Vor einem Jahr übernahm Michael Jordan das Ruder

EDS steckt tief in der Reorganisation

16.04.2004
MÜNCHEN (jha) - Seit gut einem Jahr ist Michael Jordan CEO von Electronic Data Systems (EDS). Die Bilanz der von ihm eingeleiteten Neuausrichtung fällt durchwachsen aus. Noch immer kämpft das Unternehmen mit Altlasten aus der Ära Richard Brown. Auf der Habenseite steht ein klares Profil.

2004 wird für EDS zum Jahr der Konsolidierung. "Wir wollen dieses Jahr nutzen, um das Geschäft zu stabilisieren und EDS klar zu positionieren", warb Reinhard Clemens, Vorsitzender der Geschäftsführung von EDS in Deutschland. "2005 wird für uns das Jahr des Wachstums, dann werden wir wieder angreifen." Eine Phase der Ruhe und Konzentration wird das Unternehmen gut gebrauchen können, denn das letzte Jahr verlief turbulent, und noch immer trägt EDS an den Folgen der Vergangenheit: Unter dem im März 2003 ausgebooteten Firmenchef Richard Brown erkaufte sich EDS schnelles Wachstum mit zum Teil unprofitablen Verträgen.

Navy-Deal belastet das Unternehmen

Als besonders fragwürdigen Ausdruck dieser Strategie lässt sich der Deal mit dem US-amerikanischen Navy Marine Corps bezeichnen. Er wurde im Jahr 2000 vereinbart, umfasst ein Volumen von 6,9 Milliarden Dollar und verpflichtet EDS zum Aufbau und Betrieb eines Intranets für weltweit 360000 Mitarbeiter. Schon unter der Navy-Verantwortung, also noch ohne das Intranet, hatte die IT-Infrastruktur Kosten in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar pro Jahr verschlungen. Das Abkommen zwang EDS bereits zu Abschreibungen von knapp 560 Millionen Dollar. "In der Wachstumseuphorie der vergangenen Jahre sind wir sehr viele überzogene Versprechungen eingegangen. Die Altlasten zu beseitigen war ein sehr schmerzhafter Prozess", räumt Clemens nun ein.

Unter einem anderen Blickwinkel dürfte der Navy-Deal allerdings ganz nach dem EDS-Geschmack sein, denn er entspricht genau der Strategie, die der seit März 2003 amtierende CEO Michael Jordan im Zuge der Konzentration des Unternehmens auf das IT- und Business-Process-Outsourcing (BPO) formuliert hat: Ziel soll es sein, die oftmals ungeordnete IT des Kunden zu übernehmen, zu erneuern und weitgehend an offene Standardplattformen anzupassen. Helfen sollen die derzeit in Zusammenarbeit mit Technologiepartnern wie Cisco, EMC und Microsoft zu entwickelnden Templates, also vorgefertigte IT-Bausteine, die in die Kunden-IT eingefügt werden. Die Kosten der Übergangs- und Erneuerungsphase werden über die gesamte Laufzeit des Outsourcing-Projekts verteilt.

IT übernehmen und modernisieren

Im Rahmen dieses "Business-Transformation-Outsourcing"-Angebots kombiniert der Dienstleister - wie übrigens Accenture unter gleicher Bezeichnung auch - Projekt- und Betriebsdienste. Beide Kontrahenten wollen das Gleiche, nämlich den Kunden eine moderne IT mit Standardapplikationen installieren und sie danach betreiben. Beide nähern sich aber aus unterschiedlichen Richtungen diesen Vorhaben an. Accenture hat Stärken im Applikations-Know-how, insbesondere im SAP-Umfeld, und Schwächen im Mainframe- und IT-Betrieb. Bei EDS verhält es sich genau umgekehrt.

"Die EDS Business Solutions, die aus der Systematics hervorgegangen ist, liefert gutes Wissen im Transformationsbereich. Auf der Anwendungsseite, etwa im SAP-Umfeld, ist Systematics nie stark gewesen", sagte Clemens. Die Defizite sollen Kooperationen etwa mit Mummert Consulting beheben. Nach und nach will EDS die noch vorhandene Lücke mit eigenen Mitarbeitern schließen. Die im letzten Jahr angekündigten Entlassungen von rund 800 Mitarbeitern in Deutschland sollen dem Branchen-Know-how im Unternehmen mehr Gewicht verleihen: "Wir wollen langfristig in Deutschland mehr Industrieberater und weniger Basisprogrammierer beschäftigen", argumentiert Clemens.

