perfekt auswärts

EDV-Englisch zum MitredenComputervokabeln kurzweilig verpackt und text-intern präsentiert

12.06.1981

4.Kapitel, 3. Teil Computer lügen nicht

Zu den "old simplicities", die immer "the same" bleiben, gehört das Grundmuster vom Sündenbock, die Entäußerung des schlechten Gewissens, die Objektivierung eines Schuldkomplexes. Hier leistet der Computer geradezu Grandioses, seine Bereitschaft zur Deliktfähigkeit ist grenzenlos. Hätten die Buchhalter nicht den Elektronenrechner erfunden, so wären's gewiß die Psychotherapeuten gewesen, denn die Maschine ist immens brauchbar als Tiefenbagger für die Entschlackung derjenigen, die da mühselig und beladen sind und sich erquicken wollen an dem Gedanken, daß sie den gerade aktuellen Schlamassel (etwas geht immer schief) nicht verbockt haben.

Im Zweifelsfall trägt die Hardware die Verantwortung, oder die Software, oder beides - also das "System".

Da telefoniert der Lieferant heute schon das zweite Mal und reklamiert

die rückständige Begleichung. Vor der Popularisierung der EDV gab es darauf nur drei Standard-Ausreden:

0 "We are missing your invoice, sir, are you sure you have already sent it?"

0 "Your check is in the mail, sir, but you know the postal services are terrible these days."

0 "You will be aware, dear sir, that our company's headquarters is in London, and the checks from there."

Nun ist Schluß mit dergleichen Farblosigkeiten im landesüblichen Defensiv-Argumentarium. Lapidar heißt es: "Our Computer broke down." Das begreift jeder; dagegen gibt es keine Einwände. Die Macht das Schicksals lähmt den Hauptspeiche und zwinkert binäre "malfunctions" von der Konsole.

Natürlich unterstützt der Hinweis auf den kaputten Computer nicht nur die Zinseinsparungsziele des modernen "cash management". Die wahrhaft universelle Anwendung des Schmähs ist sogar dem Branchenriesen IBM aufgefallen. In einer Glosse, betitelt "Dein Computer - das verkannte Wesen" (IBM-Nachrichten 30, 1980, Heft 248), räumt der Verfasser ("ft") dem Bankauszug mit Fehlbuchung den höchsten Stellenwert ein, wenn es darum geht, einer fälligen Entschuldigung auszuweichen - man sagt einfach, der Rechner habe sich geirrt. Schluß. Punkt. Die gleiche Reaktion ist zu erwarten - so der IBM-Artikel -, wenn das Elektrizitätswerk zum dritten und letzten Mal mahnt, den ausstehenden Betrag von 0,00 Mark endlich zu bezahlen - oder wenn die dreijährige Tochter die amtliche Aufforderung erhält, am nächsten Donnerstag pünktlich um sechs in der Grenadierkaserne zur Musterung zu erscheinen: No apologies, no remorse - nothing but a short reference to the error of the computer system.

Wohlgemerkt: Im Rahmen der an...blicken Deliktfähigkeit von EDV-Anlagen unterdrücken die Ablenker geflissentlich jeden Unterschied von Maschinen und Programmen. Sie benutzen die elektronische Gegenständlichkeit der Hardware, um ihr etwas an die Seite zu setzen, das sich ebenfalls als gegenständlich deklarieren läßt: die Software nämlich. Durch diesen Trick wird Immaterielles objektiviert - zum Zwecke der semantischen Bewältigung, die eine Vernebelung ist. Wo immer ein Intelligenzdefizit ins Abseits führt, wann immer der Hardware-Einsatz am Talentmangel datentechnischer Arbeitsvorbereiter scheitert, muß auch die Software als Prügelknabe herhalten, als stünde sie ganz außerhalb der Expertenverantwortung, sozusagen als "Programm-Paket" neben dem Prozessor, und als sei sie physikalisch Fähig wie eine mangelhaft reparierte Wäscheschleuder.

Modifikationen erfordern Zivilcourage

Selbst bei prognostischen Fehlspekulationen im Bereich wirtschaftlicher Wetterlagen wird bisweilen der Zeigefinger aufs Rechenzentrum gerichtet, obwohl sogar der Laie erkennt, daß der Output direkt vom Input abhängt, vorausgesetzt freilich, das hyperkomplexe ökonometrische Simulationsmodell wurde zuvor sorgsam durchgeprüft - in der Logik und in der Plausibilität. Ein solches Modell, so vielschichtig es auch sein mag, liefert naturgemäß für die gleichen Eingangsinformationen immer die gleiche Ausgabe, und nur der Mensch kann (und muß) darüber befinden, welche Parameter sich in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt verändert haben. Die entsprechenden Modifikationen der Eingabe erfordern Zivilcourage, weitreichende Konsequenzen sind zu bedenken, Interessen werden berührt, Opportunismus spielt zuweilen eine Rolle. Wer als Statistiker auf "Nummer Sicher" gehen will, wartet ab, bis ihm die Chronik der laufenden Ereignisse die Änderung eines relevanten Sachverhalts voll bestätigt. Dann ist es allerdings für eine sinnvolle Prognose zu spät - das Ergebnis taugt nur noch zur Nachkalkulation.

Bei den stark computerisierten Forschungsinstituten, die der Öffentlichkeit ihre "forecasts" in puncto Konjunkturverlauf andienen, besteht zudem der Verdacht, daß sie nicht gern allzu kraß vom allgemeinen Konsens über die Zukunftsaussichten abweichen. For some reason or reasons known only to themselves, they think it better to be with the majority (and wrong) than to be alone (and right). In der Masse irrt sich's leichter.

Wie dem auch sei ("be that as it may"), der Computer lügt grundsätzlich nicht. Er ist an seinen artikulierten Weisheiten so unschuldig wie ein Automobil an der Verletzung der Straßenverkehrsordnung, und er ist immer noch nicht sensibel genug, trendgerechte Entscheidungen im Vorfeld der eigenen Eingabe selbst zu fällen.

Fazit: Es gibt drei herausragende Möglichkeiten des organisatorischen Schindluders, das mit Hilfe einer EDV-Anlage nach Belieben postuliert werden kann: Die Frustratoren Midas, Siegfried und Hamlet (vergleiche CW Nr. 20 vom 15 Mai, Seite 32). Und es existiert eine zentrale Schutzbehauptung: Die Unterstellung, das "Ding an sich", das tückische Objekt, könne seine Einsatzleiter aus der Pflicht entlassen.

Don't you ever believe it! Remember this: if a computer can be the single cause of failure, it should, sometimes at least, also be viewed as the sole and single cause of success. But success, as you may have noticed, is invariable the result of human action - with or without the intelligent use of edp. Strange, isn't it?

Wird fortgesetzt