Mengenabnahmeverträge des Marktführers schränken Wettbewerb drastisch ein:

"Eclat"-Broker wollen gegen IBM klagen

25.05.1984

STUTTGART - Die aggressiven Vertriebsmethoden der IBM stoßen zunehmend auf den Widerstand des Mitbewerbs. Während sich in Brüssels auch die EG-Kartellbehörde auf Drängen der Hardware-Anbieter anstrengt, um der Schnittstellenpolitik des Marktführers Einhalt zu gebiete, rüstet sich mit der European Leading und Trading Association (Eclat) derzeit eine weitere Institution zum Schlagabtausch mit Big Blue. Der Verbund der Broker- und Leasinggesellschaften sieht vor allem in den neuen Mengenabnahmeverträgen eine existenzbedrohende Einschränkung des freien Wettbewerbs. Wie verlautet, habe Eclat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet, der eine Klage in Brüssel vorbereite.

Das Gerangel zwischen der IBM und ihren in der Eclat-Gruppe verteidigten Handelspartnern ist für alle Beteiligten offensichtlich von hoher Brisanz. Schwelte dar Konflikt bislang noch hinter verschlossenen Türen, so ging es jetzt erstmals bei einem Frühjahrsmeeting der europäischen Vereinigung in Monte Carlo richtig zur Sache. Die Akteure im monegassischen Kleinstaat waren eben rund 70 Eclat-Mitgliedern durch drei IBM-Manager der ersten Garnitur:

Chick Hayden, Industry Relations Manager in Armonk

Paul Kofmehl, Directeur des Opérations in Paris

Emiel Meisel, Director of Industry Relations, Paris

Die Anzahl der angereisten Eclat-Angehörigen demonstrierte obendrein die Bedeutung der Tagesthemen für die europäische Broker-Zunft

Als einer von zwei wesentlichen Diskussionspunkten standen die von im letzten Herbst veränderten Vertriebsrichtlinien im Mittelpunkt, die den Brokern und Leasingunternehmen bei der Bestellung einer größeren Anzahl von Maschinen von vornherein die Installationskunden anzugeben, erklärt Hans Martin Rehbein, Chef der HM-Leasing GmbH in Heidelberg. Der Marktführer habe dieser Auflage zufolge dem Besteller erst dann einen Liefertermin zugeordnet, wenn der Benutzer bereits feststand.

Nach den Worten von Horst Gruhlke, Gesellschafter beim Wiesbadener Leasing- und Brokerhaus UHG, stellt diese Direktive eine Einschränkung des bisherigen Geschäftes dar, nunmal Unternehmen seiner Branche meist nur prophylaktisch oder spekulativ Equipment bei der IBM ordern. "Wenn wir eine Maschine bezahlen können", ärgert sich Gruhlke, "muß sie auch geliefert werden, ohne daß wir Rechenschaft darüber ablegen müssen, wo sie letztendlich installiert wird." Obendrein sei es ein leichtes Spiel für IBM-Verkäufer, einem Kunden Gegenangebote zu unterbreiten, sobald der Broker dessen Name preisgebe, sagt ein norddeutscher Leasingunternehmer.

In diesem Punkt zeigte sich der Marktführer in Monte Carlo denn auch nachgiebig. Wie Eclat-Präsident Michael Joseph mitteilt, vergebe ab sofort - wenn auch mit Einschränkungen - wieder Aufträge feste Kundenzuordnung. Bestellungen könnten dabei ohne zusätzliche Kosten bis 90 Tage vor der geplanten Auslieferung storniert werden. Überschreite ein Broker jedoch diesen Termin, müsse er damit rechnen, daß Big Blue eine Entschädigung verlange.

