Personalberater reagieren auf die Internet-Vermittlung

E-Recruitment: Headhunter stöbern in Online-Jobbörsen

30.06.2000
Auf der Suche nach qualifizierten Fach- und Führungskräften surfen Headhunter immer häufiger im Internet. Im Netz haben sie kostengünstig Zugriff auf tausende von Kandidatenprofilen aus der IT- und TK-Branche. Die elektronische Form der Direktsuche verspricht die schnelle und kostengünstige Vermittlung hochkarätiger Spezialisten und soll den Markt für Personalberater völlig neu aufrollen.Von Dagmar Sobull*

"E-Recruitment" heißt das neue Erfolgsrezept im Kampf um hochqualifizierte Kräfte für die von Nachwuchsmangel geplagten Unternehmen. Mit speziell entwickelten Suchprogrammen durchforsten Headhunter immer häufiger Online-Stellenbörsen, Diskussionsforen und fachbezogene Chat-Räume im Internet nach den begehrten IT-Spezialisten. Wer in einer Newsgroup durch qualifizierte Beiträge auffällt, oder ein begehrtes Profil aufweist, kann schon morgen Post vom Headhunter in seiner Mailbox finden.

"E-Recruitment verändert das Image von Stellengesuchen erheblich", sagt Patrick Scheel, Geschäftsführer der Fenner Interselect GmbH, eine Ende 1999 gegründete Internet-Tochter der Personalberatung Fenner & Partner. "Während das herkömmliche Stellengesuch eher eine Notlösung war, ist das Bewerberprofil im Netz häufig die Eintrittskarte für weitere Gesprächsrunden auf der nächsthöheren Ebene." Da die Selbstdarstellung in Online-Stellenbörsen für Bewerber fast immer kostenlos, anonym und unkompliziert ist, nutzen vor allem potenzielle IT-Jobwechsler das Netz für die Karriere und bieten ihr Profil in diversen Jobbörsen gleichzeitig an. Folge: Unternehmen und Personalberater auf der Suche nach geeigneten Kandidaten stehen verstärkt vor dem Problem, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Um die begehrten High-Potentials aus der Masse der Kandidaten mit gestylten Profilen herauszufiltern, durchforstet Fenner mit einer speziell entwickelten Suchsoftware regelmäßig rund 250 Jobbörsen und kopiert interessante Kandidatenprofile automatisch in die eigene Datenbank. Außerdem gibt der Personaldienstleister selbst Anzeigen in etwa 50 anderen Jobbörsen auf, um Talente in den eigenen Datenpool zu ziehen. Rund 5000 Kandidatenprofile, bisher vorwiegend von IT-Fachleuten, seien bereits darin enthalten, freut sich Scheel.

Wer sich in der Karriereplattform "absolute-carrer.de" registrieren lässt, muss rund 250 Fragen beantworten. Als Lohn für die Mühe winkt die Mitgliedschaft in der "Internet-Karriere-Community", welche neben der Jobvermittlung auch Karriereberatung per E-Mail beinhaltet. Personalprofis checken Bewerbungsunterlagen, geben Tipps für das Vorstellungsgespräch und helfen bei der Gestaltung des Netzauftritts. Der Abgleich der Bewerberprofile mit den Anforderungen der Stellenangebote erfolgt mit einer Software.

Etwa 20000 bis 30000 Profile seien Voraussetzung, um genügend Potenzial für die erfolgreiche Abwicklung von Suchaufträgen zu haben, schätzt Scheel. Zielgröße der Interselect-Datenbank seien rund 100000 Kandidaten, die bis Ende des Jahres bei "absolute-career" registriert sein sollen.

Eine Studie des nordamerikanischen Marktforschers Forrester Research prognostiziert, dass das Marktvolumen für Online-Stellenanzeigen in Europa von 44 Millionen Dollar 1999 auf 708 Millionen Dollar im Jahr 2002 zunehmen wird. In den USA benutzen bereits heute rund 90 Prozent der Jobsucher das Internet. Knapp die Hälfte aller Neueinstellungen ist auf Bewerberkontakte via Internet zurückzuführen. Hierzulande hat die Personalberatung Baumgartner und Partner herausgefunden, dass 75 Prozent aller Jobsucher bereit seien, ihren Lebenslauf online zu veröffentlichen.

Allerdings zeige sich schon jetzt, dass nicht jedes Profil in der Bewerberdatenbank hält, was der Kandidat verspricht, räumt Scheel ein. Da die Angaben in elektronischen Stellenbörsen ausnahmslos auf der Selbsteinschätzung der Kandidaten beruhen, sei auch "viel Schrott" darunter: "Insbesondere Bewerber aus der IT-Branche neigen zu unrealistischen Selbsteinschätzungen. Durchschnittlich 20 bis 30 Prozent aller Kandidatenprofile sind unbrauchbar", stellt Scheel fest.

