EDV auf katholisch

20.06.1975

Dr. Walter Bökel, Chefredakteur des Informationsdienstes für die Deutsche Wirtschaft "Wirtschafts- und Sozialpolitik", Bonn

... Wohl in der Erkenntnis, daß selbst die Kapazitäten der UNIDATA-Partner zur Realisierung des katholischen Computer-Verbundnetzes unzureichend sein werden, hofieren Siemens, CII und Philips seit Jahren den italienischen Büromaschinen-Konzern Olivetti, sich wieder verstärkt der Entwicklung von Terminals zuzuwenden und Partner der UNIDATA zu werden. Obwohl Olivetti inzwischen die gewünschten Terminals entwickelt hat und auch schon auf dem Markt anbietet, zeichnet sich ab, daß die Integration in die UNIDATA vorerst nicht verwirklicht werden kann.

- Olivetti befindet sich dabei in einer recht guten Verhandlungsposition (nahezu alle Italiener sind Katholiken) und verlangt mit Beharrlichkeit, daß die UNIDATA nach dem Beitritt Olivettis in

- OLIDATA oder mindestens

- UNIVETTI umbenannt werden müsse.

Siemens, Philips und CII halten diese Firmennamen jedoch für unangemessen und fürchten, daß eine sich daran anschließende Veralberungskampagne das Projekt partiell oder total gefährden könne.

Verwundern muß, daß aus dem Hause des erfolggewohnten Paderborner Computerherstellers keinerlei Kommentar zu der Auftragsvergabe des Kölner Generalvikariats an Siemens zu erhalten ist. Wer Nixdorf kennt weiß aber, daß er zuwarten kann und hierbei völlig darüber hinweggeht, daß nicht alle Vorstandsmitglieder Katholiken sind. Kenner vermuten, daß er versuchen wird, sein selbstentwickeltes Software-Paket PIS (Predigt-Informationssystem) an abseits der kirchlichen Zentralen tätige Pfarrer zu verkaufen, um die kirchliche Organisation von der Peripherie her aufzurollen. Man darf gespannt sein, ob und wann es ihm gelingt, mit seinen Rechnern die Alpen zu überschreiten.

- Da Nixdorf offensichtlich nicht freiwillig bereit ist, das umfangreiche Software-Paket PIS an Siemens zu verkaufen, gibt es zur Zeit erheblichen Ärger zwischen diesen Firmen. Siemens hat zwischenzeitlich aus schierer Verzweiflung das Bundesministerium für Forschung und Technologie brieflich um Schützenhilfe gebeten und darauf hingewiesen, daß PIS mit Bundesmitteln gefördert wurde und somit allen anderen Herstellern und Anwendern zugänglich gemacht werden muß.

- Dazu ein Sprecher aus dem Hause Nixdorf: "PIS ist weder in Cobol, PL1, Fortran oder dergleichen geschrieben. Wir haben dafür zwei kirchenspezifische Compiler "Vikarol" und "Prälatol 7" entwickelt, die völlig inkompatibel sind und nicht mit Bundesmitteln bezuschußt wurden. Die soll erst einmal einer knacken!" . . . Aus dem Hause Siemens verlautet, daß die heute vorhandene Hardware hinreiche, die von der katholischen Kirche gestellte Aufgabe zu erfüllen. Lediglich der für die Registrierung und Archivierung von Kirchenaustritten erforderliche Cogito-Ergo-Summer müsse als peripheres Gerät noch entwickelt werden. Auch die heute bereits vorhandene Systemsoftware decke die meisten Forderungen des Kunden ab. Allerdings erwarte man ziemliche Schwierigkeiten, weil das gängige Multitasking für Papstwahlen modifiziert werden müsse (Multipoping). Die Siemens Projektgruppe "Bibel/Koran" (offensichtlich will man ein universell einsetzbares Software-Paket erstellen) wertet zur Minimierung dieser Schwierigkeiten zur Zeit die Erfahrungen der AEG mit dem Bundestag-Computer aus.

- Die von Fachleuten geäußerte Befürchtung, daß bei der Online-Verbindung Generalvikariat Köln - Vatikan erhebliche Probleme auftauchen werden, wischt Siemens mit dem Hinweis beiseite, daß die Strecke über die bundeseigene Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) geleitet werde.

- Nuntius Bafile und der Hauptgeschäftsführer der Nuntiatur, Prälat Prof. Dr. Schwertschläger, hätten sich bei einem Besuch in der GMD von dieser Möglichkeit überzeugen lassen.

- Für die erst in zehn Jahren geplante Weiterführung der Online-Verbindung über den Papst hinaus denke man an den Einsatz der markterprobten ICL-Bridgeware, die den erforderlichen Transzendentalspeicher in Monolithtechnik habe. Auch das kirchliche Bedenken daß eine übertriebene Benutzung dieser technischen Möglichkeit das zur Zeit gute Verhältnis der katholischen Kirche zu IHM beeinträchtigen könne, sei durch den geplanten Einsatz eines 12-Popecorn-Parallelrechners ausgeräumt worden.

... Da sowohl der Vatikan als auch Siemens zweifelsfrei Unternehmen mit europäischer Basis sind und es sich zudem um ein marktnahes Projekt mit hohem Auffälligkeitswert als Pilotinstallation handelt, können der Vatikan und Siemens nach den Vergaberichtlinien zum 2. Programm der Bundesregierung zur Förderung der Datenverarbeitung einen Antrag auf Bezuschussung beim Bundesministerium für Forschung und Technologie stellen.

Bundesminister Matthöfer zu diesem Problem: "Ich und mein Kollege Schmitt-Vockenhausen haben keine ideologischen Vorbehalte gegenüber diesem Projekt. Wir stellen nur zwei Bedingungen: 1. Der Antrag darf nicht in Latein abgefaßt werden und 2. die katholische Kirche darf die nach der Geschäftsordnung meines Hauses festgelegte sachliche Kompetenz des Referenten Dr. Marx nicht in Frage stellen."