Studien belegen hohes Rationalisierungspotenzial

E-Procurement: Einkauf im Netz wird zum Erfolgsfaktor

03.11.2000
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Elektronisches Beschaffungswesen und Business-to-Business-(B-to-B-)Marktplätze haben das Potenzial, Beziehungen zwischen Unternehmen und ihren Zulieferern grundlegend zu verändern. Allerdings, so zeigen Studien, ist die Unsicherheit auf Seiten der Anwender noch groß.

Die Abwicklung von Einkaufsaktivitäten im Internet, neudeutsch E-Procurement, steht gegenwärtig im Mittelpunkt vieler strategischer IT-Vorhaben. Geübt wird der elektronische Einkauf über Online-Katalogsysteme, elektronische Marktplätze oder Auktionen überwiegend an so genannten indirekten Gütern oder C-Artikeln - an Waren und Diensten also, die auf den Produktionsprozess keinen Einfluss haben. Der Grund ist plausibel: Diese Güter eignen sich zum Experimentieren, da Probleme in der Abwicklung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Kerngeschäftsabläufe haben. In Zukunft, so erwarten Analysten, werden auch immer mehr produktionsrelevante A- und B-Teile über das Netz beschafft. Unternehmen hoffen so, Personal- und Transaktionskosten sparen zu können. Überdies wollen sie die Reaktionszeiten verkürzen, den Zwischenhandel umgehen, und den Service verbessern. Soviel zur Theorie. Die Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) kommt nach Interviews mit 415 Entscheidungsträgern in deutschen, französischen, britischen und niederländischen Unternehmen zu einer eher ernüchternden Bestandsaufnahme. Im Mittelpunkt dieser Befragung standen vertikale Beschaffungsmärkte im Finanz-, Telekommunikations-, Technologie- und Verkehrsbereich. Die Antworten zeigen nach Meinung der Berater, dass dieser Markt noch in den Kinderschuhen steckt. Rund 30 Prozent der Befragten sehen demzufolge keinen Vorteil darin, ihre Geschäfte mit Zulieferern über das Internet abzuwickeln. Sogar 81 Prozent nutzen das Web noch gar nicht oder nur in geringem Umfang zu diesem Zweck. Die Prognosen für die kommenden Monate lassen allerdings auf einen Gesinnungswandel schließen: Bis Ende nächsten Jahres sollen 62 Prozent aller Unternehmen rund ein Drittel ihrer Zuliefergeschäfte über das Netz abschließen.

Wichtigstes Medium zur Abwicklung des Einkaufs ist gegenwärtig aber noch das Papier, gefolgt vom Electronic Data Interchange (EDI) und dem Internet. Während sich in Frankreich bereits 16 Prozent der Befragten auf das Web verlassen, sind es in Deutschland nur acht Prozent, in den Niederlanden und in Großbritannien gar nur sechs Prozent. Die "ordnungsgemäße" Bestellung via Formular dominiert in Europa - je nach Land mit Werten zwischen 70 (Frankreich) und 84 Prozent (Großbritannien). EDI kommt mit einem Anteil von 18 Prozent vor allem in den Niederlanden zum Einsatz, hierzulande verlassen sich nur zehn Prozent darauf. Eine Reihe von Hindernissen steht einem schnellen Erfolg des elektronischen Einkaufs im Weg. Sicherheitsaspekte und ein Vertrauensdefizit gegenüber vernetzten Zulieferern setzen 35 Prozent als größtes Fragezeichen. "Je mehr die europäischen Unternehmen über E-Procurement wissen, desto größer ist ihre Skepsis", heißt es im PwC-Bericht. In Deutschland ist sich zudem ein Viertel der Umfrageteilnehmer nicht sicher, ob die relevanten Zulieferer überhaupt bereit und fähig sind, online Bestellungen entgegenzunehmen, und ob sie ihr Angebot auf Online-Marktplätzen preisgeben und sich somit vergleichbar machen würden. Als Hindernisse werden ferner die hohen Kosten für Technologie und Infrastruktur sowie der Mangel an internem Know-how gesehen. Hinzu kommt, dass sich insbesondere in Deutschland die Geschäftsführungen fragen, ob sich der Aufwand lohnt - ob wirklich die allseits versprochenen Gewinnsteigerungs-Potenziale zu realisieren sind.

