E-Rialto – Brücke für Stammdaten

30.01.2002
Von Stefan Ueberhorst
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) – Das Stammdaten-Informationssystem „Sinfos“ der deutschen Centrale für Coorganisation (CCG) hat gute Chancen auf einen Europa-weiten Einsatz. Auslöser ist die E-Rialto-Initiative, die bislang national angebotene Stammdatenservices vereinheitlichen will.

Der zwischen Industrie und Handel etablierte Bestellprozess ist inzwischen erheblich verfeinert worden. In jüngster Zeit geht es nicht mehr nur um den Austausch von Grundinformationen in Form der von den EAN-Organisationen (EAN = European Article Numbering) vergebenen Nummerncodes (Barcodes), anhand derer sich eine Ware identifizieren lässt. Darüber hinaus können Stammdaten auch mit Detailangaben etwa zu Füllmengen, Gewicht, Verpackung und Produktbeschreibungen angereichert werden.

Auf dieser Grundlage sollen sich verschiedene Prozesse effektiver gestalten lassen: Neben der Bestellung selbst sind dies zum Beispiel die Lagerverwaltung, die Platzausnutzung in Regalen und Transportern sowie die Warenauszeichnung. Bislang haben Händler solche Informationen in ihrem System meist nachgeführt. Abgesehen vom Mehraufwand hat dieses Vorgehen auch Erfassungs- und damit wiederum Bestellfehler zur Folge. Problematisch ist zudem die Datenpflege mancher Lieferanten.

Einen Service für den durchgängigen Datenaustausch bietet in Deutschland das EAN-Mitglied CCG, eine Non-Profit-Organisation, die sich selbst als Kompetenz- und Dienstleistungszentrum der hiesigen Konsumgüterwirtschaft sowie angrenzender Bereiche versteht. Das von CCG angebotene Sinfos-Portal soll den Warenverkehr zwischen Industrie und Handel rationalisieren, indem Artikelstammdaten nicht bilateral, sondern multilateral abgeglichen werden. Das heißt, statt mit jedem einzelnen Hersteller den Austausch von Artikelstammdaten zu organisieren, erledigen Handelsketten wie Metro, Karstadt oder Kaufhof dies zentral über Sinfos.

Der Service besteht dann über die zentrale Datenhaltung hinaus in einer Validierung (Qualitätssicherung) der Informationen und deren Abgleich im Fall von Produktmodifikationen. Hinzu kommt die automatische Weiterleitung der geprüften Daten an die Zieladresse. Als Kommunikationsformat verwendet die Organisation das international für die Konsumgüterwirtschaft standardisierte Edifact-Subset „Eancom“. Branchenspezifische Lösungen gibt es für die Segmente Food und Non-Food, Textil sowie Agrar und Pflanzenschutz. In Vorbereitung sind derzeit Anwendungen unter anderem für die Bereiche Elektro und Pharma.

Europäischen Wildwuchs vermeiden

Das lange Zeit nur in Deutschland angebotene Sinfos-Portal wird inzwischen auch in Österreich und den Niederlanden genutzt – insgesamt gibt es 800 Teilnehmer. Gemessen am Umsatz sind darin rund 90 Prozent des deutschen Lebensmittelhandels und 70 Prozent der Konsumgüterindustrie repräsentiert. Das gegen Ende letzten Jahres ins Leben gerufene E-Rialto-Projekt ist nun der Versuch, einen möglichen Wildwuchs bei Konkurrenzinitiativen, insbesondere unter den diversen europäischen EAN-Organisationen, zu vermeiden.

Derzeit beteiligen sich elf EAN-Mitglieder an E-Rialto, darunter die Vertretungen aus Spanien, Großbritannien und Italien. Alle Teilnehmer haben sich darauf verständigt, dass im Rahmen eines Registry-Projekts die Interoperabilität der jeweiligen Datenpools hergestellt werden soll. Konsens gibt es auch darüber, dass man mit nur einem System arbeiten und alle weiteren Entwicklungen darauf aufsetzen will. Sinfos werden dabei gute Chancen als Ausgangstechnik eingeräumt, da sich das System laut CCG in Bezug auf Datenbank, Client-Software und Internet-Anbindung als vergleichsweise fortschrittlich erwiesen hat.

E-Rialto ist damit als Vorbereitungsprojekt zur Gründung einer neuen Gesellschaft zu verstehen, für die jetzt noch ein Geschäftsmodell festgelegt werden muss. So ist zu klären, welche Anfangsinvestitionen nötig sind, was die Services kosten sollen oder inwieweit Anpassungsbedarf an nationale Besonderheiten (Gesetze) besteht. Auf dieser Basis werden die elf und weitere geladene Länder entscheiden, ob sie sich an der Gesellschaftsgründung beteiligen wollen.

Die Mitglieder können dann weiterhin ihren nationalen Service mit einem eigenen Operating betreiben. Alternativ besteht aber auch die Möglichkeit, weniger personalintensiv zu arbeiten, indem eine nationale Vertretung nur Training und First-Level-Support anbietet, während das Daten-Handling an zentraler Stelle erfolgt. Wo das sein soll, ist zwar noch nicht geklärt, aus praktischen Erwägungen heraus bietet sich laut CCG allerdings der eigene Standort in Köln an.