Efficient Consumer Response soll Abläufe optimieren

EDI kommt in Deutschland nur langsam vom Fleck

29.11.1996

Der EDI-Kongreß der Gesellschaft zur Vereinfachung von Handelsverfahren und Förderung von EDI-Anwendungen, De-Pro, Berlin, hat vermutlich zum letzten Mal als eigenständige Veranstaltung stattgefunden. Im kommenden Jahr, so war zu hören, soll er in die Münchner Computermesse Systems integriert werden. Ob dieser Ansatz erfolgreich ist, steht in Frage, zumal die EDI-Sonderschauen in diesem und im vergangenen Jahr auf der Systems wenig Resonanz fanden.

Das geringe Interesse an EDI führte nicht nur zu einem mäßigen Messe- und Kongreßbesuch in Fürth, sondern ist symptomatisch für die EDI-Situation in Deutschland allgemein. Zwar lag die Zahl der Kongreßteilnehmer mit 350 auf dem gleichen Niveau wie in den Jahren zuvor, ein Großteil davon waren aber Aussteller. "Zum EDI-Kongreß kommen überwiegend Besucher, die EDI schon im Einsatz haben", beobachtete ein Insider.

Die Veranstaltung der De-Pro spiegelt auch den Status quo in der Wirtschaft wider. Es sind die Großen, die EDI praktizieren, aber Schwierigkeiten haben, kleine und mittelständische Unternehmen zum elektronischen Austausch von Handelsdaten zu motivieren. "95 Prozent dieser Firmen sind von EDI noch weit entfernt", zog Heiko Meyer, Geschäftsführer der De-Pro und der Deutschen EDI-Gesellschaft (Dedig), in Fürth eine nüchterne Bilanz (siehe CW Nr. 47 vom 22. November 1996, Seite 8).

Daß es schwierig ist, Lieferanten vom EDI-Einsatz zu überzeugen, beklagt auch Andreas Weng, bei der Karstadt AG, Essen, für Projekte der Warenwirtschaft verantwortlich. Der Konzern, der in Deutschland zu den EDI-Pionieren gehört, zählt derzeit 178 Lieferanten, die mit der Kaufhauskette via EDI Handel betreiben. Vergangenes Jahr waren es 120. Bei insgesamt rund 10000 Warenlieferanten erscheint diese Zahl wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dennoch will Weng weiter Überzeugungsarbeit leisten. "Den Lieferanten die Pistole auf die Brust zu setzen ist nicht der richtige Weg", sagte der Spezialist, der sich für 1997 die EDI-Anbindung der Zulieferer im Lebensmittelbereich vorgenommen hat. Wang hält wenig davon, Lieferanten mit Sanktionen zu belegen, wenn sie die EDI-Anbindung ablehnen. In der Praxis geschehe dies zum Beispiel in einigen Großkonzernen, die von ihren Zulieferern für jede in Papier- oder Faxform zugesandte Rechnung Strafgebühren nehmen.

Thomas Schmoll, Geschäftsführer der Beratungsfirma Stra- tedi GmbH, Schwelm, kritisiert diese mehr und mehr geübte Politik der Repressalien. "Wer EDI mit Erfolg des Imperativs übersetzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn bei der Umsetzung der EDI-Strategie nur Frustration entsteht." Kleine und mittelständische Unternehmen würden auf diese Weise vor den Kopf gestoßen, EDI habe bei ihnen fortan keine Chance mehr.

Andererseits ist es auch verständlich, daß den Großfirmen der Geduldsfaden reißt. Indiz für deren Frust ist die Haltung in der EDI-Gesellschaft Dedig, wo Hersteller und Anwender organisiert sind. IBM und Tandem haben der Vereinigung den Rücken gekehrt und damit das Image der Dedig angekratzt. "Großunternehmen engagieren sich derzeit nicht", bedauert Dedig-Geschäftsführer Meyer, hofft aber, IBM wieder für eine Zusammenarbeit gewinnen zu können.

Nach Ansicht Meyers ist die allgemeine EDI-Zurückhaltung auf drei wesentliche Gründe zurückzuführen: Erstens ist der Nutzen nur schwer zu messen. Zweitens hat die übertriebene branchenspezifische Weiterentwicklung der Nachrichten (Edifact-Subsets) EDI wieder verkompliziert. Drittens herrscht derzeit Verunsicherung, weil sich die Begriffe EDI und Electronic Commerce inhaltlich überlappen.

Viele Unternehmen machen den Fehler, glaubt Meyer, den Nutzen von EDI in Heller und Pfennig dokumentieren zu wollen. "Der eigentliche Vorteil liegt aber in der organisatorischen Straffung, also im Re-Engineering", warnt der Dedig-Chef vor einer rein quantitativen Betrachtungsweise.

