Service-Praxis ist Praktikern wichtiger als Image-Pflege

EDV-Marketing: Wissen über Anwenderwunsche ausbauen

12.10.1990

Marketing will den Kunden überzeugen: von der Politik eines Unternehmens, von der Leistung der Produkte. Im Informationstechnik-Sektor indes scheinen Anbieter ihre Scheuklappen für die Prioritäten der Anwender zu pflegen. Wen wundern da massive Absatzprobleme? Impulse für den innovativen Marketier in Hard- und Software soll eine Studie von Friedrich j. Preiß*geben.

Der Markt für Informationsmittel, worunter im folgenden ausschließlich Hardware- und Softwareprodukte für den kommerziellen Einsatz verstanden werden sollen, wächst immer noch mit zweistelligen Wachstumsraten. Trotz dieser positiven Aussichten für die Hard- und Softwareanbieter haben in jüngster Zeit vor allem Hardwareanbieter, beispielsweise Nixdorf und Wang, erhebliche Absatzprobleme. Für diese Firmen, aber nicht nur für sie, ist daher außerordentlich bedeutsam zu erfahren, nach welchen Faktoren sich die Anwender bei der Auswahl von Hard- und Softwareprodukten entscheiden.

In jedem Unternehmen gibt es, abhängig von der Branche und der Größe des Unternehmens, bestimmte Einflußfaktoren des Marketingerfolgs, die als stärker gewichtet beziehungsweise ausschlaggebend angesehen werden. Dies sind die sogenannten Softfaktoren. Aber nur sehr wenige dieser Einflußfaktoren entscheiden über den Absatzerfolg des Unternehmens. Diese werden als kritische Marketing-Erfolgsfaktoren bezeichnet.

Der Erfolg eines Unternehmens wird oft an dessen Gewinn, Wachstum und Stabilität über die Jahre gemessen. Voraussetzung hierfür ist ein steigender Absatz der Produkte eines Unternehmens. Zwar ist ein erfolgreicher Absatz noch kein Indiz für Gewinnerziehung, aber zumindest werden davon das Wachstum und die Stabilität direkt beeinflußt. Ob letztendlich eine Absatzsteigerung auch zu einer Gewinnsteigerung führt, hängt unter anderem von einer kostengünstigen Produktion und einer effizient arbeitenden Verwaltung ab. Da hier aber insbesondere die kritischen Marketing-Erfolgsfaktoren im Hard- und Softwaremarketing interessieren, werden im folgenden ausschließlich die Erfolgsfaktoren hinsichtlich des Absatzerfolges untersucht.

Ziel einer kleinen Untersuchung am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, war es, kritische Erfolgsfaktoren für das Marketing speziell in der Informationsmittelbranche (Hard- und Softwareprodukte) zu identifizieren und ihrer Bedeutung nach auszuwerten. In die Untersuchung wurden sowohl die Hard- und Softwareanbieter, als auch die Hard- und Softwareanwender einbezogen.

Empirische Studie bei Anbieter und Anwender

Um die kritischen Erfolgsfaktoren für das Marketing in der Informationsmittelbranche identifizieren zu können wurde ein Fragebogen entwickelt, auf dem bereits 22 Erfolgsfaktoren vorgegeben wurden.

Im Frühjahr 1989 wurden 94 Fragebogen an 55 Hard- und Softwareanwender und 39 Hard- uns Softwareanbieter verschickt.

Zur Auswertung sind die Faktoren in eine Rangfolge der Gewichtung der Erfolgsfaktoren durch die Hard- und Softwareanwender gebracht worden.

Der Verlauf der Profile zeigt, daß einige Erfolgsfaktoren von den Anbietern und Anwendern unterschiedlich bewertet wurden. So haben die Erfolgsfaktoren Herstellerservice, Ausbaufähigkeit, Betriebssystem Rechnerkapazität, Kundendienstnähe und Garantieleistungen für die Anwender eine große bis sehr große Bedeutung bei ihrer Entscheidung für den Kauf von Hard- und Softwaresystemen" Dies sind aus der Anwendersicht die kritischen Erfolgsfaktoren - unter der Annahme, daß Erfolgsfaktoren mit großer bis sehr großer Bedeutung zu den kritischen Erfolgsfaktoren gehören.

