Filmindustrie fürchtet Ansturm der Filmpiraten

DVD-Verschlüsselung ist geknackt

12.11.1999
MÜNCHEN (CW) - Norwegische Hacker haben den Verschlüsselungscode für Digital Versatile Disks (DVDs) geknackt. Das bereits durch das Internet geisternde Programm "DeCSS" enthält die notwendige Verschlüsselungssoftware und Suchroutinen, mit denen sich DVD-Daten im World Wide Web aufspüren lassen.

Jeder DVD-Player besitzt einen eigenen Entschlüsselungs-Key. Entsprechend liefern die DVD-Hersteller jede Scheibe mit etwa 400 Schlüsseln aus, damit sich die Daten auf allen Abspielgeräten lesen lassen. Die Fabrikanten von Hardware- oder Software-DVD-Playern chiffrieren wiederum ihre Entschlüsselungsdaten, um diese vor Hackern zu schützen.

Nun hat jedoch der Softwarehersteller Xing Technologies, eine Tochterfirma von Real Networks, geschlampt. Das Unternehmen hat vergessen, seinen Abspielschlüssel mit einem Code zu sichern. Dieses Versäumnis führte drei Hacker aus Norwegen auf die Spur weiterer Codes. Die Verantwortlichen bei Real Networks wollten den Vorgang bislang nicht kommentieren. "Wir schauen uns die Sache an", lautete eine erste lapidare Stellungnahme.

Mit dem Programm DeCSS der norwegischen Hacker lassen sich Kopien von DVD-Daten auf die Festplatte oder andere Speichermedien übertragen. Einziger Wermutstropfen: Zusätzliche Funktionen wie zum Beispiel Ton in mehreren Sprachen gehen dabei verloren.

DVD-Industrie als Branche ohne Gesetze?Die Filmindustrie steht wegen der geknackten Schlüssel vor einem ernsten Problem, gibt Sony-Sprecher Rick Clancy zu. Nachdem die regionale Codierung der Medien teilweise schon nicht mehr funktioniert, muß die Industrie nun auch noch mit einer Flut von illegalen Kopien auf dem Markt rechnen.

Über die regionale Codierung der Medien konnte die Industrie den Vertrieb ihrer Filme zeitlich steuern. Allerdings verzichten mittlerweile einige DVD-Produzenten auf diese Codierung, und auch viele Hardwarehersteller integrierten mehrere Entschlüsselungscodes in ihre Geräte, so daß Medien regional unabhängig abgespielt werden konnten.

Nach Ansicht von Branchenkennern hält sich der Schaden für die DVD-Industrie trotz allem in Grenzen. Für den Heimanwender sind DVD-Kopien vorerst noch uninteressant, glaubt Erik Corrigan, President der 12Cm Multimedia Corp. Ein DVD-Film besteht aus etwa 5 GB Daten. Wenn man nun diese Datenmenge komprimiert, um sie auf einer herkömmlichen CD unterzubringen, geht einiges an Qualität verloren. Und DVD-Rekorder sind für den Massenmarkt noch zu teuer. Gefahr besteht allerdings dann, wenn Piraten das Geschäft mit den illegalen Kopien professionell aufziehen. Außerdem ist zu erwarten, daß auch die Preise für DVD-Rekorder sinken werden.

Andere Insider mutmaßen jedoch, daß die Hardwarehersteller sogar einen Vorteil aus dem geknackten DVD-Code ziehen könnten. Durch die Filmpiraterie könnte der Markt für DVD-Player einen kräftigen Schub erhalten - und das idealerweise kurz vor dem Weihnachtsgeschäft.