E-Procurement: Der Preis ist nicht allein entscheidend

30.08.2001
Von Marcus Ehrenwirth
MÜNCHEN (CW-EXTRA) - Technologie allein bringt noch keinen Gewinn, und aus einer Möglichkeit wird nicht automatisch eine Realität. Diese einfachen Grundsätze schienen während der Marktplatz-Euphorie im letzten Jahr in Vergessenheit geraten zu sein. Schuld daran war wohl der blinde Glaube daran, dass der Kostenvorteil der Internet-Technik gleichsam von selbst seine Wirkung bei den Anwendern entfalten würde.
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Am Anfang neuer Wirtschaftsformen standen schon immer technologische Neuerungen. Das war beim Übergang vom menschlichen Jäger- und Sammlerdasein auf die Agrarwirtschaft nicht anders als heute in den Zeiten der New Economy. Doch wie man damals nicht aufgehört hat zu jagen und Fleisch zu essen, wird die Wirtschaft auch heute noch und in Zukunft von der Old Economy getragen, gelten die alten Tugenden wie Ertragsorientierung und Plausibilität der zugrunde liegenden Geschäftsmodelle.

Es war nicht nur naiv anzunehmen, dass ein Einkäufer in Deutschland allein deshalb eine langfristige Lieferantenbeziehung aufs Spiel setzt, weil er sich übers Web eine Maschine in Argentinien besorgen kann, für die er hierzulande wesentlich mehr bezahlen müsste. Vielmehr war diese Annahme in der Sprache der Wirtschaftspsychologen auch nicht rational. Denn auch Vertrauen hat einen Wert. Er lässt sich zwar nicht genau quantifizieren, sehr wohl aber der Aufwand dafür, dieses Vertrauen durch IT-gestützte Organisation der Beschaffung zu ersetzen. Einkäufer schauen niemals allein auf den Produktpreis, sondern optimieren die Gesamtkosten der Beschaffung.

Total Cost of Procurement

Nach einer Studie des Fraunhofer Anwendungszentrums Logistikorientierte Betriebswirtschaft sind es die "Total Cost of Procurement", die über Sinn und Unsinn der Online-Beschaffung entscheiden. Sie setzen sich aus den vier Teilbereichen Prozesskosten und Materialkosten beziehungsweise Preis sowie den durch Qualitätsmängel und Terminverzug verursachten Aufwand zusammen.

Während sich Prozesskosten etwa durch Online-Katalogsysteme oder Ausschreibungssoftware signifikant senken lassen, insbesondere wenn es eine Verbindung mit den Backend-Systemen wie Rechnungswesen und Controlling gibt, sieht das bei der Qualitätssicherung und Liefertreue, bei den qualitativen Kriterien also, anders aus. Sie auch im E-Business auf ein zufrieden stellendes Maß zu bringen, wo die Lieferbeziehungen einer größeren Anonymität unterliegen, setzt eine teure Organisation voraus, die man entweder intern aufbauen oder extern unter Vertrag nehmen muss. Selbst wenn der Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung bei der Internet-Beschaffung aufgrund der weltweiten Angebotstransparenz niedriger ist, stehen dieser Einsparung zunächst höhere Prozesskosten gegenüber - ob intern oder extern.