Einen Bärendienst haben außerdem die unterschiedlichen Branchen der Verbreitung von EDI auf Basis der ISO-Norm Edifact erwiesen. Edifact stellt eine international gültige Syntax für das Entwickeln von EDI-Nachrichten dar, die durch branchenspezifischen Übereifer fast wieder ad absurdum geführt wurde. Dieser Wildwuchs von "proprietären" Subsets hat bei potentiellen Anwendern Verunsicherung erzeugt und die EDI-Verbreitung gehemmt.

Um hier gegenzusteuern, wurde ein Gremium zur Harmonisierung der Subsets gegründet, dessen Arbeit langsam Früchte trägt. "Der Trend geht hin zu kleinen, komprimierten Nachrichten", sagte Meyer gegenüber der COMPUTERWOCHE und fügte hinzu: "Das ist der Tod der Subsets."

Zu den älteren Problemen, das richtige Bewußtsein für EDI zu schaffen und die Subsets in den Griff zu bekommen, hat sich ein weiteres gesellt - nämlich das Web und damit der Electronic Commerce. Es scheint so, daß viele Unternehmen EDI und Internet für unvereinbare Gegensätze halten. Gegen dieses Vorurteil will Meyer ankämpfen. "EDI ist keineswegs ein Feind des Electronic Commerce oder Web, sondern eine sinnvolle Ergänzung", erklärte er und sieht die Technik als ein Werkzeug des Electronic Commerce. Für die De-Pro und Dedig gibt Meyer deshalb die Marschroute aus: "Wir dürfen nicht nur auf EDI abheben, sondern müssen den elektronischen Geschäftsverkehr allgemein forcieren."

Auf dem Kongreß kam dieses Unterfangen aber noch zu kurz. Fehlanzeige hieß es bei den Referaten und Podiumsdiskussionen hinsichtlich EDI und Web. Der Messeveranstalter versäumte es, das Thema zum Gegenstand der Konferenz zu machen, das auf den Messeständen am ausführlichsten diskutiert wurde: Wird die Integration von handelsspezifischen Nachrichten in die HTML-Seiten die klassische Form des EDI überflüssig machen?

Wenn es auf dem Kongreß ein dominierendes Thema gab, dann war es der Efficient Consumer Response (ECR) - die Optimierung der Dreiecksbeziehung von Hersteller, Händler und Verbraucher. Hinter ECR steht kurz gesagt die Idee des Re-Engineering der Versorgungskette, insbesondere zwischen Produzent und Händler. Im ECR-Modell ruft der Hersteller Informationen aus dem Warenwirtschaftssystem der Händler ab und befriedigt die Nachfrage selbständig und ohne Bestellung.

Voraussetzung zur Realisierung von ECR ist natürlich EDI, aber auch absolutes Vertrauen zwischen den Partnern. Der Grund: Basisstrategien von ECR wie effizienter Warenfluß, rationelle Planung von Aktionswaren und Sortimentssteuerung sowie das optimale Einführen neuer Produkte erfordern das Zusammenwirken von Logistik und Marketing aller Beteiligten. Im Grunde entsteht ein virtuelles Unternehmen.

Ein Senkungspotential der Logistikkosten um rund 25 Prozent hat die Coca Cola Research Group bei europäischen Unternehmen durch die Anwendung des ECR-Prinzips ermittelt. Insgesamt fällt der Anteil von EDI-Kosten in der Logistik mit ein bis zwei Prozent sehr gering aus. Den Löwenanteil verschlingt der Transport, gefolgt von Lager- und Verwaltungskosten.

Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, daß auch bei ECR Theorie und Praxis zwei Paar Stiefel sind. "In den ersten Projekten wurde das Ziel verfehlt, durch die Zusammenarbeit von Handel und Industrie die Wünsche der Verbraucher besser, schneller und kostengünstiger zu erfüllen", räumte Rolf-Herbert Grewen, ECR-Verantwortlicher der Coca Cola GmbH, Essen, ein. Trotzdem ist Grewen von der ECR-Idee überzeugt: "Alle in Europa sind weiter als wir in Deutschland. Warten Sie nicht auf die 150prozentige Lösung", appellierte er an die Kongreßteilnehmer und hielt damit auch ein Plädoyer für EDI.

ECR-Nutzen mit EDI

-Effektivere Administration-verminderte Kosten-weniger Arbeitsprozesse-weniger Fehler in der Erfassung-präzisere Auftragsausführung-genaue Kenntnis der Abverkaufssituation-Vermeidung von Ausverkaufssituationen-weniger Warenvorräte-weniger unverkäufliche Ware-effiziente Produkteinführungen-weniger Reklamationen-schnellere Belieferung-raschere Zahlung