ein wesentliches Basiselement der Ausbildung zum "Mathematisch-technischen Assistenten" sind. Andererseits macht die BASF durchaus Gebrauch vom Lehrangebot der EDV-Industrie, wenn es darum geht, Neuerungen von Hard- und Software einzufahren.

Schüler angestellt

Schon mit ihrem "Lehrvertrag" (der eigentlich ein Anstellungsvertrag ist) werden die "Schüler" Angestellte des Unternehmens in einer ihrer Vorbildung entsprechenden Tarifgruppe der chemischen Industrie. Nach der Abschlußprüfung ist zur Zeit ein Monatsgehalt - je nach Examensergebnis zwischen 2300 und 2500 Mark die Regel. Die meisten Absolventen bleiben bei der BASF oder einer Tochtergesellschaft und erreichen normalerweise nach mindestens zehnjähriger Tätigkeit den außentariflichen Bereich. Einige besonders erfolgreiche Mitarbeiter sind inzwischen Hochschulabsolventen gleichgestellt. Und unter denen, die die BASF nach ihrer Ausbildung verlassen haben, haben nicht wenige hervorragende Stellungen in anderen Firmen einnehmen können. Einige "Mathematisch-technische Assistenten" haben inzwischen allerdings einen anderen Weg eingeschlagen: Sie schulen als Instruktoren bei der BASF - weiteren Nachwuchs ihrer eigenen Spezies ... (pi)