E-Learning: Der Weg in die Praxis ist dornenreich

04.12.2000

Für einige Überraschungen sorgte danach die Befragung der Teilnehmer und Trainer: Höhere Motivation bei Präsenzveranstaltungen, da sie sozialen Kontakt bieten, war zum Beispiel ein Ergebnis. Das Online-Lernen frustriert durch “Umständlichkeit” der Bedienung. Und obwohl der Lernerfolg mit dem netzbasierten Lernen messbar größer war, schätzen die Kursteilnehmer diese Art der Weiterbildung als weniger effizient ein. Die Sparkassenakademie sieht sich dennoch auf dem richtigen Kurs und bereitet zur Zeit nach dem Pilotprojekt auch den Regelbetrieb vor. Ab Januar 2001 stehen dann auch Kurse ganz ohne Präsenztraining auf dem Programm.

Karlheinz Geißler, Professor an der Universität der Bundeswehr in München, brachte es ironisch-launig auf den Punkt. Was das Beten für den mittelalterlichen Menschen war, ist das Lernen für seine modernen Nachkommen. Nicht mehr “ora et labora” heißt die Devise, sondern zeitgeistig “livelong Learning” oder “E-Learning”. Denn immer mehr Unternehmen kommen zu der Überzeugung, dass der Schritt ins “E-Zeitalter” nicht ohne die dazugehörige ständige Weiterbildung zu schaffen ist. Was bietet sich also mehr an, als das Lernen mit der Hilfe des Mediums, dem viele Zeitgenossen zutrauen, die “Old Economy” aus den Angeln zu heben? Diese Überzeugung teilten auch die meisten der rund 450 Kongressteilnehmer und die 33 Aussteller, die die Veranstaltung zum regen Dialog nutzten.

In den vier parallelen Workshop-Reihen waren Rat und Hilfe von Pionieren gefragt, die sich bereits mit dem Thema auseinander gesetzt haben – nicht immer, ohne dabei Federn gelassen zu haben. Ob E-Learning, Telelearning, virtuelle Wisssensvermittlung oder computergestütztes Lernen, der Markt der Anbieter, die den Unternehmen Lösungen anbieten, wächst beständig. So soll sich der E-Learning-Markt in Westeuropa nach IDC-Berechnungen von jetzt 320 Millionen Dollar auf 3,9 Milliarden Dollar im Jahre 2004 ausdehnen.

Der Konkurrenzkampf wird härter, spätestens seit sich auch der Mittelstand für das Thema interessiert: zum Beispiel das Handwerk - mit 830 000 Betrieben einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland und von jeher konservativ strukturiert. “Dass wir mit diesem Image zu kämpfen haben, wissen wir.” Aber solche Vorurteile schrecken Hermann Röder,Geschäftsführer der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk, nicht ab. Schließlich bezeichnet er die Bildungszentren der Handwerkskammern, die jedes Jahr 40 000 bis 50 0000 Meisterprüfungen abnehmen und 1,4 Milliarden Mark Umsatz erwirtschaften, als den größten Bildungsanbieter in Deutschland. “Wir wollen uns an die Spitze einer Bewegung setzen, die das Internet als Kommunikationsmotor der Wirtschaft entdeckt hat”, verkündet Röder. Immerhin rund die Hälfte der deutschen Handwerkskammern bietet heute schon Online-Qualifizierungen an, und rund 30

von ihnen mit den angeschlossenen Bildungszentren stellen ein umfangreiches Lernangebot ins Netz.

Wichtiger Bestandteil des “Q-Online” genannten Konzepts: der europäische Computerführerschein, “European Computer Driving License” (ECDL). Daneben bieten die Kammern Module an, die dem Thema E-Commerce oder Fremdsprachen, kaufmännischem Basiswissen und nicht zuletzt der Vorbereitung auf die Meisterprüfung widmen. An einem Grundsatz will Röder festhalten: “Es geht nicht ohne Telecoaches.” Erster Schritt vor dem Start dieses Modells war deshalb die Ausbildung von 60 Trainern für diese neue Form der Wissensvermittlung. Damit soll eine Kombination von 30 bis 40 Prozent Präsenzlernphasen im Berufsbildungszentrum und zu 60 bis 70 Prozent dem Telelernen am Arbeitsplatz, Zuhause oder im Selbstlernzentrum geschaffen werden. “Und das”, so der Bildungs-Manager, “klappt nicht ohne den menschlichen Ansprechpartner.”