Pilotprojekt der expert GmbH mit SEL und Philips ist dem Echtzeitbetrieb gewichen

Edifact: "Hausstandards" in die ISO-Syntax übersetzen

23.06.1989

Ein Pionier der ersten Stunde In Sachen Edifact Ist die Deutsche expert-Zentrale GmbH In Langenhagen. Die Organisation - ein Zusammenschluß von Elektrohändlern arbeitet aktiv Im Arbeitskreis NBü 11.2 des DIN mit und wickelt seit 1988 die Rechnungslegung elektronisch in der Edifact-Syntax mit SEL und Philips ab. Einen Praxisbericht von der Planung über die Implementierung bis hin zum Echtzeitbetrieb gibt Manfred Mackel.

Manfred Mackel ist Leiter der EDV bei der Deutschen expert-Zentrale GmbH, Langenhagen, und in dieser Funktion für die Realisierung von Edifact verantwortlich.

Die expert-Gruppey ist ein Zusammenschluß von 280 Rundfunk-, Fernseh- und Elektro-Einzelhändlern mit annähernd 400 Fachgeschäften im gesamten Bundesgebiet. Rund 85 Prozent des Umsatzes werden im sogenannten Streckengeschäft gemacht, das heißt, der angeschlossene Gesellschafter bestellt seine Ware direkt beim Lieferanten und erhält sie auch von dort. Die Regulierung der Rechnung erfolgt über die expert-Zentrale.

In Spitzenzeiten treffen monatlich bis zu 50000 Rechnungen der Industrie bei der Zentrale ein, die alle manuell und positionsweise erfaßt werden. Dabei ist der Belegfluß nicht gleichmäßig, sondern verstärkt sich zum Monatsende hin. Trotzdem muß die expert-Gruppe pünktliche Monatsabrechnung gewährleisten, um zum Beispiel keine Skontoverluste zu erleiden.

Deshalb waren wir seit einigen Jahren stark daran interessiert, die Rechnungen der Industrie in einer maschinell verarbeitbaren Form zu erhalten. In einem ersten Schritt entwickelte die expert-Gruppe daher einen festen Satzaufbau und vereinbarte mit zehn Lieferanten, ihre Rechnungen in diesem "Hausstandard" auf Diskette oder Magnetband zu übermitteln. Soweit von den Lieferanten gewünscht, wurden im Gegenzug Abrechnungsdaten ebenfalls nach einem erstellten Satzaufbau versandt.

Beim Versuch, weitere Lieferanten für dieses Verfahren zu gewinnen, traten die Grenzen des "Hausstandards" deutlich zutage, denn die Industrie wurde in der Zwischenzeit auch von anderen Kunden bedrängt, Rechnungen auf Datenträgern zu liefern. Natürlich hatte jeder Kunde mangels offiziellem Standard seine individuellen Vorstellungen eines Zeichensatzes eingebracht. Die Industrie reagierte daher auf das Ansinnen der Kunden mit der Forderung nach einem einheitlichen Zeichensatz. Innerhalb der Kooperationen der Unterhaltungselektronik gelang die "Standardisierung", doch dann brachte die Industrie Edifact ins Spiel.

Edifact sei der Standard für elektronischen Datenaustausch weltweit, so argumentierte die Industrie, und als erste Standardnachricht sei die Rechnung am weitesten gediehen, sowohl im Hinblick auf die nationale als auch auf die internationale Normierung.

Die expert-Gruppe beschloß daraufhin diesen Standard zu nutzen. Sie wurde Mitglied im Arbeitskreis NBü 11.2 beim DIN, um die Normungsarbeit zu unterstützen und die Theorie zu erlernen. Zu Beginn erklärten wir uns deshalb bereit, von der SEL AG Stuttgart, einem Unternehmen des ZVEI, Rechnungsdaten im Edifact-Format im Rahmen eines Pilotprojektes zu empfangen.

Es war ein Vorteil, daß es sich bei SEL um einen der Lieferanten handelte, die bereits Rechnungen im expert-"Hausstandard" verschickten. Im Herbst 1986 legten SEL und die expert-Zentrale fest, welche Segmente und Datenelemente aus der Standardnachricht Rechnung benötigt wurden. Dabei orientierten wir uns einerseits an den Feldern des alten Standards, andererseits an den Vorschriften des Edifact-Standards. Im Prinzip war es eine Übersetzung in die Edifact-Syntax unter Beachtung der Muß-Segmente und -Datenelemente sowie des Nutzdatenrahmens. Nach dem damaligen Stand der Rechnung benötigten wir elf von 35 möglichen Segmenten aus Kopf- und Summenteil, fünf von 20 möglichen Segmenten aus dem Positionsteil-, der Unterpositionsteil wurde nicht benötigt.

Der Absender mußte seine bisherige Fakturendatei mit festen Satzarten und Satzlängen für Kopf, Position, Nachlaß und Summe um die erforderlichen Qualifier und Codes erweitern, um einen konvertierbaren Datenbestand zu erzeugen.

