EAM: Perfektion ist ein Prozess, kein Zustand

03.07.2007
Von Ian Rowlands
Eine Enterprise-Architektur kann die Unternehmen dem Ziel der pefekten IT näher bringen.

Auf irgendeine Art und Weise sind die Unternehmen immer auf der Suche nach der perfekten IT. Woran liegt das? Es gibt schließlich auch keine konstante Suche nach dem "perfekten Vertrieb" oder der "perfekten Buchhaltung". Warum also wird die IT mit diesem speziellen Fokus begünstigt oder belastet?

Vielleicht führen wir die Diskussion ja mit falschen Begriffen. Das Ökosystem der Informationstechnik ändert sich schneller als IT-Laien Schritt halten könnten. Sogar hinsichtlich der verwendeten Sprache hinken sie hinterher. Eine Vielzahl der in der IT genutzten Begriffe ist anderen Themenkreisen entliehen. Damit nähert sich deren Sinn der eigentlichen Bedeutung aber nur an. Die Folgen sind Missverständnisse zwischen der IT und den Fachabteilungen. Letztlich entfernt sich die IT damit also von dem Streben nach Perfektion.

Ein klassisches Missverständnis?

Der Begriff "Enterprise Architecture" ist ein typisches Beispiel. Er beschreibt nicht wirklich, wie ein Unternehmen konzipiert ist. Genauso wenig geht es dabei tatsächlich um eine Architektur (im Sinne der Konzeption von für Menschen geschaffenen Strukturen).

In der Praxis ist Enterprise Architecture die Beschreibung, aber auch die Weiterentwicklung eines Systems in Richtung auf einen optimierten Zustand. Die Art und Weise, in der diese Entwicklung beschrieben und verstanden wird, ist der Schlüssel zur Effektivität im gesamten Unternehmen (ein Anwendungsbeispiel für Enterprise Architecture Management bietet die Audi AG).

Eine Enterprise-Architektur gilt als Königsweg zu einer leistungsfähigen IT. Allerdings garantiert dieses Werkzeug allein noch kein gutes IT-Management.

Der Zusammenhang von Perfektion und RoI

Viele Geschäftsleute versuchen, eine perfekte IT rein nach finanziellen Gesichtspunkten zu definieren – getreu dem Motto: Die beste IT bringt den höchsten Return on Investment (RoI). Doch das ist eine grob irreführende, viel zu starke Vereinfachung der komplexen Beziehung zwischen Unternehmen und IT.

So lässt sich beispielsweise kaum beziffern, welche Kosten entstehen, wenn eine bestimmte, strategisch bedeutsame Technik nicht verwendet wird. Ebenso wenig lässt sich ein akzeptabler RoI für den Einsatz der Informationstechnik über einen bestimmten Zeitraum hinweg festschreiben. Nur schwer ist eine klare Linie zwischen den Kosten und der Effektivität der IT zu ziehen. Das belegen beispielsweise die Arbeiten von Paul Strassmann, dem ehemaligen Director of Information des US Department of Defense. Sie zeigen, dass es keine direkte Korrelation zwischen dem Unternehmenserfolg und den IT-Investitionen gibt.

Erwartungen im Einklang

Das Geheimnis der Perfektion liegt also kaum in den monetären Aspekten. Die perfekte IT ist eher ein Prozess als ein definierbarer Zustand. Dabei geht es um menschliche Erwartungen, festgelegte Metriken, solide Technologie und adäquate Geschäftspraktiken.

IT-Teams oder IT-Abteilungen, die von ihren internen Kunden als gut eingeschätzt werden, arbeiten meist auf der Grundlage starker, allgemein akzeptierter "Denkmodelle", mit denen sich die Aktivitäten der IT und die des gesamten Unternehmens in Beziehung setzen lassen.

Entscheidend ist es, die Erwartungen von Unternehmen und IT in Einklang zu bringen. Fehlt dieses Abstimmung, so gibt es wenig Hoffnung auf eine optimierte IT. Betrachtet beispielsweise ein Unternehmen seine IT-Elemente als "Services", deren Kunde der Betrieb ist, so wird es die Leistungsfähigkeit der IT auf der Basis von Service-Levels und Verfügbarkeit beurteilen. Sieht sich die IT-Abteilung aber als "Fabrik", so bemisst sie ihre Leistung anhand des Wertes, der Qualität und der Quantität der produzierten Werkzeuge. Dieser Unterschied in den Denkmodellen führt zu divergierenden Erwartungen und damit zu Fehlkommunikation, Unzufriedenheit und verschobenen Erfolgsmetriken. Strebt die IT wirklich Perfektion an, so muss sie ihre Ziele, Metriken und Denkmodelle an die allgemeinen Unternehmensziele angleichen – auf der Basis einer einheitlichen Sprache und konsistenter Denkmodelle. Die bewusste Integration von Unternehmen und IT wird von den Fachleuten als Business-Service-Management (BSM) bezeichnet.

Vierstufiger Management-Prozess

Um die Unternehmens- mit den IT-Zielen in Einklang zu bringen, empfiehlt sich ein vierstufiger strukturierter Management-Prozess:

  1. Festlegung der geeigneten Denkmodelle, um die Beziehung zwischen Unternehmen und IT zu beschreiben.

  2. Vereinbarung von Metriken und Kriterien zur Qualitätsmessung in der jeweiligen Umgebung.

  3. Etablieren von Management-Disziplinen zum Abgleich der Metriken und zur Evaluierung der Kriterien (können Abgleich und Evaluierung nicht erreicht werden, müssen entweder die Disziplinen oder die Metriken und Kriterien angepasst werden).