Grundsätzlich zeigt die Studie, dass flüchtige, kostenorientierte Zulieferbeziehungen via Internet eher selten zu Stande kommen. Immerhin 68 Prozent der online einkaufenden Unternehmen (72 Prozent der deutschen Unternehmen) beauftragen ausschließlich Zulieferer, mit denen sie auch vorher schon in Kontakt gestanden haben. Der grundlegende Vertrauensvorschuss für seit Jahren etablierte Lieferanten ist demzufolge offenbar groß. "Das Klischee, dass die Konkurrenz immer nur einen Mausklick entfernt ist, mag in technischer Hinsicht zutreffen", so die Studie, "bislang haben sich kaum die prognostizierten tiefgreifenden Auswirkungen auf Lieferketten gezeigt." Allerdings konstatieren die Marktforscher auch, dass E-Procurement ein "Fremdgehen" einfacher macht - das werde sich vor allem in Großbritannien und Deutschland zeigen, wo Firmen über eine "ausgeprägtere Kostensensitivität" verfügten. Die Marktuntersuchung von PwC ist von deutlich mehr Skepsis getragen als eine vergleichbare Analyse von Boston Consulting, die unter dem Titel "Rennsaison: B2B-E-Commerce in Deutschland" erschien. Nach den Ergebnissen der Management-Berater, die sich bei 330 deutschen Unternehmen umhörten, nutzen heute schon 43 Prozent der Firmen das Internet für die Beschaffung. Laut Boston Consulting liegen die Transaktionskosten bei der herkömmlichen Beschaffung indirekter Güter zwischen 25 und 100 Euro je Bestellvorgang. Im Idealfall, so die Consultants, lassen sich diese Kosten um bis zu 60 Prozent senken.

Zu den Paradebeispielen für elektronisches Beschaffungswesen, das die Order von C-Teilen rationalisiert, zählt für die Management-Berater der Daimler-Chrysler-Konzern. Die Stuttgarter haben bereits Anfang vergangenen Jahres die E-Procurement-Lösung "Ecaps" eingeführt. Basis des Systems ist ein elektronischer Katalog, der 600000 Produkte von zurzeit zehn per Rahmenvertrag gebundenen Anbietern umfasst. Die Bestellung erreicht den Lieferanten binnen weniger Sekunden und wird dort im Warenwirtschaftssystem weiter verarbeitet. Indem die Fachbereiche nun vertraglich festgelegte Teile selbst direkt beim Lieferanten abrufen, konnten die Durchlaufzeiten um bis zu 70 Prozent gesenkt werden. Ein weiteres Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von E-Procurement ist der Bayer-Konzern in Leverkusen.

Der Chemiegigant hat laut Boston Consulting systematisch Beschaffungsgüter auf ihre Eignung für E-Procurement hin getestet. Dabei wurden beispielsweise Kriterien angelegt wie: Handelt es sich um ein Spotmarkt- oder um ein per Rahmenvertrag bezogenes Produkt? Ist es katalogisierbar oder kundenspezifisch? Stammt es von einem bekannten oder neuen Lieferanten? Anhand solcher Fragen ermittelte der Konzern, welche Produkte sich unter welchen Voraussetzungen für einen elektronischen Beschaffungsprozess empfehlen. Bei Bayer fand man heraus, dass sich durch E-Procurement grundsätzlich Preisreduktionen zwischen drei und 20 Prozent erzielen lassen. Je nach Lieferantenmarkt, Menge der Produktspezifikationen und Nachfragesituation empfehlen sich unterschiedliche Online-Beschaffungsmaßnahmen (Auktionen, Tender, Marktplätze etc.).

