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E-Government: Der Bürger läuft – nicht die Daten

24.10.2007
Deutschland hinkt in Sachen E-Government nach wie vor hinterher. Die Internet-Angebote der Behörden können den Gang zum Amt nur in den seltensten Fällen ersetzen.

Das Internet ersetzt nicht herkömlichen Wege der Kontaktaufnahme mit Behörden. Das ergab eine Umfrage von TNS Infratest unter knapp 1250 Personen. Demnach schätzten die Nutzer von Online-Angeboten der Behörden zwar die Bequemlichkeit und Schnelligkeit des Mediums. Den persönlichen Kontakt mit den Ämtern könne das Internet allerdings nicht ersetzen. 73 Prozent der Befragten nehmen parallel zu den Angeboten im Netz telefonischen Kontakt zu den Behörden auf. 56 Prozent bevorzugen den persönlichen Besuch und 25 Prozent schreiben zusätzlich einen Brief an die Verwaltung.

Deutschland hinkt in seiner E-Government Readiness dem europäischen Durchschnitt hinterher, lautet das Fazit der Marktforscher. TNS Infratest beobachtet das E-Government-Angebot von Bund und Ländern im Rahmen des Forschungsprojekts "Monitoring Informations- und Kommunikationswirtschaft 2007" bereits seit sieben Jahren. Das Problem liege nicht an der mangelnden Bereitschaft der Nutzer, sondern vielmehr in dem unzureichenden Online-Angebot der Behörden. So sei es in den meisten Fällen zwar möglich, sich zu informieren, beispielsweise über die Öffnungszeiten des jeweiligen Amtes. Die Möglichkeiten, Verwaltungsvorgänge online abzuwickeln seien jedoch beschränkt. Damit bleibe dem Nutzer der Gang zum Amt nur selten erspart.

Eilige suchen Online-Kontakt

Das Internet-Angebot der Behörden wird in erster Linie von Menschen zwischen 30 und 49 Jahren genutzt. Lediglich 28 Prozent der Nutzer von behördlichen Online-Angeboten sind unter 30 Jahre, 23 Prozent älter als 50 Jahre. Vor allem Menschen mit einem knappen Zeitbudget versuchen Behördengänge online abzuwickeln. 53 Prozent der Nutzer sind Vollzeit berufstätig.

"An dieser Stelle sind Bund, Länder und Kommunen gefragt", fordert Robert Wieland, Geschäftsführer von TNS Infratest. Das elektronische Angebot der Behörden müsse ausgebaut werden. Außerdem sollten Anreize geschaffen werden, damit behördliche Internet-Angebote stärker von den Bürgern genutzt werden können.

Damit bleibt die Forderung von Altkanzler Gerhard Schröder, die Daten sollten laufen nicht die Bürger, weiter ein Wunschtraum (siehe auch: Schröder erklärt Internet zur Chefsache). Seit Jahren monieren Experten die fehlenden Behördenangebote, um konkrete Verwaltungsvorgänge online abzuwickeln. Zwar habe sich die Situation in den vergangenen Jahren verbessert, meint Tom Gensicke, Leiter des Bereichs Public Service von Capgemini (siehe auch: Österreich bleibt E-Government-Spitzenreiter). Die Schwierigkeiten bestünden jedoch darin, dass hierzulande ein starker Föderalismus herrsche. Daher sei es schwer, bundesweit einheitliche Verfahren durchzusetzen. Außerdem fehle eine zentrale Kraft auf politischer Ebene, die die Entwicklung vorantreibe. Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Kommunikation und neue Medien fordert einen Bundes-CIO (siehe auch: Doch kein Bundes-CIO?). Sicher nicht uneigennützig: Der Lobbyverband der IT-Industrie wittert lukrative Geschäfte mit Behörden. Doch in der Vergangenheit machte gerade die unklare Kompetenzverteilung den Umgang mit Behörden oft nicht leichter. Bislang konnten sich die verantwortlichen Stellen in der Bundesveraltung allerdings nicht dazu durchringen, einen entsprechenden Posten einzurichten. (ba)