  4. Implementierung geeigneter IT- und Unternehmenssysteme, um die Qualität und Effektivität der IT-Services, den (Mehr-) Wert für das Unternehmen und die Wertschätzung der IT-Abteilung in den Augen der anderen Fachabteilungen zu messen, zu managen und fortlaufend zu optimieren.

Die Voraussetzungen der Architektur

Um den Widerspruch zwischen IT- und Unternehmenszielen zu vermeiden, ist die Implementierung einer guten Enterprise-Architektur sinnvoll. Nicht von ungefähr handelt es sich nach der Definition des US-amerikanischen Regierungsorgans "US Government’s Office of Management and Budget" dabei um die "explizite Beschreibung und Dokumentation der laufenden und erwünschten Beziehungen zwischen Unternehmens- beziehungsweise Management-Prozessen und Informationstechnologie".

Das klingt einfach. Aber es kann eine enorme Aufgabe bedeuten, eine Vielzahl an Elementen "explizit zu beschreiben" – vor allem deshalb, weil sich die Informationen, die dafür benötigt werden, häufig an unterschiedlichen Orten befinden: in Computerprogrammen, Datenspeichern, handschriftlichen Unterlagen oder im Gedächtnis bestimmter Personen.

Um diese Informationen zusammenzuführen, bedarf es zweier wichtiger Werkzeuge: eines logischen Rahmenwerks und einer geeigneten Technik. Das Rahmenwerk beschreibt die zu verwaltenden Elemente und – auf abstraktem Niveau – die Beziehungen untereinander. Der Ursprung dieses Konzepts geht auf das Jahr 1987 und den Informatiker John Zachman zurück ("A Framework for Information Systems Architecture", abrufbar unter www.zifa.org). Seither sind zahlreiche weitere Rahmenwerke entstanden. Die wichtigsten wurden von der US-Regierung (C4ISR, Feaf und Dodaf) sowie der Open Group (Togaf) umgesetzt. Für die meisten Organisationen kann jede Art von strukturiertem Rahmenwerk von Nutzen sein – vorausgesetzt, es wird durch geeignete Prozesse und Technologien unterstützt.

Die darunter liegende Technik liefert den Kontext für alle innerhalb der jeweiligen IT-Umgebung zu managenden Objekte, die Informationen über Anlagen, Infrastruktur, Netzwerk, Applikationen, Datenspeicher, Modelle, Geschäftsprozesse, Organisation und Unternehmensziele enthalten. Diese Kontextinformation wird in der IT-Welt mit dem Begriff Metadaten bezeichnet.

Der Kontext dient im Wesentlichen zur Verständigung zwischen der IT und dem Unternehmen. Er beschreibt, wie Daten in Informationen umgewandelt werden. Dieser Vorgang kann ziemlich komplex sein. Ein Enterprise-Metadaten-Repository hilft dabei, Millionen oder gar Milliarden von Informationen in Beziehung zueinander und zu den übergreifenden Unternehmenszielen zu setzen.

Abmachung zwischen CIO und CEO

Die Integration von Unternehmens- und IT-Zielen zieht sich durch alle Ebenen des IT-Managements
Die Integration von Unternehmens- und IT-Zielen zieht sich durch alle Ebenen des IT-Managements
Foto: Ian Rowlands

Visiert ein Unternehmen das Ziel der perfekten IT mit Hilfe von EAM-Methoden (Enterprise-Architecture-Management) an, muss es die -Beziehung zwischen IT und Business exakt festlegen. Beide Seiten sind gefordert, geeignete Metriken, Kriterien und Prozesse zu entwickeln und festzuschreiben. Der Erfolg hängt von einer nachhaltigen Informationsbasis, einer kohärenten Auswahl von Management-Disziplinen sowie der Verpflichtung zu einer konsistenten Kommunikation ab.

Eine perfekte IT kann als Abmachung zwischen dem CIO und dem CEO verstanden werden. Ihr Ziel ist es, die IT exakt auf die Bedürfnisse des Unternehmens auszurichten. Grundlage hierfür ist die Verständigung über das Denkmodell. Es bildet den umfassenden Kontext, in dem die Konversation abläuft. Als zweite Grundlage ist eine konsistente Informationsbasis für die Management-Prozesse notwendig. (qua)

Checkliste für den Architekturaufbau

Wie lässt sich eine Enterprise-Architektur in ein integriertes IT-Management-Framework einbinden?
  • Unternehmens- und IT-Management in den Prozess einbeziehen;

  • Übereinstimmung in Bezug auf das Denkmodell erzielen, das IT und Unternehmen in Beziehung setzt;

  • Metriken und Kriterien zur Bewertung der "IT-Perfektion" festlegen;

  • Governance, konzeptionelle und operative Disziplinen etablieren, die einen Abgleich mit den festgelegten Metriken und Kriterien erlauben;

  • Enterprise-Architecture-Frameworks prüfen und eine verbindliche Basis wählen:

  • ein Metadaten-Management-Programm aufsetzen oder ein bereits laufendes Programm auf die Enterprise-Architektur ausrichten;

  • ein Berichtswesen über Enterprise-Architektur-Metriken und Qualitätsprüfung aufbauen.