DVC-Chef Werner Schauerte: "Im Bärenmarkt ist gut zu investieren"

01.10.2001
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Wagniskapital-Finanzierung scheint inzwischen ein Geschäft zu sein, bei dem der Schwerpunkt auf dem Wort Wagnis liegt. Die Pleiten und Katastrophenmeldungen der am Neuen Markt notierten Unternehmen haben die VC-Branche in eine Krise gestürzt. Die COMPUTERWOCHE wollte von Werner Schauerte, Geschäftsführer der Deutschen Venture Capital (DVC), wissen, wie es um die Branche steht.

  

Dr. Werner Schauerte, Geschäftsführer der Deutschen Venture Capital (DVC).

 

CW: Bei der Beurteilung von Internet-Firmen hatten während der Boomphase vermeintlich altmodische Bewertungskriterien wie Ertragsorientierung und gesundes Wachstum völlig ausgedient, was zur totalen Überhitzung führte. Die Kurse verloren jeden Bezug zur Realität. Wie beurteilen Sie die derzeitige Börsenschwäche in Bezug auf Ihre Branche?

Schauerte: Derzeit gibt es einen Ausleseprozess: Startups aus dem Internet/E-Commerce Bereich sind kaum noch weiterzufinanzieren. Das gilt besonders für Geschäftsmodelle, die sich als nicht tragfähig erwiesen haben, zum Beispiel werbefinanzierte Portale. Allerdings wurden auch gut positionierte Firmen mit in diesen Abwärtssog gerissen, weil ihre alten VC-Investoren häufig kein Geld mehr haben oder auf den Reserven sitzen, und neue Finanziers sehr selektiv, vorsichtig und langsam vorgehen. Trotzdem denke ich, dass sich im Moment zaghafte Aufbruchstimmung breit macht. Der Kursverfall der Aktien hat auch die Einstiegspreise für Unternehmensbeteiligungen sinken lassen. Im Bärenmarkt ist gut investieren. Und es ist nach wie vor sehr viel Geld zum Investieren da.

CW: In Deutschland beschäftigen sich derzeit rund 300 VC-Firmen mit der Finanzierung junger, wachstumsträchtiger Unternehmen. Erwarten Sie hier jetzt einen Auslesprozess? Schauerte: Es wird zu einer Konsolidierung der Branche kommen. Vor allem VC-Gesellschaften, die erst seit zwei oder drei Jahren am Markt operieren und noch keine substanziellen Fonds aufgelegt haben oder bereits das ganze Geld investiert haben, haben es derzeit schwer. Durch die Dauerkrise am Neuen Markt ist der Beteiligungsverkauf über den Börsengang nahezu unmöglich geworden oder zumindest in weite Ferne gerückt. Daher fehlt für neue Beteiligungen das Geld. Wir bekommen inzwischen jede Woche mindestens ein Angebot eines Wettbewerbers auf den Tisch, der von uns übernommen werden möchte oder uns sein Portfolio anbietet.

CW: Welche Anforderungen werden heute an ein VC-Unternehmen gestellt?

Schauerte: Wagnisfinanzierung bedeutet heute viel mehr als nur Geld zur Verfügung zu stellen. Ein Kapitalgeber braucht Know-how. Ohne ausreichende Kenntnisse vom Markt ist es kaum möglich, das Geschäftsmodell und die dahinter steckende Technik zu beurteilen. Weiter muss er gewillt sein, sich aktiv um die jungen Firmen kümmern. Hier gibt es einigen Nachholbedarf. Das Geschäft für kommende Märkte ist so schnell, dass in allen Bereichen Support notwendig ist, auch bei Organisation und Management eines schnell wachsenden Unternehmens.

CW: Kann das nicht schnell als Gängelei missverstanden werden?

Schauerte: Mit Gängelei hat das nichts zu tun. Man muss einfach die Gefahr eines "Cash burning" bannen - keiner möchte, dass Geld verbrannt wird. Gleichzeitig können wir für Firmengründer viele Türen öffnen als VC-Gesellschaft mit guten Kontakten. Im Idealfall läuft dann alles im Konsens zwischen den Gründern und uns im Hintergrund. Schließlich haben wir ja auch das gleiche Ziel - die Firma will Geld verdienen und wir als Investor ebenfalls.

CW: Wagniskapital-Unternehmen bekommen jährlich immer noch etwa 2000 Beteiligungsangebote auf den Tisch. Im Schnitt bleiben etwa 15 übrig, in die der Fonds investiert. Wie finden Sie die Nadel im Heuhaufen? Schauerte: Einen ersten Eindruck verschaffen wir uns über den Business-Plan, den uns die Firmen zusenden. Unsere Kunst ist es nun, jene heraus zu filtern, welche die besten Chancen auf dem Markt haben. Erst dann laden wir die Firmen zu uns zum Gespräch ein und lassen sie ihre Geschäftsidee präsentieren.

CW: Worauf kommt es bei einem solchen Gespräch an?

Schauerte: Wir setzen einen strengen Kriterienkatalog ein, dessen Dreh- und Angelpunkt ein definierter Kundennutzen nach dem Motto: "schneller, besser, billiger" ist. So muss es neben einem wirklich neuen Geschäftsmodell, einer innovativen technologischen Basis und einem exzellenten Management-Team vor allem ein hinreichend großes Marktsegment geben, in dem das Unternehmen Marktführer werden kann. Weiter muss die Kraft vorhanden sein, eine Marke aufzubauen und auch genügend Know-how, um auch laufend innovativen Content liefern zu können. Die Auswertung des Kriterienkatalogs liefert uns ein umfassendes Bild des Unternehmens. Entscheidend aber ist, das die Personen uns überzeugen, denn sie müssen die ambitionierten Pläne in die Wirklichkeit umsetzen.

CW: Die Firmen wollen oft neben Geld eine Art Unternehmensberatung von den Risikokapitalgebern...

Schauerte: .. das ist auch gut so. Wie schon gesagt, nicht die Bewertung einer Neugründung ist entscheidend, sondern das Gesamtpaket. Als VCs bringen wir unsere Klienten nämlich meist in ein Netzwerk von Kontakten ein. Für manche Unternehmen suchen wir sogar Vorstands- oder Finanzchefs. Heute retten viele Wagnisfinanzierer ihre konkursbedrohten Portfolio-Unternehmen, die auf Grund der Börsenschwäche keine Anschlussfinanzierung mehr erhalten, nur durch die Verschmelzung oder den Verkauf.