Pilotprojekte bei Daimler AG

E-Mails im Urlaub automatisch löschen

31.01.2014
Von Andrea König
Viele Angestellte arbeiten im Urlaub. Eine radikale Maßnahme für eine bessere Work-Life-Balance ist das automatische Löschen von E-Mails. Wer löschen lässt, sollte einige Dinge beachten.
Foto: FACT-Finder Travel

Vor kurzem fragten wir bei IT-Verantwortlichen nach, ob sie in den Ferien ihre E-Mails lesen und bearbeiten. Nur einer von vier Gesprächspartnern berichtete, dass er im Urlaub konsequent abschaltet. Die Arbeit im Urlaub scheint unter Angestellten weit verbreitet - ganz unabhängig davon, ob sie im Job Führungsverantwortung übernehmen oder nicht. Eine Regus-Umfrage kam zum Ergebnis, dass knapp ein Drittel der deutschen Berufstätigen im Urlaub ein bis drei Stunden am Tag arbeitet. Sieben Prozent sollen täglich sogar mehr als drei Stunden opfern, und 14 Prozent sind im Urlaub fast genauso viel im Einsatz wie sonst.

Im Juli sorgte ein Berliner Stadtrat für Aufsehen, weil sein Abwesenheitsassistent den Hinweis "Ihre E-Mail wird ungelesen gelöscht" enthielt. Doch im Alleingang darf man so etwas nicht entscheiden. Gebe es keine entsprechenden Vertretungsregeln im Unternehmen, müssten tatsächlich alle E-Mails abgearbeitet werden. Einfach löschen dürfe man nicht, zitierte MDR.de eine Arbeitsrechtlerin vom Deutschen Gewerkschaftsbund.

Erste Pilotprojekte bei Daimler

Ein Arbeitgeber der sich mit dem Thema beschäftigt, ist die Daimler AG. Das Unternehmen hat E-Mail-Abwesenheits-Spielregeln definiert mit dem Ziel, den elektronischen Posteingang jedes Einzelnen während des Urlaubs zu entlasten und Mitarbeitern und Führungskräften die Möglichkeit zu geben, eingehende E-Mails während der Abwesenheit automatisch löschen zu lassen. Gleichzeitig weist eine Abwesenheitsnotiz den Absender der E-Mail auf den zuständigen Vertreter hin, so dass Anliegen dennoch bearbeitet werden können.

Doch ein Selbstläufer ist dieser Prozess noch nicht. Bislang gab es lediglich zwei Pilotprojekte im Zeitraum der Oster- und der Pfingstferien, an denen verschiedene Bereiche der Daimler AG teilgenommen haben. "Wir sind aktuell dabei, aus dem Feedback der Pilot-Projekte Optimierungspotentiale abzuleiten. So kann der weiterentwickelte Abwesenheitsagent dann im nächsten Schritt von einem größeren Kreis unserer Mitarbeiter genutzt werden", sagte eine Unternehmenssprecherin gegenüber CIO. Ob und wie viele Führungskräfte sich an den Pilotprojekten beteiligt haben, konnte sie nicht sagen. Die Zahl der teilnehmenden Mitarbeiter werde zu keinem Zeitpunkt gemessen, da die automatische Löschung der eingehenden E-Mails eine individuelle Entscheidung des einzelnen Mitarbeiters darstelle und als solche gefördert und respektiert werde.

Als "radikale Maßnahme" bezeichnet Anitra Eggler das automatische Löschen von E-Mails. Die Autorin und Rednerin hat unter anderem das Buch E-Mail macht dumm, krank und arm verfasst und bezeichnet sich selbst als Digital-Therapeutin. "Das ist eine radikale Maßnahme, die unserem radikalen Fehlverhalten - nie mehr abzuschalten, ständig irgendwie zu arbeiten, auch im Urlaub, aber nicht richtig - Rechnung trägt", sagt sie über das automatische Löschen. Eggler hält das Löschen der Mails nur in der internen Kommunikation für umsetzbar. In der externen Kommunikation, insbesondere wenn Vertrieb- und Kundenkommunikation involviert sind, gehe das nicht. Für die interne Kommunikation kann Eggler dem Löschen Positives abgewinnen: "Dieses Löschen verhindert die Mails, die in der internen Kommunikation geschrieben werden, weil der Absender gerade mal zu faul ist, sein eigenes Hirn anzuschalten oder selbst zu recherchieren", sagt sie. So lassen sich Mails verhindern, in denen nach dem Ablageort einer bestimmten Unterlage gefragt wird.

Abwesenheitsnotiz für das automatische Löschen von E-Mails

Wichtig sei, dem Empfänger den Löschvorgang in einer Abwesenheitsnotiz genau zu erläutern, Eggler nennt ein Beispiel: "Ich bin im Urlaub und schalte komplett ab bis zum Tag X. Damit ich am Tag Y meiner Wiederkehr nicht von einem E-Mail-Tsunami aus der Erholung katapultiert werde, wird Ihre E-Mail gelöscht. Sollte Ihr Anliegen am Tag Y noch relevant sein, melden Sie sich bitte erneut. Bevor Sie sich jetzt ärgern und Ihrer Gesundheit schaden: Sollte es sich bei Ihrem Anliegen um einen drohenden Weltuntergang handeln oder um unerwartet großen Geldsegen freut sich Kollege XY mit Ihnen per E-Mail die Welt zu retten. Sie erreichen ihn unter XY und Z." Sie für sich würde das so formulieren, aber das müsse man sich trauen und im Konzernkontext trauen dürfen, so Eggler. Angestellte sollten darauf achten, dass die Abwesenheitsnotiz zum Corporate Wording passt.

Liebe Leser, was halten Sie vom automatischen Löschen von Mails? Gibt es bei Ihrem Arbeitgeber vielleicht auch Überlegungen zu diesem Thema? Posten Sie Ihren Kommentar unterhalb des Artikels (für alle Leser sichtbar) oder schreiben Sie an akoenig@idg-consultant.de. Wir freuen uns auf Ihre Antwort!