Die Anbieter hingegen unterschätzen bei diesen sechs Faktoren insbesondere die Bedeutung des Betriebssystems, der Kundendienstnähe und der Garantieleistungen. Den Faktoren Systemwechselkosten, Verbundpreise, Lieferbereitschaft und Design/Ergonomie wurden etwa übereinstimmende Bedeutungen zugemessen.

Bei weiteren Erfolgsfaktoren wird die Bedeutung von den Anbietern im Vergleich zu den Anwendern zum Teil deutlich überschätzt. Besonders auffällig ist der Bedeutungsunterschied bei den persönlichen Kontakten, beim Image, bei den Referenzen, Verkaufspräsentationen. Messen und PR-Aktionen. Die kritischen Erfolgsfaktoren Ausbaufähigkeit, Betriebssystem und Rechnerkapazität aus der Sicht der Anwender betreffen vor allem die Produktgestaltung der Hardwareanbieter. Die Bewertung macht deutlich, welche Leistungsanforderungen die Anwender an zukünftige Rechnersysteme stellen und wie die Einigung der Anbieter auf ein gemeinsames Standardbetriebssystem beurteilt wird. Die Unterschätzung der Bedeutung der kritischen Erfolgsfaktoren Kundendienstnähe und Garantieleistungen bei den Anbietern signalisiert deutlich einen Handlungsbedarf.

Allen Erfolgsfaktoren des Marketingsinstrumentes Kommunikationsgestaltung wurden von den Anbietern im Vergleich zu den Anwendern größere Bedeutung zugemessen. Dies betrifft die Faktoren langfristige Geschäftsbeziehungen, Image, Referenzen, Verkaufspräsentationen, Messen und PR-Aktionen. Einerseits wird hierdurch ein typisches Nachfrager-Urteilsverhalten sichtbar, bei dem der Leistungsbeitrag der Kommunikationsinstrumente nicht wahrgenommen oder verdrängt wird. Andererseits müßten sich insbesondere die großen Hard- und Softwareanbieter der Branche fragen, ob sie soviel in die Werbung investieren sollen.

Nüchterner Leistungsvergleich entscheidet

Die geringe Bewertung dieser Faktoren durch die Anwender kannte ferner den Schluß zulassen, daß der Hard- und Softwaremarkt für viele Unternehmen ausreichend transparent geworden ist. Es ist anzunehmen, daß auf der Anwenderseite meist geschulte EDV-Profis arbeiten, die über die verschiedenen Hard- und Software-Produkte sehr gut informiert sind und ihre Entscheidungen von einem nüchternen Leistungsvergleich der unterschiedlichen Angebote abhängig machen.

Auch im Bereich der Preisgestaltung werden einige Erfolgsfaktoren von den Anbieter überschätzt, zum Beispiel das

Leasing, die Rabattpolitik oder der Lieferantenkredit. Die Abstände auf der Bedeutungsskala der Erfolgsfaktoren sind jedoch nicht so groß wie bei den Faktoren der Kommunikationsgestaltung.

Von besonderem Interesse wäre es, der Vermutung nachzugehen, daß die Informationsmittel von Dienstleistungsunternehmen nach anderen Kritieren beurteilt werden als von Produktionsunternehmen.

Dazu wurden die Anwender in die Gruppe Produktionsunternehmen mit den Branchen Elektronik (3), Metall (5), Chemie/ Pharma (6), sowie Nahrungsmittel (5) und Dienstleistungsunternehmen mit den Branchen Banken (3), Versicherungen (4) und Dienstleistung/Handel (8) aufgeteilt. Vergleicht man die Bedeutungsprofile der Anbieter und der Anwender des produzierenden Gewerbes für die Erfolgsfaktoren Herstellerservice bis langfristige Geschäftsbeziehungen, so sind bis auf die Ausreißer Betriebssystem, Kundendienstnähe und Garantieleistungen, die von den Anbietern leicht unterschätzt werden, kaum Abweichungen festzustellen. Erstaunlich ist vor allem die Ähnlichkeit der Bedeutungsprofile der Erfolgsfaktoren Vertriebsorganisation bis Lieferantenkredite. Die Rangfolge ist bei den Informationsmittel-Anbietern und den Nachfragen des produzierenden Gewerbes, bis auf einen konstanten Abstand bei der Bewertung der Bedeutung, vollkommen identisch. Daraus läßt sich schließen, daß das derzeitige strategische Marketing der Hard- und Softwareanbieter insbesondere auf die Unternehmen der produzierenden Industrie ausgerichtet ist.