Als Empfänger hatte die Expert-Zentrale die Aufgabe, die eingegangenen Edifact-Dateien in ihr Inhouse Format umzusetzen. Sie bewerkstelligte dies mit einem selbstgeschriebenen Umsetzungsprogramm. Die Entwicklung des Mini-Konverters nahm rund eine Mannwoche in Anspruch. Der dekonvertierte Datenbestand entspricht dem ehemaligen festen Satzaufbau, so daß die Daten mit dem vorhandenen Programm geprüft und entsprechend weiterverarbeitet werden können. Nach ausführlichen Tests konnten wir im März 1988 mit dem Echtbetrieb beginnen.

Bei der Realisierung dieses Projektes gab es aber auch Probleme. So traten zum Beispiel auf der Absenderseite Reibungs- und Zeitverluste auf, ehe die für den elektronischen Geschäftsverkehr zuständige Abteilung die Kollegen der Rechnungserstellung überzeugt hatten, ein funktionierendes System durch ein zukunftsträchtiges zu ersetzen.

Hinzu kamen Verzögerungen bei der Fertigstellung und Installation der Konvertierungssoftware auf dem dafür vorgesehenen Großrechner. Darüber hinaus gab es in der Zwischenzeit bei der Standardisierung laufend Änderungen der Qualifier und Codes, die immer wieder an die Software anzupassen waren. Schließlich mußten doch noch bilaterale Vereinbarungen über bestimmte Segmente getroffen werden, die mehrmals in einer Nachricht in unterschiedlichen Teilen wie Kopf und Position vorkommen können.

Die variabel lange Darstellung von Segmenten und Datenelementen kollidierte mit den althergebrachten Vorstellungen in der EDV über feste Satz- und Feldlängen und erforderte ein gewisses Umdenken.

Die Probleme aus der Zeit des Pilotprojekts sind heute weitgehend gelöst. Seit dem 1. August 1988 arbeitet die expert-Zentrale auch mit Philips im Echtbetrieb zusammen. Die Nachricht "Rechnung" ist im Herbst 1988 für ein Jahr zur Anwendung freigegeben worden. Wahrscheinlich wird dieser Zeitraum bis zum Frühjahr 1990 verlängert. Andere Standardnachrichten werden folgen. Es ist jedoch nicht nötig, immer auf die jüngste Version einer Nachricht zu warten. Änderungen in der Syntax betreffen heute erfahrungsgemäß nur noch "exotische" Kann-Datenelemente, die die bereits getroffene Auswahl eines Subsets kaum tangieren. Anwender, die nicht auf einen Konverter Marke Eigenbau setzen, haben es heute auch deshalb schon leichter, weil die bilateralen Vereinbarungen durch Syntaxänderungen überflüssig geworden sind.

Die expert-Gruppe strebt den Austausch von Handelsdaten im Edifact-Format mit allen großen Lieferanten an, um mit dem ständig wachsenden Volumen an Rechnungen und Zahlungen Schritt halten zu können. Edifact ist ein Mittel zum Zweck, von dem Lieferanten und Kunden gleichermaßen profitieren können. Weitere Partner für den Austausch von Handelsdaten zu gewinnen, dürfte mit der Edifact-Syntax leichter werden. Die Bereitschaft, EDI auf der Basis von Edifact zu betreiben, hält sich zwar derzeit noch in Grenzen, aber der Bekanntheitsgrad der ISO-Norm wächst.

Unsere bereits angesprochenen Geschäftspartner erwarten Zahlungsdaten. Die Standardnachricht, Zahlungsavis wird für Ende 1989, spätestens aber im Frühjahr 1990 erwartet. Bis dahin könnten wir hilfsweise nur unseren "Hausstandard" bieten oder versuchen, mit einer Vorabversion von Edifact zu arbeiten.

Weitere Ziele sind der Übergang vom Datenträger und Postversand zur Datenübertragung und Wegfall der Papierbelege. Was die DFÜ anbetrifft, will die expert-Zentrale GmbH mit dem ersten Partner ab Juli über Wählleitung und BSC die Daten übertragen. Allerdings haben die beiden Edifact-Partner der expert-Zentrale bei der Datenübertragung unterschiedliche Vorstellungen, und wurden Partner mit weiteren Varianten von unserer Seite einen Aufwand bedingen, der nicht zu vertreten wäre,

Den Wegfall der Papierrechnung sehen wir kurzfristig als nicht realisierbar an, da die Originalrechnungen nach der Erfassung in der Zentrale zu Prüfzwecken an unsere Gesellschafter weitergeleitet werden und eine Aufstellung auf Tabellierpapier noch nicht als vollwertiger Ersatz akzeptiert wurde. Trotzdem wollen wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren und mit diesem Einsparungspotential die Realisierung von Edifact vorantreiben.