Zwischenhandel ausgeschaltet

Mit harten Bandagen wurde indes nach Aussagen von Monte-Carlo-Reisenden um die sogenannten "Volume Purchase Agreements" (Mengenabnahmeverträge) gekämpft. Um das Rechner- und Peripheriegeschäft in verstärktem Maße bei Großkunden selbst abzuwickeln, habe IBM nach und nach größere Rabattsätze freigegeben, die bei den Brokern und Leasingfirmen schließlich zu einer diffizilen Marktsituation führten. So können nach Ansicht der Betroffenen größere Unternehmen oder aber auch im Einkaufsverbund operierende kleinere Anwender derzeit preiswerter bei IBM einkaufen als die Broker, die davon leben. Es sei wiederholt vorgekommen, bemerkt HM-Gesellschafter Rehbein, daß Benutzer Equipment in Stuttgart orderten und Broker gleichzeitig als Abnehmer miteinkalkulierten, da sie beim Weiterverkauf mit ihm ein zusätzliches Geschäft witterten. À la longue werde durch derartige Praktiken der gesamte Zwischenhandel ausgeschaltet, beanstandet der Heidelberger Leasinggeber. Durch die Mengenabnahmeverträge der IBM bekämen die User zudem noch für die Wiedervermarktung der gebrauchten Maschinen einen guten Preis und machten damit dem Broker auch das Second-hand-Geschäft zunehmend schwieriger.

Die augenblickliche Situation drückt die Gewinne der Leasingzunft seit Monaten denn auch erheblich. "Broker, die sich allein auf das Computergeschäft mit IBM beschränken, so Alexander Pfeiffer, Geschäftsführer bei der Centra Leasing GmbH in München, "stehen heute auf wackligen Beinen." Pfeiffer schraubte nach eigener Aussage seine DV-Aktivitäten wegen der veränderten Vertriebspolitik der Hersteller inzwischen erheblich zurück und verlagerte sein Engagement auf andere Bereiche. Beobachter der europäischen Brokerszene sehen bereits eine Marktbereinigung, bei der lediglich einige größere Gesellschaften überleben könnten.

Obgleich vor allem die Mengenabnahmeverträge zu einer gravierenden Verschlechterung des und Leasinggeschäftes führen, blieb IBM beim Monte-Carlo-Meeting in dieser Sache hart. Wie Eclat-Vorsitzender Joseph erklärt, vertrete das Armonk-Management den Standpunkt, daß die derzeitige Regelung um die "Volume Purchase Agreements" bis auf weiteres beibehalten werde, der Marktführer jedoch bereit sei, über die Eclat-Argumente nachzudenken.

Einige Mitarbeiter der Association sehen in den Äußerungen der IBM-Bosse indes vielmehr eine "Hinhaltestrategie". Der Branchenleader wolle die Diskussion erst einmal auf die lange Bank schieben, um abzuwarten, welche Auflagen das noch ausstehende Urteil der EG-Behörden nach sich ziehen werde. Leasing wie Brokerfirmen, die sich von der Gangart des Marktführers überrumpelt fühlen, haben in Monte Carlo bereits mit Drohgebärden reagiert: Der künftige Vertriebspartner, so heißt es in Eclat-Kreisen, könne schon bald nicht mehr Big Blue, sondern Fujitsu oder Hitachi heißen. "Wenn IBM das Ruder jetzt auch nur einen Millimeter weiter in die falsche Richtung dreht", bestätigt Ulrich Schröder, Boß der Hamburger Internationale Computer & Consulting GmbH", ist nicht auszuschließen, daß einige Kollegen sich für die Zusammenarbeit mit einem japanischen Hersteller entschließen."

Trotz einigen Scharfmachern in der Eclat-Riege hat es jedoch den Anschein, als wollte die Gruppe zunächst noch vorsichtig taktieren. So weist auch der Vorsitzende Joseph darauf hin daß der Druck seiner Association für eine Veränderung der Mengenabnahmeverträge gegenüber IBM anhalte, jedoch bislang keinerlei ernsthafte Aktivitäten in Hinblick auf die Einleitung einer EG-Klage ergriffen worden seien. Er möchte vielmehr betonen, daß der Kontakt mit der IBM beim Meeting in Monte Carlo "außerordentlich fruchtbar" gewesen sei.

Andere Eclat-Mitglieder vertreten diese Ansicht nur bedingt. Eine Klage gegen den Marktführer gestalte sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur deshalb nicht opportun, weil IBM deutlich gemacht habe, daß sie keinen Dissenz aufkommen lassen wolle und zudem unterschwellig Entgegenkommen signalisiert habe. Resümiert HM-Leasing-Chef Rehbein: "Wir wissen, daß eine Klage gegen IBM eine Wirkung mit erheblicher Tragweite erzielen kann, da sich andere Wettbewerber, die sich in irgendeiner Weise benachteiligt fühlen, sich auf das Trittbrett schwingen und gegen IBM mitziehen werden."