Zu etwas anderen Ergebnissen kommt man bei dem Vergleich der Bedeutungsprofile der Hard- und Softwareanbieter und der Anwender aus der Dienstleistungsbranche. Auch hier stimmen die Bedeutungen der Erfolgsfaktoren Herstellerservice bis langfristige Geschäftsbeziehungen bis auf die Ausreißer Betriebssystem und Kundendienstnähe überein. Erhebliche Abweichungen sind jedoch bei den Faktoren Vertriebsorganisations bis Lieferantenkredite feststellbar. Auch die Rangfolge der Erfolgsfaktoren ist für die Hard- und Softwareanbieter im Vergleich zu den Anwendern aus dem Dienstleistungsgewerbe unterschiedlich. Die Erwartungen der Anwender werden also für diese Faktoren übererfüllt, was eine Verschwendung der entsprechenden Ressourcen bedeuten kann. Als Ergenis der Untersuchung der Branchenunterschiede läßt sich feststellen, daß neben der Produktorientierung verstärkt eine Kundenorientierung angestrebt werden muß.

Hardware-Komponenten werden kaum genannt

Dem explorativen Charakter der Studie entsprechend wurden durch offene Fragen weitere Erfolgsfaktoren ermittelt. Die von den Hard- und Softwareanwendern genannten Faktoren lassen sich in zwei Themenkomplexe einordnen:

1. Eigenschaften der Software. Das schließt die Softwarewartung, Softwarepflege, Kompatibilität, Programmpflege, Dokumentation, Betriebssicherheit, Anpassungsfähigkeit, Vernetzungsmöglichkeiten und die Entwicklungsfähigkeit ein.

2. Betreuung des Kunden. Darunter lassen sich das Know-how des Anbieters, die Qualität des Kundendienstes, Schulungen und Seminare,

die Kundendienstqualität, die objektive Beratung und das umfassende Anwendungs-Know-how einordnen.

Interessanterweise wurden kaum zusätzliche Komponenten für den Bereich der Hardware genannt. Allderdings muß man berücksichtigen, daß einige Faktoren bereits durch die vorgegebenen eingeschlossen werden. So schließt beispielsweise der Faktor Betriebssystem den Faktor Kompatiblität mit ein. Auch die von den Hard- und Softwareanbietern zusätzllich genannten Faktoren lassen sich in zwei Themenkomplexe aufteilen.

1. Eigenschaften von Hard- und Software. Dazu gehören das Alter des Produktes, die Dokumentation, die Bedienung von Standards und die Kommunikationsfähigkeit mit anderen Systemen.

2. Kommunikationsgestaltung. Zu diesen Themenkomplex gehören die internationalen Kontakte, die Firmenpolitik, das Anbieter-Standing und die Referenzen.

*Diplom-Wirtschafts-Ingenieur Friedrich J. Preiß ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Beisheim-Stiftungslehrstuhl für Betriebswirtschafstlehre, insbesondere Marketing, der WHU.

Planvoll überzeugen

Der zunehmende Wettbewerb im Markt für Informationsmittel verlangt von den Hard- und Softwareanbietern den planvollen Einsatz der Marketinginstrumente

-Produkt-,

-Preis-,

-Kommunikations- um Distributionspolitik, um die Anwender in einem Nachfrage-Markt von ihrer Leistungsfähigkeit zu überzeugen.

Kundenorientierung mangelhaft

Die vorliegende Untersuchung nährt die Vermutung, daß das Marketing der Hard- und Softwareanbieter nicht optimal auf die Bedürfnisse der Anwender abgestimmt ist. Insbesondere bei der Produktgestaltung muß von den Anbietern mehr getan werden, um die Erwartungen der potentiellen Kunden zu erfüllen. Dagegen können Marketing-Ressourcen bei der Kommunikationsgestaltung, der Preisgestaltung und der Distributionsgestaltung eingespart werden. Die Entwicklung der Marketingstrategie ist nicht nur unter dem Aspekt der Produktorientierung, sondern vor allem auch unter dem Aspekt der Kundenorientierung vorzunehmen, damit die unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen der verschiedenen Branchen bei der Problemlösung erfüllt werden können.