EDV-Ausbildung vor der 2. Halbzeit

04.07.1975

Dr. Claus Jordan, Leiter Betriebswirtschaft und DV der Technischen Akademie, Wuppertal

Zufallstreffer

Es hat Jahre gegeben, in denen sich ein warmer Regen öffentlicher Mittel über Gerechte und Ungerechte ergoß, so daß rings im Land DV-Schulen wie Pilze aus dem Boden schossen. Der Regen kam aus einer Gießkanne, die mit "Arbeitsförderungsgesetz" und "Berufsbildungsgesetz" beschriftet war und aus Quellen der Bundesanstalt für Arbeit gefüllt wurde. Die im Jahr 1969 erlassenen Gesetze hatten keineswegs eine spezielle Förderung der DV-Ausbildung zum Ziel. Daß es hier zu einer Art Zufallstreffer kam, war teils der Gunst der Stunde, teils aber auch dem wachen Geschäftssinn von Ausbildungsmanagern zu danken. Vielerorts wurde gerade eine Ausbildung zum Programmierer als erstrebenswert angesehen. Diese Ausbildungsrichtung bot sich besonders einigen Personengruppen, zum Beispiel abgehenden Zeitsoldaten der Bundeswehr und Kumpels stillgelegter Zechen, als scheinbar kürzester Weg zu gutbezahlten Jobs an. Und so fanden sich auch bald Institute, die nicht einfach auf einen Guß aus der Kanne warteten, sondern mit speziellen Absaugvorrichtungen die Reservoirs der Bundesanstalt für Arbeit massiv anzapften. Man richtete seinen Lehrbetrieb von vornherein auf die förderungsberechtigten Umschüler ein und betrieb Umschulungsgeschäfte im großen Stil. Das Pumpsystem funktionierte gut, zu gut. Die Bundesanstalt für Arbeit mußte befürchten, bald selbst auf dem Trockenen zu sitzen. Sie beeilte sich, die Abflüsse einzudämmen. Gesetzesänderungen beschränken seit 1972 die Erstattung von Unterrichtsgebühren auf so niedrige Stundensätze, daß damit kaum noch eine ordentliche EDV-Ausbildung finanziert werden kann.

Am Pfosten vorbei

Die Optimisten unter den EDV-Ausbildern waren aber weiter guten Mutes; denn schließlich wurde 1971 schon das zweite DV-Programm der Bundesregierung verkündet. Und dort stand unter den vorgesehenen Förderungsmaßnahmen die Ausbildung an erster Stelle. Zwar nicht betragsmäßig, aber immerhin: im Rahmen des Gesamtbetrages von 2,4 Milliarden DM wurden für die Förderung der DV-Ausbildung (außerhalb des Forschungsprogramms "Informatik" im Hochschulbereich) 162 Millionen DM - von 7 Millionen DM 1972 steigend auf 75 Millionen DM in 1975 vorgesehen.

Soweit so gut. Nur hat die Sache einen Haken: Die genannten 162 Millionen DM sollen ausschließlich zur "Institutionellen Förderung von Berufsbildungszentren für DV" angesetzt werden. Die neun Monate nach Verkündigung des 2. DV-Programms hierfür vom Bundesarbeitsministerium erlassenen Richtlinien orientierten sich noch ganz an der Ausbildungseuphorie von 70/71. Mit leichtem Drall zur Gigantonomie schreiben sie unter anderem vor, daß nur solche Bildungszentren gefördert werden sollten, die mindestens 500 Teilnehmerplätze haben.

Diese und weitere einschränkenden Bestimmungen bewahrten die meisten Ausbildungsstätten davor, das Danaergeschenk eines Zuschusses aus dem 2. DV-Programm zu empfangen. Da grundsätzlich nur Gebäudeinvestitionen und Computeranschaffungen bezuschußt werden sollten, verblieb bei hohen laufenden Kosten natürlich ein erhebliches Kapazitätsrisiko beim investierenden Institut. Die meisten Schüsse gingen deshalb am Pfosten vorbei, und die zur Ausbildungsförderung vorgesehenen Millionen konnten nur teilweise einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden.

In die zweite Halbzeit?

Mit den Gründen für das Fehlschlagen der Ausbildungsförderung im 2. DV-Programm setzt sich eine Dokumentation auseinander, die von der Arbeitsgemeinschaft der DV-Bildungszentren (ADVB) und dem Bildungswerk der Deutschen Angestelltengewerkschaft Anfang 1974 den zuständigem Ministerien und der Bundesanstalt für Arbeit übergeben wurde. Als Grundforderung entnehmen wir der Kurzfassung dieser Dokumentation:

""Teachware" vor "Houseware""

Bei der im 2. DV-Programm geförderten Neugründung von großen Bildungszentren wurden ausschließlich Computer- und Gebäudekosten

als förderungsfähig genannt. Im Fachjargon: Förderung nur für Hardware und >Houseware<. Die derzeit ungenügende Auslastung bestehender Ausbildungszentren zeigt jedoch eindeutig, daß die Priorität auf >Teachware< verlagert werden muß."

Konkret gefordert werden einerseits eine Durchleuchtung des EDV-Personalmarktes und Klärung der nachgefragten Anforderungsprofile anderseits die zum Stichwort "Teachware" gehörenden Maßnahmen: Schaffung eines arbeitsfähigen Gesamtkonzeptes für die DV-Ausbildung. Aufteilung der Lerninhalte in selbständige Module. Ausarbeitung von Prüfungsordnungen für die einzelnen Lernmodule.

Die Verfasser der Dokumentation erwarteten insbesondere von der Erschließung der kurz- und mittelfristigen EDV-Zusatzausbildung eine Wiederbelebung der Ausbildungsaktivitäten.

Skepsis auf der Trainer-Bank

Eine verbindliche, offizielle Stellungnahme zur eingereichten Dokumentation haben die Verfasser auch eineinhalb Jahre nach der Vorlage noch nicht erhalten. Immerhin kam aber aus dem Forschungsministerium der Hinweis, der dort einberufene ad hoc-Ausschuß habe bei seinen Beratungen zum 3. DV-Programm alle im Memorandum enthaltenen Anregungen ohnehin schon behandelt. Allerdings: Konkret befragt, ob daraus eine größere Aufgeschlossenheit für eine Förderung von Lehrkonzepten und Lehrmitteln im DV-Bereich zu erhoffen ist, mochte das Forschungsministerium keine nähere Auskunft geben.

Es bleibt also abzuwarten, ob der ad hoc-Ausschuß in einer seiner nächsten Sitzungen Empfehlungen für praxisnahe Ausbildungsförderung im 3. DV-Programm aussprechen wird oder ob es weiter bei der Förderung von Informatik, House- und Hardware bleiben soll.

Auf der Trainer-Bank sieht man der 2. Halbzeit ohne übertriebenen Optimismus entgegen.