E-Learning braucht klare Regeln

05.08.2002
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Der DGB-Projektleiter gibt zu bedenken, dass das Wenigste durch die bestehenden Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) oder einschlägiger DIN- und ISO-Normen verbindlich definiert ist. Auch tarifvertragliche Normen gebe es bislang nicht. Seine Forderung lautet deshalb: „Diese Situation der Unsicherheit lässt sich nur durch Betriebsvereinbarungen für beide Seiten beseitigen. Auch wenn viele sich berufen fühlen: Nur die Sozialpartner können dies regeln - niemand sonst.“ Denn mit dem Aushandeln von Betriebsvereinbarungen werde eine Basis gelegt, um strittige Punkte später einvernehmlich zu klären.

Ringen um Betriebsvereinbarung

Es ist nicht selbstverständlich, dass alles so reibungslos läuft wie in den genannten Beispielen. Die Commerzbank diskutiert seit Wochen über eine E-Learning-Betriebsvereinbarung und hat das Thema nun auf den Herbst vertagt, weil keine Einigung in Sicht ist. Das Frankfurter Finanzinstitut vertritt einen Standpunkt, der von anderen Arbeitgebern geteilt und der in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird: Mitarbeiter müssen bereit sein, auch am Feierabend ein Lernprogramm zu beackern, ohne dass es dafür gleich einen Freizeitausgleich gibt.

Commerzbank-E-Learning Experte Andreas Woy findet es nicht zeitgemäß, wenn die Gewerkschaft darum kämpft, dass der Zugang der Mitarbeiter vom heimischen PC aus auf die Lernprogramme des Unternehmens unterbunden wird, nur damit alle gezwungen werden, in der Arbeitszeit zu lernen. Der Betriebsrat war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ähnlich schwierig kann sich die Sache in einem anderen Fall gestalten, auf den Andreas Hohenstein, Herausgeber des „E-Learning-Handbuchs“, hinweist. Ein mittelständischer Produktionsbetrieb hat es geschafft, seine Vertriebsmitarbeiter davon zu überzeugen, sich gelegentlich am Samstag außerhalb der Arbeitszeit via Web-based Training weiterzubilden. Solange alle Verkäufer mitmachen, und das ist im Moment der Fall, gibt es keine Schwierigkeiten. Spätestens dann, wenn einer ausschert und darauf pocht, in der Arbeitszeit lernen zu wollen, weil er beispielsweise aus familiären Gründen am Wochenende keine Zeit hat, ist die heile Online-Lernwelt dahin. Denn der Arbeitgeber kann, wenn es nicht eigens vereinbart worden ist, keinen Mitarbeiter verpflichten, in seiner Freizeit zu lernen.

Selbstkontrolle der Mitarbeiter

Zweiter wichtiger Punkt neben der Diskussion um Lernen in der Freizeit ist der Datenschutz. Mit Hilfe eines LMS lässt sich das Lernverhalten der Mitarbeiter genau protokollieren; wann wurde das Programm gestartet, für welche Frage wurde wie viel Zeit aufgewendet, welche Testfragen waren schwierig etc. Die Gewerkschaft ist dagegen, dass der Arbeitgeber personenbezogene Daten erfasst. Sehr wohl aber spricht sich DGB-Mann Heller dafür aus, dass eine Art Self-Assessment stattfindet - eine Erfassung für den Mitarbeiter, damit dieser seine Lernfortschritte verfolgen kann.

Wie dieser Streit ad absurdum geführt werden kann, zeigt folgendes Beispiel: Ein großer norddeutscher Konzern, der E-Learning einführte, hat nach der Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat auf jedwede Datenerfassung verzichtet - mit dem Ergebnis, dass jeder Mitarbeiter, der sich zu einem Online-Kurs anmeldet, automatisch eine Kursbestätigung erhält, auch wenn er nichts gelernt hat.