Rüdiger Spies, Vice President der Meta Group, wertet die unter Jordan eingeschlagene Konzentration auf das Outsourcing-Geschäft als Eingeständnis des Scheiterns im Projektgeschäft. "EDS hat es nie verstanden, die Lücke zwischen AT Kearney und dem eigenen Outsourcing-Bereich zu schließen", lautet sein Fazit. "Unterm Strich ist EDS ein Outsourcing-Anbieter mit angeschlossener Management-Beratung." Immerhin scheint Jordan nicht den Kardinalfehler seines Vorgängers zu wiederholen, der AT Kearney als Pre-Sales-Truppe für Outsourcing-Deals positionieren wollte. Laut Spies gab es in Deutschland tatsächlich ein derart angelegtes Projekt, das auch einige Erfolge zeitigte, aber nach heftigen Protesten der Consultants eingestellt wurde. Nicht zuletzt wegen der ständig wechselnden Strategie und der wiederholten Versuche, die Management-Consultants für das Auslagerungsgeschäft zu instrumentalisieren, fühlen sich die Berater unter dem EDS-Dach unwohl und denken immer wieder über eine Trennung nach.

Auch in anderen Unternehmensteilen gibt es ausreichend Baustellen, die es noch in diesem Jahr zu schließen gilt. In Deutschland und Europa müssen Rechenzentren und Service-Center konsolidiert und die eigenen Offshore-Kapazitäten in Osteuropa ausgeweitet werden. "Ziel ist es, europaweite Serviceeinheiten mit kritischer Größe aufzubauen. Für Call-Center benötigen wir ungefähr 450 bis 500 Mitarbeiter, um Synergien effektiv nutzen zu können", schildert Clemens.

Fester Glaube an gute Bilanz

Gute Möglichkeiten, deutsche Standorte zu erhalten, gibt es im bereits stark automatisierten Data-Center-Bereich, denn dort belaufen sich die Personalkosten auf nur 18 Prozent vom Gesamtaufwand. Entschieden ist die Standortfrage bislang noch nicht. "EDS ist ein Unternehmen mit traditionell hoher Profitabilität, zumindest bis einschließlich 2002. Wenn EDS weiterhin die Delivery-Prozesse rationalisiert und gleichzeitig bei den Abschlüssen neuer Deals vorsichtig bleibt, wird die Firma wieder eine gesunde Basis schaffen", glaubt Christophe Chalons, Geschäftsführer des Münchner Marktforschungshauses Pierre Audoin Consultants (PAC). Deutschland-Geschäftsführer Clemens scheint vom Erfolg der eingeleiteten Restrukturierung überzeugt zu sein. Sein Ausblick fällt überschäumend optimistisch aus: "Wir werden - wenn alles glatt läuft - zum Ende des Jahres 2004 eine Bilanz haben, die besser sein wird als alle Bilanzen zuvor. EDS wird keine Nettoverschuldung mehr aufweisen, und unsere Barreserven werden sich auf fünf Milliarden Dollar belaufen. Damit wird EDS die beste Bilanz der gesamten IT-Branche vorzeigen können."

EDS im Überblick

Electronic Data Systems (EDS), 1962 von Ross Perot gegründet, 1984 von General Motors übernommen und 1996 wieder in die Unabhängigkeit entlassen, ist nach IBM Global Services mit einem Jahresumsatz von rund 21 Milliarden Dollar der weltweit zweitgrößte IT-Dienstleister. Seit März 2003 amtiert Michael Jordan als CEO, seitdem konzentriert sich das Unternehmen auf IT-Outsourcing und Business Process Outsourcing. EDS spricht vornehmlich Kunden aus den Branchen Fertigung, Transport, Telekommunikation und Medien sowie Banken und Versicherungen an.

Die Management-Beratung AT Kearney ist eine EDS-Tochter. Der Geschäftsbereich PLM Solutions, der Konstruktionssoftware und Lösungen für das Product-Lifecycle-Management (PLM) verkaufte, wurde im März 2004 an eine Investmentgesellschaft veräußert.

Abb: IBM und T-Systems führen das Feld der IT-Dienstleister an

Im Jahr 2003 belegte EDS noch den vierten Rang unter den größten deutschen IT-Dienstleistern. Nach der Übernahme von Triaton durch Hewlett-Packard Anfang des Jahres wird EDS jedoch auf Platz fünf abrutschen. Quelle: PAC