Firmen haben noch wenig Interesse an Channel-Technik

E-Mail und Sicherheit werten Explorer 4.0 auf

17.10.1997

Push-Techniken wie "Active Channel" sind zwar in aller Munde, doch laut einer von Microsoft selbst organisierten Marktstudie sind nur etwa 40 Prozent der DV-Verantwortlichen an dieser Technik interessiert. Zudem müssen Netz-Manager damit rechnen, daß Channel-Updates die LAN-Segmente und Backbones zusätzlich beanspruchen. So bemängelt Hubert Rethfeld, ein Mitarbeiter aus dem Vertrieb Neue Medien bei Lufthansa AG, die unzureichenden Steuerungsmöglichkeiten für die gezielte Informationsverteilung bei Produkten wie dem Internet Explorer. Hier punkten seiner Meinung nach zur Zeit Produkte wie beispielsweise "Backweb".

Channel-Techniken wie etwa das im Internet Explorer integrierte Verfahren "Active Channel" verführen zu der Auffassung, daß sich damit das Internet einem Massenpublikum so leicht erschließt wie das Fernsehen. Allerdings ist das Einrichten weiterer Channel-Angebote, zusätzlich zu den standardmäßig konfigurierten Diensten wie "Bild der Wissenschaft" oder "Spiegel Online", nicht gerade trivial. Denn der Anwender muß den Kanal nicht nur abonnieren, sondern auch bestimmen, welche Informationen er heruntergeladen haben möchte. Ferner ist zu konfigurieren, wie oft das Angebot aktualisiert werden soll.

Microsoft liefert sich mit dem Konkurrenten Netscape eine Schlacht um die Vormachtstellung am Browser-Markt. Auch der Web-Client der Andreessen-Company ist mit einem Channel-Verfahren ausgestattet. Allerdings kommt dabei die "Netcaster"-Technik zum Zuge, die mit der aus Redmond zwar vergleichbar, aber nicht kompatibel ist.

Zur Konkurrenz mit Netscape äußerte sich Bruno Ungermann, Berater bei MIS Consulting in Darmstadt und Kenner der Browser-Szene, folgendermaßen: "Die Kunden werden es auf Dauer nicht akzeptieren, daß zwei nicht austauschbare Produkte existieren. Dies ist solange der Fall, wie es zwei unterschiedliche Standards gibt." Ungermann vermutet, daß sich der Browser-Markt genauso wandelt wie das Geschäft mit Tabellenkalkulationen, wo anfangs drei Anbieter den Markt dominierten, doch mittlerweile Excel dieses Segment beherrscht.

Bei der Entscheidungsfindung für den Browser spielt im Intranet-Bereich der Web-Server eine zentrale Rolle, den ein Unternehmen einführt. Diese Meinung vertritt Oliver Lehmann, Personal- und Computertrainer aus Ismaning bei Müchnen. Sowohl Netscape als auch Microsoft offerieren entsprechende Server-Software.

Da allerdings sowohl der "Internet Information Server" als auch der Internet Explorer 4.0 die proprietäre Programmierumgebung Active X beinhalten, ist deren Aktionsradius auf Windows-Betriebssysteme beschränkt.

Netscapes Gespann aus Browser und Web-Server läßt sich auch auf Plattformen wie Unix und OS/2 einsetzen. Gleichzeitig favorisiert der Softwarehersteller das portable Java. Diese Programmiersprache ist ein direkter Konkurrent zu Active X, Java hat jedoch den Vorteil, daß sich damit Web-Anwendungen für heterogene Umgebungen erstellen lassen. Viele von Lehmanns Kunden tendieren bei der Realisierung von Intranet-Projekten dennoch eher zur Active-X-Technik. Dies liegt vor allem daran, daß meistens Windows-PCs die firmeneigenen Netze bevölkern, weshalb Netz-Manager das integrierte Active X dem plattformübergreifenden Java vorziehen. Allerdings kann laut Lehmann die Microsoft-Technik auch für sich verbuchen, Drucker besser zu unterstützen. Java bereitet den Software-Entwicklern hierbei noch Kopfzerbrechen.

