Lange Download-Zeiten sorgen für Milliardenausfälle

E-Commerce: Zwischen strategischem Geschäft und technischem Fiasko

09.07.1999
MÜNCHEN (CW) - In den meisten Unternehmen wird das Internet inzwischen als integraler Bestandteil des Vertriebskonzepts begriffen. Darauf deutet vielerorts auch die zentrale Entscheidung über Browser oder E-Commerce-Software hin. Viel Kredit bei den Kunden wird allerdings durch massive Download-Probleme verspielt.

Aktuelle Untersuchungen des Marktforschungsunternehmens Zona Research belegen, daß selbst einstige Nebenkriegsschauplätze wie die Auswahl eines Web-Browsers inzwischen Teil einer zentralen Internet-Strategie geworden sind. Fast 70 Prozent aller von Zona befragten Firmen betreiben eine einheitliche Browser-Politik - vor drei Jahren war es nicht einmal die Hälfte. Die freie Produktwahl des einzelnen Mitarbeiters scheint der Vergangenheit anzugehören.

Klarer Nutznießer dieses Paradigmenwechsels ist der "Internet Explorer": 62 Prozent aller Bosse entschieden sich für den Microsoft-Browser. Die Tools des Marktführers Netscape sind nur noch für rund ein Drittel der verantwortlichen IT-Entscheider die erste Wahl. Zona fand außerdem heraus, daß viele Firmen den Online-Verkehr ihrer Mitarbeiter überwachen und reglementieren. "Der Internet-Zugang wird mittlerweile ähnlich betrachtet wie das Telefon - als wertvolle Ressource, die klaren Unternehmenszielen dienen soll und nicht dem persönlichem Gebrauch", erläutert Zona-Analyst Clay Ryder.

Bemerkenswerte Veränderungen hat Zona auch bei der Auswahl von E-Commerce-Software beobachtet. Während noch vor einem Jahr die großen Lösungsanbieter wie IBM, Microsoft, Oracle, Netscape und Open Market bei 88 Prozent der Umfrageteilnehmer klar die Nase vorn hatten, konnten sich die kleineren Anbieter inzwischen einen Anteil von 50 Prozent am Geschäft sichern. Unternehmen wie Icat oder Netdynamics sind dabei längst aus dem Schatten von IBM und Co. herausgetreten. Zona vermutet, daß die einstigen Platzhirsche einerseits dem immens wachsenden Bedarf nach Shopping-Lösungen nicht mehr gerecht werden konnten und daß andererseits kleine Anbieter oft schneller maßgeschneiderte und doch preiswertere Produkte liefern.

Nach Ansicht der Zona-Analysten trübt die breite Akzeptanz des elektronischen Handels aber auch den Blick für die Gefahren. So seien hochgerechnet 4,35 Milliarden Dollar an Umsätzen allein in den USA durch viel zu lange Download-Zeiten gefährdet. Über ein Drittel aller Web-Nutzer könnte sich durch die Grenzen langsamer Modems oder wegen fehlgeschlagener Downloads frustriert vom Online-Shopping abwenden. Die Verluste seien möglicherweise nicht mehr aufzufangen, wenn die Kunden zu ihren traditionellen Einkaufswegen zurückkehren. Viele Unternehmen lassen Besitzer alter Modems bei zunehmendem Internet-Verkehr durch grafisch aufwendige Inhalte im Regen stehen.

Zona empfiehlt eine maximale Abrufzeit von acht Sekunden - ansonsten sei der Surfer oft auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Hinzu kommt noch, wie die Kollegen von der Meta Group bestätigen, daß die Verfügbarkeit von Internet-Diensten noch immer zu wünschen übrig läßt. Ein Durchschnitt von 99 Prozent sei zwar gut, bedeute aber pro Jahr immer noch etliche Stunden ohne Geschäft. Firmen sollten sich daher trotz aller Garantien nie auf einen einzigen Provider verlassen.