E-Business: Die Universitäten reagieren auf den Boom

12.01.2001
Von Angelika Fritsche
Mit Hilfe der Industrie etablieren immer mehr Hochschulen Studienangebote rund um das Thema E-Business - allen voran die Wirtschafts- und Informatik-Fakultäten. Dabei ist die interdisziplinäre Ausbildung dringend nötig, wenn IT und Business zusammenwachsen wollen.

Mit neuen Lehrstühlen, Studiengängen, Vertiefungsrichtungen sowie Weiterbildungsangeboten wollen Deutschlands Universitäten und Fachhochschulen im Eiltempo Nachwuchskräfte für das E-Business fit machen. Die Wirtschaft, die händeringend auf die E-People wartet, greift den Hochschulen dabei konzeptionell und finanziell unter die Arme. Medienwirksamstes Beispiel der vergangenen Monate ist das Engagement der Intershop-Gründer Stephan Schambach und Karsten Schneider, die der Universität Jena sechs Jahre lang mit jährlich jeweils 400000 Mark einen Lehrstuhl für den “Elektronischen Handel" sponsern. Man habe, so die E-Commerce-Pioniere, nicht warten wollen, bis Universitäten und Ministerien von sich aus auf den eminent wachsenden Bedarf an Fachkräften reagierten. Den Auftakt hat allerdings die Universität Frankfurt gemacht. Bereits zum Sommersemester 1999 wurde dort an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der erste Lehrstuhl für Electronic Commerce in Deutschland mit finanzieller Unterstützung der Commerzbank eingerichtet. Und das Geld für den im Aufbau befindlichen Lehrstuhl für “Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Electronic Business" an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Koblenz kommt aus einem Daimler-Chrysler-Fonds.

Eine aktuelle Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln bringt den verstärkten Einsatz der Unternehmen auf den Punkt: “Damit Deutschland im Hightech-Bereich nicht den Anschluss verliert, muss die IT-Ausbildung forciert werden. Während Unternehmen und Berufsakademien sich aber ins Zeug legen, droht die Hochschulausbildung zur Bremse für die Branche zu werden." Nur durch zusätzliche Studienangebote und den Ausbau der Studienkapazitäten könne das Dilemma beseitigt werden. Das “Sofortprogramm zur Weiterentwicklung des Informatikstudiums an den deutschen Hochschulen" (WIS), das am 20. Juni 2000 von Bund und Ländern verabschiedet wurde, ist dabei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die insgesamt 100 Millionen Mark verteilen sich auf fünf Jahre, so dass jährlich nur 20 Millionen Mark zur Verfügung stehen. Um ein kurzfristiges Notprogramm mit spürbarer Wirkung zu starten, hält die Gesellschaft für Informatik eine Summe von mindestens 135 Millionen Mark pro Jahr für erforderlich. Das erste Standbein ist die Einrichtung neuer Lehrstühle, das zweite die Integration des facettenreichen Themas E-Business in die diversen Studienrichtungen. Als wichtigste wissenschaftliche Disziplin bei der Ausbildung von Fachkräften im Electronic-Business-Bereich sehen die Unternehmen die Informatik an (80 Prozent). Das ergab eine in diesem Herbst vom Institute of Electronic Business (IEB) durchgeführte Marktforschungsstudie bei 4480 Berliner Unternehmen. Gleichzeitig sind etwa zwei Drittel der Unternehmen der Ansicht, dass auch Kenntnisse in den Kommunikationswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre wichtig für Absolventen im Electronic-Business-Bereich sind. Die aus der Sicht der Unternehmen wichtigsten Lehrinhalte sind vor allem Unternehmenskommunikation, Informationsgestaltung mit Medien sowie technische und ökonomische Aspekte des E-Business.

Die deutschen Hochschulen sind für diese Entwicklung gewappnet. So bietet die Universität Hannover E-Commerce als Wahlfach für Wirtschaftsinformatiker im Rahmen von Vorlesungen, Praktika und Seminaren an. An der Fachhochschule Rhein-Sieg betreuen die Fachbereiche Wirtschaft und Informatik gemeinsam den zum Sommersemester 2000 neu eingerichteten Studienschwerpunkt E-Commerce ­ mit den Themen Strategische Planung, Web-Design, Informationsrecht und IT-Sicherheit im E-Business. Die FH Nürtingen will schnellstmöglich einen Lehrstuhl E-Business im neuen Studiengang Ver- und Entsorgungswirtschaft einrichten. Begründung: die Globalisierung der Märkte. “Die Geschäfte finden bereits auf dem internationalen Markt statt, allein Strom wird längst über die Landesgrenzen hinweg angeboten. Mit neuen Kommunikationsmedien wie dem Internet ist die Energie- und Recyclingbranche im internationalen Handel aktiv", so der Lehrstuhl.

