Kolumne

"E-Government am Scheideweg?"

28.02.2003
Martin Bayer Redakteur CW

Hinter den Kulissen des deutschen E-Government-Theaters gibt es Streit unter den Darstellern. Während die großen Industrieverbände einen Masterplan sowie eine zentrale E-Government-Agentur fordern, die alle Projekte über Bundes-, Länder- und Kommunengrenzen hinweg zentral steuern soll, bleibt das Innenministerium strikt auf dem einmal eingeschlagenen Kurs. Verständlich angesichts der föderalen Fallstricke, die das Projekt ins Straucheln bringen könnten. Im Grunde kann jede Behörde, jedes Bundesland und jede Kommune ein eigenes E-Government-Projekt auf die Schiene setzen, ohne sich um Vorgaben, was Standards oder Datenmodelle betrifft, kümmern zu müssen. Und da letztendlich die meisten Behördenkontakte von Bürgern und Unternehmen auf kommunaler oder Länderebene stattfinden, müssen die Verantwortlichen des Projekts Bund Online 2005 auf Konsens und Aufklärungsarbeit mit den Kollegen aus Ländern und Kommunen setzen. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten. Das Scheitern des "Fiscus"-Projekts, in dem über Ländergrenzen hinweg eine gemeinsame Software für die Finanzämter entwickelt werden sollte, ist jedenfalls kein gutes Vorzeichen.

Auch die Informationspolitik und das Marketing scheinen verbesserungswürdig. Fragt man in Rathäusern nach E-Government, erntet man entweder ein hilfloses Schulterzucken oder bestenfalls ein: "Davon habe ich schon einmal gehört." Aber immerhin haben die Verantwortlichen im Innenministerium nach gut zwei Jahren Projektdauer erkannt, dass ihr rund 1,6 Milliarden Euro teures E-Government-Vorhaben kein Selbstläufer ist, sondern vielfältige Unterstützung braucht.

Die IT-Industrie interessiert sich unterdessen unverhohlen für den gut gefüllten Budgettopf - kein Wunder angesichts der anhaltenden Marktmisere. Längst wird der rote Teppich für die Auftraggeber aus Bund, Ländern und Gemeinden ausgerollt. Allerdings läuft nicht alles nach Wunsch der Industrie, die immer wieder am berühmten Amtsschimmel scheitert. Den Verbänden käme daher eine zentrale Einrichtung gerade recht, am besten noch besetzt mit zahlreichen Industrievertretern, die den IT-Beamten klar machen, wie der Hase läuft.

Konstruktive Vorschläge zum Gelingen der bundesweiten E-Government-Initiativen sind von Seiten der Industrie und Wirtschaft derzeit nicht zu erwarten. Denn das grundlegende Problem, mit dem E-Government in Deutschland zu kämpfen hat, ist das föderale System. Eine E-Government-Agentur zu installieren, die sich über Bund-, Länder- und Gemeindeinteressen hinwegsetzen kann, scheint letztendlich unmöglich. Daher bleiben unter den jetzigen Vorzeichen Länder und Kommunen auch künftig IT-Einzelkämpfer, und der Wildwuchs im IT-Feld der Behörden wird weiterwuchern.