Zu einem Vorzeigeunternehmen in Sachen E-Procurement erklärt Boston Consulting auch den Babcock-Konzern. Bis zum Jahr 2004 wolle die Unternehmensgruppe zirka 80 Prozent ihres Beschaffungsvolumens von knapp 4,5 Milliarden Euro (80 Prozent direkte, 20 Prozent indirekte Güter) elektronisch abwickeln. Das Unternehmen identifizierte knapp 300 Gütergruppen, von denen sich lediglich zehn bis 15 Prozent für katalogbasierte Bestellsysteme eignen. Hohe Effizienzgewinne Das Gros der Bestellungen, 75 bis 80 Prozent, kann über Auktionen, einen eigenen käufergetriebenen Marktplatz oder projektindividuelle Ausschreibungen laufen. Nur zehn Prozent des Bestellvolumens ließen sich keinem E-Beschaffungs-Tool zuordnen. Die Vorteile der elektronischen Beschaffung werden zum einen durch eine automatisierte Bedarfserstellung erreicht. PC-Anwender geben ein, was sie etwa an Büromaterial benötigen. Das Beschaffungssystem prüft, ob die Bestellung "berechtigt" ist und ein Bestellvorgang durch das ERP-System angestoßen werden kann. Die Auswahl der Produkte und Lieferanten erfolgt über elektronische Kataloge. Bestellungen, die Rahmenverträgen und den darin festgelegten Konditionen nicht entsprechen, werden nicht zugelassen. Effizienzgewinne resultieren in erster Linie aus der schnelleren Bestellabwicklung. Diese wird durch einen höheren Automatisierungsgrad sowie durch nahtlose interne und externe Kommunikationsprozesse erreicht.

Ein weiterer Vorteil liegt im Beschaffungs-Controlling: Elektronische Systeme schaffen für indirekte Güter eine ähnliche Transparenz, wie sie bisher nur bei einigen direkten, also unmittelbar produktionsrelevanten Gütern üblich ist. Vorteile der E-Beschaffung Die Vorteile der elektronischen Beschaffung werden zum einen durch eine automatisierte Bedarfserstellung erreicht. PC-Anwender geben unmittelbar ein, was sie etwa an Büromaterial benötigen. Das Beschaffungssystem prüft, ob die Bestellung "berechtigt" ist und ein Bestellvorgang durch das ERP-System angestoßen werden kann. Die Auswahl der Produkte und Lieferanten erfolgt überwiegend über elektronische Kataloge. Bestellungen, die zu Grunde liegenden Rahmenverträgen und den darin festgelegten Konditionen nicht entsprechen, werden nicht zugelassen. Effizienzgewinne resultieren in erster Linie aus der schnelleren Bestellabwicklung. Diese wird durch einen höheren Automatisierungsgrad sowie durch nahtlose interne und externe Kommunikationsprozesse erreicht. Ein weiterer Vorteil liegt im Beschaffungs-Controlling: Elektronische Systeme schaffen für indirekte Güter eine ähnliche Transparenz, wie sie bisher nur bei einigen direkten, also unmittelbar produktionsrelevanten Gütern üblich ist. Boston Consulting unterscheidet direkte Güter beziehungsweise so genannte A- und B-Teile in zwei Kategorien. Zum einen gibt es standardisierte oder standardisierbare Güter, deren Lieferanten prinzipiell austauschbar sind. Dazu zählen etwa elektrische Standardbauteile, standardisierte Wälzlager, einfache Gussteile etc. Andererseits gibt es Güter, die nur von wenigen Lieferanten bereitgestellt werden können, etwa kundenspezifische Elektronikkomponenten, anwendungsspezifische Lagerbauteile oder Gussteile aus Spezialwerkstoffen. Während sich Güter der ersten Kategorie ähnlich vorteilhaft wie indirekte Güter elektronisch beschaffen lassen, können für die komplexere Produktkategorie auf andere Weise Effizienzgewinne erzielt werden: durch Vernetzung der Lieferkette und Zusammenarbeit in der Konstruktion. Die dafür notwendigen Softwaretools gibt es jedoch noch kaum.