“Solide Kenntnisse der Wirtschaftsinformatik, ein vertieftes Verständnis für elektronische Märkte, die Fähigkeit zur Entwicklung angepasster Geschäftsmodelle, die Fähigkeit, elektronische Geschäftsprozesse zu gestalten und zu beherrschen und der Entwurf adäquater Geschäftsstrukturen" ­ all das verspricht die Fachhochschule Bochum ihren Studenten, die den zum Wintersemester 2000/2001 erstmals eingeführten Studienschwerpunkt E-Business wählen wollen. Neben speziellen Seminaren zu den Themen “Integrationsmanagement", “Prozessmanagement" sowie “Informations- und Kommunikationstechnik" stehen Fachgebiete wie Data-Mining/Data-Warehousing, Client-Server-Programmierung, Java, Netzwerkprogrammierung sowie Web-Design und Datensicherheit auf dem Programm. Eine starke Verzahnung betriebswirtschaftlicher Inhalte mit einer “soliden Ausbildung in Informatik und Wirtschaftsinformatik" hat sich auch die Universität Koblenz mit ihren taufrisch aufgelegten Studiengängen “Informations-Management" (Bachelor- und/oder Masterabschluss) auf die Fahnen geschrieben. Den inhaltlichen Schwerpunkt setzt die Uni dabei explizit auf E-Commerce, E-Finance und E-Government.

“Angewandte Informatik" mit dem Schwerpunkt “Business and Information Management" nennt sich der zum Wintersemester 2000 eingeführte Studiengang an der Universität des Saarlandes. Das neue Angebot “ist eine auf betriebliche Anwendungen zugeschnittene Spezialisierung des Informatikstudiums, die relevante Inhalte der Informatik und ihrer mathematischen Grundlagen sowie der Wirtschaftswissenschaft in aufeinander abgestimmter Form umfasst", so die Kurzbeschreibung der Uni. Nach erfolgreichem Abschluss haben die Absolventen ihren Diplom-Informatiker in der Tasche. Auf einen bereits vorhandenen Hochschulabschluss bauen die jeweils zu diesem Wintersemester erstmals angebotenen Master-Studiengänge der Fachhochschule Fulda und der Universität Augsburg auf. Die Entwicklung von E-Business-Systemen, Online-Marketing, elektronischer Zahlungsverkehr, die Modellierung von Geschäftsprozessen sowie der Einsatz von Enterprise-Resource-Planning-Systemen für den Business-to-Business-Bereich stehen im Mittelpunkt des Fuldaer Master-Studiengangs “Electronic Business".

“Der Verzicht auf E-Business bedeutet mittelfristig die Gefahr des ,Out of business´ ", nennt Karim Khakzar, Professor am Fachbereich für Angewandte Informatik, den Grund, warum die FH jetzt das Thema aufgegriffen hat. Der neue Augsburger Master-Studiengang nennt sich “Master of Science in Financial Management and Electronic Commerce" und kann in ein bis zwei Jahren absolviert werden. Kernpunkt der Ausbildung: die innerbetrieblichen wie auch die Schnittstellen zwischen Unternehmen und Märkten (Business-to-Consumer und Business-to-Business) zu analysieren und Potenziale, die sich durch die Entwicklung und Nutzung von E-Commerce-Lösungen ergeben, zu erkennen und auszuschöpfen.

Den Aufbau einer umfassenden universitären Electronic-Business-Ausbildung hat die Hochschule der Künste (HdK) in Berlin in Kooperation mit dem Institute of Electronic Business (IEB) in Angriff genommen. Seit diesem Wintersemester bietet die HdK in einer ersten Stufe als Hauptstudienfach E-Business an. Teilnehmen können Studierende, die ein Vordiplom der Studiengänge Mediengestaltung, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (GWK), BWL, Informatik, Wirtschaftingenieurwesen oder Wirtschaftsinformatik vorweisen können. Studieninhalte sind unter anderem Mediengestaltung, Kommunikationsplanung und -Management, E-Business, Business Literacy und Technical Literacy. Nach erfolgreichem Abschluss können sich die Teilnehmer mit dem Diplom “Designer Electronic Business" schmücken. Darüber hinaus wollen HdK und IEB bereits in einem Jahr einen gleichnamigen MBA-Studiengang gemeinsam mit renommierten internationalen Universitäten aus der Taufe heben. Wer teilnehmen will, muss ein Diplom und mindestens drei Jahre Berufserfahrung mitbringen.

Glaubt man den Umfragen des IEB, dann warten rosige Zeiten auf die Absolventen dieser Studiengänge ­ vor allem wenn sie interdisziplinär angelegt sind. “Da gerade im E-Business die Bedürfnisse des Nutzers im Vordergrund stehen, sind neue Möglichkeiten der interdisziplinären Arbeit und somit neue Qualifikationsprofile von Mitarbeitern in den Unternehmen gefragt. Gestaltung neuer Medien, Didaktik, Kommunikation und Themen der Ergonomie werden immer wichtiger. Es wächst ein zunehmender Bedarf an Kommunikations-Architekten, Designern, Lern-Managern und Informations-Brokern heran." Der Bedarf an E-Business-Experten ist jedoch abhängig vom Nutzungsgrad des Internet durch die Unternehmen. “Je fortgeschrittener ein Unternehmen das Internet nutzt (Online-Verkauf, B-to-B-Integration), desto höher ist die Bereitschaft, in die Mitarbeiterqualifikation zu investieren", so das IEB.