Netscape und Microsoft unterscheiden sich aber auch in ihren Geschäftsmodellen. Während die Anwender für den "Navigator" und den "Enterprise Server" bezahlen müssen, erhalten Käufer von Windows 95 und Windows NT Workstation den Browser umsonst dazu. Im NT-Server ist zusätzlich noch der Internet Information Server im Paket enthalten. Zwar erhoffen sich einige DV-Leiter eine geringere Total Cost of Ownership durch den Einsatz von Produkten aus Redmond auf dem Desktop und dem Server. Andere befürchten jedoch, sich dadurch zu eng an Microsoft zu binden, wären sie doch vollständig von den zukünftigen Entwicklungen sowohl im Betriebssystem- als auch im Web-Bereich von einem Hersteller abhängig. Lehmann schätzt jedoch, daß bei der Mehrheit der Firmen der Wunsch nach einer homogenen DV-Landschaft schwerer wiegt als die Angst vor einer Herstellerabhängigkeit.

Banken liebäugeln mit Microsoft

Auch Banken scheinen in dieser Kategorie zu denken. So haben Kreditinstitute angekündigt, Microsoft-Technik sowohl bei den Kunden von Internet-Banking-Diensten als auch im Unternehmensnetzwerk einzuführen. Dabei überzeugte die Gates-Company mit der Ankündigung, eine 128-Bit-Verschlüsselungstechnik sowohl in den Internet Information Server, "Money 98" und Internet Explorer 4.0 zu integrieren.

Neben den reinen Web-Funktionen hat der neue Browser von Microsoft aber auch noch andere Qualitäten, die für Unternehmen von großer Bedeutung sind. Dazu gehört der integrierte E-Mail-Client. Wichtig für Anwender dürften einige neue Features sein, die mit Einschränkungen früherer Messaging-Produkte aus Redmond aufräumen. Denn mit "Outlook Express" erhält der Benutzer eine integrierte Anwendung für das Verarbeiten von elektronischen Nachrichten und News, welche die Anwendungen "Internet Mail" und "Internet News" in den vorzeitigen Ruhestand schickt. Endlich hat sich auch Microsoft dazu entschlossen, Import-Funktionen für fremde E-Mail-Produkte mitzuliefern. Auf diese Weise läßt sich der Wildwuchs an Adreßbüchern eindämmen. Sowohl Adreßbücher und Nachrichten als auch die Konfigurationen aus "Netscape Mail", "Eudora Light", "Windows Messaging", "Exchange" und "Outlook" nimmt Outlook Express in die Einstellungen auf. Eine Migration von "Netscape Mail 3.01" zum neuen Mail-Programm aus Redmond verlief ohne Schwierigkeiten.

Sicherheitszonen für Web-Sites

Zumindest vordergründig bietet der Internet Explorer 4.0 einige Sicherheits-Features. Dazu gehört das Einteilen der Internet- Sites in sogenannte Sicherheitszonen. Hierzu hält der Browser vier Bereiche vor, die mit bestimmbaren Sicherheitsstufen belegt sind. Beispielsweise umfaßt die Zone der vertrauenswürdigen Sites nur solche URLs, von denen keine Gefahr droht. Dies hat Konsequenzen, denn der Benutzer wird nicht vor möglichen Gefahren gewarnt. In anderen Zonen macht ein Dialog den Anwender auf die Risiken einer Web-Site aufmerksam. Anhand spezieller Zertifikate geben sich Java-Applets und Active X Controls zu erkennen. Mit der Funktion "Authenticode" verifiziert der Browser dann, ob es sich um eine bekannte Quelle handelt oder nicht. Dies setzt aber voraus, daß diese zertifizierten Programme auch wirklich keine Codes enthalten, die Rechner zerstören.

Mit Sicherheitsfunktionen wartet auch die E-Mail-Komponente auf. So lassen sich zum Beispiel Nachrichten verschlüsseln, die nur Inhaber eines "Private Key" lesen können.

Viel mehr Furore als diese Eigenschaften macht die Integration des Internet Explorer in den Windows-Desktop. Über den Web-Browser lassen sich so die meisten Benutzeraktionen ausführen. Überraschenderweise konnten sich bei einer Umfrage, die der Internet-Informationsanbieter Cnet auf seiner Homepage www.news.com veranstaltete, nur 41 Prozent der Befragten mit dem Gedanken anfreunden, den Web-Client als Benutzer-Schnittstelle für den Desktop zu verwenden. Einige Kritiker äußerten sich skeptisch über die Stabilität dieser Software und halten sie deshalb für den universellen Einsatz für untauglich.

Will der Benutzer sich ganz dem Browser anvertrauen, so kann er sämtliche Funktionen und Tools - zum Beispiel die "Systemsteuerung" - über die Web-Oberfläche bedienen. Auf diese Weise erhalten Anwender einen Vorgeschmack auf Windows 98.