Händler-Läger nach"Push-Programmen" randvoll

ECS: "Dramatisches Problem" für IBMs PC-Geschäft in Sicht

07.09.1990

FRANKFURT/PARIS (see) - Die großen PC-Hersteller sind unfähig, ihre Produkte kontinuierlich weltweit zur Verfügung zu stellen. Professionelle Anwender sollten sich deshalb bei der Auswahl ihrer PC-Händler vergewissern, daß diese internationale Einkaufsmöglichkeiten haben. Auf diesem Standpunkt steht Jürgen Georg Hüniken, Geschäftsführer der ECS Computervertrieb GmbH, Raunheim bei Frankfurt.

Trotz der Verfügbarkeitsprobleme bei bestimmten Rechnern drückten die Hersteller derzeit "mit subtiler Marketinggewalt" ihre Produkte in die Läger der Händler.

Die Verkaufsziffern der Hersteller überstiegen, so Hüniken, die Anzahl der tatsächlich bei den Anwendern installierten Geräte teilweise erheblich. Gerade IBM habe sich im abgelaufenen Halbjahr mit "Push-Programmen' hervorgetan, so daß die Vertriebszentren der Händler randvoll mit blauen Kartons seien. Die Nähe zum Endkunden dagegen fehle völlig.

Daraus, prognostiziert der ECS-Vertriebschef, werde für IBM im zweiten Halbjahr ein "dramatisches Problem" entstehen, weil nicht noch mehr Lagerkapazitäten bei den Dealern vorhanden seien, um die IBM-Absatzzahlen künstlich aufzublähen. Dem volumenmäßig fahrenden PC-Hersteller spricht Hüniken den Willen und die Fähigkeit ab, technologisch anspruchsvolle Produkte genau dann verfügbar zu haben, wenn der Markt sie verlange.

Mängel in Big Blues PC-Marketing diagnostiziert auch Gilles Tugendhat, Generaldirektor der ECS International in Paris. Beispiel: der Low-end-PC PS/1. Es sei kein wirklicher Bedarf für das Produkt erkennbar; das Angebot sei ein "Packaging-trick". Wegen mangelnder Umsatzerwartung verzichten die ECS-Vertriebsdivisionen darauf, den PS/1 zu vermerkten.

Die Umsatz- und Stückzahlschere bei PCs zwischen IBM und Verfolger Compaq klappt immer weiter zu: Für das ECS-Geschäft, im Gesamtjahr 1989 noch zu 87 Prozent blau, während Compaq-Mikros acht Prozent ausmachten, bedeutet das: IBM wird voraussichtlich im dritten und vierten Quartal 1990 auf 60 Prozent absacken; dreißig Prozent der von ECS im gleichen Zeitraum weltweit vertriebenen PCs werden das Compaq-Label tragen.

ECS setzt auf ein "Hersteller-Mix" sowie auf Leasingangebote und Geräterücknahmen, um auf dem PC-Markt zu bestehen, stellt Ulrich Dickamp, Geschäftsführer der ECS International Deutschland GmbH, zu der Hünikens PC-Vertrieb gehört, fest. Neben IBM und Compaq bietet die deutsche Vertriebsorganisation noch Laptops von Toshiba; die französische Gesellschaft vertreibt als "nationale Arabeske", so Dickamp, auch Bull-PCs.

Das PC-Leasing betreibt ECS seit einem Jahr; zunehmend will man sich auch auf die Rücknahme, Überholung und Wiedervermarktung von Gebrauchtgeräten verlegen. Im MDT- und Mainframe-Bereich handelt ECS schon seit längerem mit generalrenovierten Gebrauchtsystemen und Peripheriegeräten.

ECS gehört zu 85 Prozent der französischen Bank Société Generale S.A., bei der sich die Gesellschaft im Leasingbereich auch refinanziert. Günstige Konditionen von der Mutterbank erlauben dem Anbieter ein vergleichsweise aggressives Marktverhalten. So basieren weltweit alle ECS-Kontrakte auf dem Prinzip des Operational Leasing, bei dem der Leasinggeber einen Restwert und das Risiko der Wiedervermarktung übernimmt. Nach einer Reihe von Crashes auf dem Leasingmarkt sprechen sich dagegen die meisten der verbliebenen Unternehmen für das Finanz-Leasing aus, welches den Leasingnehmer während der Vertragslaufzeit mit den vollständigen Amortisationskosten der genutzten Systeme belastet.

Wie Tugendhat eingestellt, resultiert für seine Gesellschaft daraus ein Imageproblem: "Wenn ECS nicht größtenteils der Société Generale gehören würde, sondern sich mehr Anteile im Publikumsbesitz befänden, wäre das Operational Leasing nicht so einfach durchzuhalten", gesteht der Generaldirektor. Er betonte jedoch, daß ECS durch ein eigenes Broker-Netz und eigene Vermarktungsagenturen eine Kundennähe besitze, die es erlaube, Restwerte vergleichsweise zuverlässig zu kalkulieren.