Als Ergänzung, aber "keinesfalls als Ersatz" für den bisherigen Weg der Direktsuche versteht sich auch Futurestep, die im Herbst vergangenen Jahres gegründete Internet-Tochter der international tätigen Headhunting-Firma Korn/Ferry. Besonders geeignet sei das Internet zur ersten Kontaktaufnahme mit jüngeren, qualifizierten Vielverdienern der Online-Generation, für die das Internet das bevorzugte Kommunikationsmittel sei, sagt Geschäftsführer Robert Rosenbach. Zielgruppe für Futurestep seien in erster Linie mittlere Fach- und Führungskräfte aus der Computer- und Softwarebranche mit einem Jahreseinkommen zwischen 120000 und 350000 Mark. Für eine erfolgreiche Vermittlung verlangen die Net-Hunter ein Drittel des Jahresgehalts als Honorar, was auch bei der klassischen Direktsuche üblich ist.

Mitte 1998 zuerst in den USA gegründet, unterhält die Internet-basierte Personalberatung, die erst Anfang dieses Jahres die PA Consulting-Group dazu gekauft hat, bereits 28 Büros in 18 Ländern weltweit. Rund um den Globus arbeiten derzeit knapp 500 Mitarbeiter. Etwa 500000 Profile von wechselwilligen Fach- und Führungskräften soll die Datenbank enthalten, über 460000 davon in den USA. Doch bereits bis zum Jahr 2002 soll Futurestep allein in Europa rund 100 Millionen US- Dollar Umsatz bringen.

Rückenwind für das ehrgeizige Ziel bekommt Rosenbach vom allgemeinen Aufschwung der Personalberater. Denn Fusionen und Globalisierung lassen das Jobkarussell immer schneller rotieren und die Zahl der Suchaufträge entsprechend steigen. So verzeichnen die Personalberater des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) 1999 mit zwei Milliarden DM ein kräftiges Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahr mit anderthalb Milliarden Mark.

Lockmittel für Bewerber, die ihr Profil in der Datenbank registrieren lassen, soll die Futurestep-Karriereberatung per E-Mail sein. Bisher beschränkt sich das Angebot zwar noch auf diverse elektronische Newsletter zu Fragen rund um die Karriere. Aber künftig seien auch individuellere Formen der Beratung in Form von Chat-Räumen geplant, sagt Ursula Martin, bei Futurestep in Düsseldorf für das Kandidaten-Marketing zuständig.

Grundlage für die Aufnahme in die Datenbank ist ein Fragebogen mit den üblichen Angaben zum beruflichen Werdegang. Im zweiten Teil der Selbstanalyse, dem so genannten Assessment, geht es um die weichen Faktoren. Dazu gehört der "Style View", also der Entscheidungsstil, sowie der "Career View", die Karriereorientierung. Handelt es sich um eine stark aktionsorientierte Persönlichkeit, die sich schnell entscheidet, auch wenn nur wenige Informationen vorliegen? Oder ist der Kandidat eher analytisch orientiert und benötigt zuerst viele Informationen, bevor er sich entscheidet? Charakterzüge wie diese versuchen die Personalexperten von Futurestep anhand von Fallstudien zu ermitteln, welche die Kandidaten bei der Aufnahme in die Datenbank lösen müssen.

Grundsätzlich unterscheiden die Personalberater 280 "generische Profile", mit denen sich etwa 90 Prozent aller Arbeitsplätze beschreiben lassen sollen. So gebe es in jedem Bereich vom Controlling bis hin zu Marketing und Vertrieb eine überschaubare Zahl von Aufgaben, die je nach Position unter-schiedlich zu gewichten seien. Eingang in die Datenbank findet bei Futurestep jeder Interessent. Ablehnungen von Kandidaten seien nicht üblich, sagt Martin. Schließlich komme es darauf an, für jeden Kandidaten den passenden Platz zu finden.

Unternehmen müssen ebenfalls einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen. Neben der üblichen Stellenbeschreibung geben sie auch Auskunft über hausinterne Gepflogenheiten, den Führungsstil und die Unternehmenskultur. Eine Software übernimmt die Auswertung und gleicht die Anforderungen der Unternehmen mit den Fähigkeiten der Kandidaten ab. Jeden Treffer nehmen die Personalberater unter die Lupe, demnächst sogar per Video-Box. Das ist eine Art Bildtelefon, das die Online-Personalberater künftig vorausgewählten Kandidaten ins Haus schicken will, die für eine Stelle in Frage kommen. Damit ließe sich der Vermittlungsprozess weiter beschleunigen, hofft Rosenbach. Ausschnitte aus dem Video-Interview mit dem Personalberater könnten schließlich auf CD gepresst und dem Auftraggeber zugesandt werden.

Vorteile der Internet-basierten Personalsuche gegenüber der klassischen Direktansprache per Telefon sehen die Headhunter vor allem in der Geschwindigkeit, mit der sie Suchaufträge abwickeln können. Bereits 30 Tage nach Auftragserteilung verspricht Futurestep den Unternehmen, drei Kandidaten für einen Führungsposten zu präsentieren. Beim klassischen Vorgehen mussten die Vermittlungsprofis mit 90 bis 120 Tagen mehr als dreimal so viel Zeit einplanen.

*Dagmar Sobull ist freie Journalistin in Hannover.