E-Mail-Management mit halbem Herzen

15.02.2008
Von Dr.Doreen Klingstein und Thomas Bahr
Die Bedeutung der elektronischen Post für das Geschäft steht außer Frage, aber kaum einer ordnet und sichert sie.
Viele Unternehmen betreiben kein systematisches E-Mail-Management.
Viele Unternehmen betreiben kein systematisches E-Mail-Management.
Foto: Bearingpoint

Jede vierte eingehende E-Mail ist geschäftskritisch. Das glauben nach einer aktuellen Untersuchung der Management- und Technologieberatung Bearingpoint zwei von drei deutschen Unternehmen. Etwa ein Drittel misst sogar mehr als 50 Prozent ihrer E-Mails eine solche Bedeutung bei. Der Grund: Bereits 87 Prozent der insgesamt 200 Befragten erhalten Kundenanfragen und 82 Prozent Angebote per E-Mail zugeschickt. Ebenso finden sich Bestellungen (bei 60 Prozent), Rechnungen (bei 43 Prozent) und Verträge (bei 43 Prozent) im elektronischen Posteingang. Interessant ist auch, dass 87 Prozent Projekte auf diesem Weg besprechen, obwohl die Softwareanbieter seit langem für kollaborative Management-Werkzeuge werben.

Doch die Verwaltung und Nutzung der wertvollen Informationen macht den Unternehmen zu schaffen. Neben einer effizienten Speicherung ist es vor allem eine einfache Suche nach E-Mails und deren Anhängen, die die Befragten vermissen. Ebenso besteht der Wunsch, E-Mails in die Geschäftsprozesse einzubinden. Viele der Befragten sehen ferner mit Sorge, dass sie nationale handels- und steuerrechtliche Regularien wie GdPDU, GoBS, GOB, HGB und AO (Abgabenordnung) sowie internationale Vorschriften wie Basel II oder Sarbanes Oxley erfüllen müssen, ihren Geschäftsverkehr per E-Mail aber nicht ausreichend dokumentieren und belegen können.

Fehlende Archivierung und Mangel an Policies

Nur 23 Prozent der Unternehmensvertreter sind sich sicher, dass sie beispielsweise in einem Gerichtsverfahren die vollständige Korrespondenz inklusive aller E-Mails zu einem Geschäftsvorfall innerhalb von zwei Wochen zur Verfügung stellen könnten. 47 Prozent der Befragten schätzen, dass dies nur mit sehr hohem Aufwand möglich wäre, weitere 15 Prozent sehen überhaupt keine Chance.

Ein Grund für dieses Verfügbakeitsproblem liegt darin, dass in der Hälfte der Unternehmen E-Mails in erster Linie in den persönlichen Ordnern der einzelnen Nutzer schlummern. Zwar nehmen 47 Prozent der Firmen zumindest Backups auf dem Mail-Server vor, es bleibt aber unklar, ob dabei auch lokal vorgehaltene E-Mails erfasst werden. Nur 26 Prozent der Befragten setzen heute ein kommerzielles Archivierungs-Tool ein, um ihre elektronische Post sicher und zentral aufzubewahren, 15 Prozent archivieren sie überhaupt nicht. Ebenso fehlen vielerorts Richtlinien (Policies) zur Behandlung von E-Mails. So räumt die Mehrzahl der Unternehmen ein, an derartigen Regeln noch zu arbeiten, sie nicht zu kennen oder gar nicht zu planen. Allenfalls beziehen sich die Policies auf private E-Mails (67 Prozent), auf die Mailbox-Größe (62 Prozent) und auf anstößige Inhalte (53 Prozent). Regelungen zur Aufbewahrung und Ablage von E-Mails sowie zur Behandlung von Verstößen finden sich hingegen nur selten (siehe Grafik "Schlechte Stimmung").

Die Hälfte der befragten Unternehmen hat sich zumindest schon einmal mit Produkten für das E-Mail-Management beschäftigt, doch nur sieben Prozent setzen eine solche Lösung produktiv ein. Von diesen wenigen Nutzern sind zudem manche unzufrieden mit ihrer E-Mail-Management-Software, weil sie zu komplex und zu wenig benutzerfreundlich ist.

Fast vier von zehn Firmen haben gute Vorsätze

Dennoch wächst die Verbreitung solcher Produkte. So laufen in zwölf Prozent der Unternehmen entsprechende Projekte, und 37 Prozent plane welche. Auch steht für die meisten Nutzer außer Frage, dass solche Lösungen unternehmensweit einzusetzen sind. Mehr als 57 Prozent der Befragten betrachten das E-Mail-Management nicht als Insel, sondern als Teil einer umfassenden Enterprise-Content-Management-Lösung zur Verwaltung und Steuerung aller geschäftskritischen Inhalte. Dazu ist die Organisation, also zum Beispiel die Regeln, ebenso wichtig wie die Technik. (as)