Münchner Modellprojekt vermittelt Informatik-Know-how:

DV-Zusatzausbildung für arbeitslose Ärzte

23.06.1989

MÜNCHEN(CW) - Eine positive Zwischenbilanz für die ärztliche Zusatzausbildung "Medizinische Informatik" zogen die Initiatoren des sogenannten "Münchner Modells". Trotz der nutzbringenden Aufgaben informatikkundiger Ärzte herrscht indes noch Skepsis. ob die Mediziner tatsächlich einen adäquaten Job finden.

Im März dieses Jahres startete das von den Medizinern. "Münchner Modell" genannte Projekt. Es sollte ein Weiterbildungskonzept für die immer noch steigende Zahl arbeitsloser, meist junger, Ärzte sein. Den 18monatigen, vom Arbeitsamt geförderten, Lehrgang "Medizinische Informatik" bietet das Münchner Ausbildungsinstitut ISP Data GmbH in Abstimmung mit der Bayerischen Landesärztekammer (siehe CW Nr. 11, Seite 114)an.

Ein Vierteljahr nach Projektbeginn zogen Initiatoren und Teilnehmer des Projektes eine positive Zwischenbilanz. Offen mußte indes bleiben, welche Effekte auf den Arbeitsmarkt durch die Bildungsmaßnahme letztlich zu erwarten sind. Im Blick darauf ist die derzeitige Lage der Jungmediziner wie auch ihre mittel- und langfristige Zukunft nämlich mehr als besorgniserregend: 8600 Ärztinnen und Ärzte, berichtete ISP-Data-Ceschäftsführer Klaus Pientka, sind momentan bei der Bundesanstalt für Arbeit arbeitslos gemeldet, die Dunkelziffer ist nach Schätzung von Fachleuten fast ebenso hoch. Allein für den Bereich des Arbeitsamts München gab Fachvermittlungs-Abschnittsleiter Hans-Christian Guhde die Zahl der als arbeitslos registrierten Mediziner mit 460 an, etwa 350 davon sind bereits langer arbeitslos.

Enzo Amarotico, Geschäftsführender Arzt der Bayerischen Landesärztekammer, bezeichnete die "Medizinische Informatik" als eine für den Arzt. sehr hochwertige Zusatzbezeichnung", da die DV im klinischen Bereich inzwischen einen festen Platz habe. Dies und die Tatsache, daß erstklassige Ausbildungskapazitäten auf dem DV-Sektor nicht beliebig verfügbar sind, hatten die Ärztekammer veranlaßt, erstmals mit einem externen Institut zusammenzuarbeiten. Amarotico ließ indes keinen Zweifel daran, daß er, gemessen an der Arbeitsmarktlage, das "Münchner Modell" als Tropfen auf den heißen Stein betrachte.

Richard Spitz, Sprecher der 22 Teilnehmer des Projektes, unterstrich, er und seine Kollegen seien im Rückblick auf die ersten Lehrgangswochen weiterhin der Überzeugung, sich mit der Zusatzausbildung "Medizinische Informatik" auf dem richtigen Weg zu befinden. Beim Computereinsatz im Krankenhaus gehe es schließlich nicht darum, mit einer Maschine zu arbeiten, die den Arzt vom Patienten fernhalte. Vielmehr fungiere der medizinische Informatiker als Schnittstelle zwischen Arzt und Computer. Der Arzt erhalte so alle benötigten Informationen schnell und präzise und werde dadurch nachhaltig entlastet. Diese Schnittstellenfunktion könne nur ein Mediziner, aber kein Informatiker übernehmen. Nur so könne sichergestellt werden, daß die Beteiligten nicht aneinander vorbeireden.

Trotz des positiven Ansatzes zum Abbau der Ärztearbeitslosigkeit durch das "Münchener Modell" herrscht indes weiterhin Unsicherheit über künftige konkrete Stellenangebote. Gesundheitsreferent Thomas Zimmermann versprach des halb: "Ich werde meinen Einfluß geltend machen, damit aus den derzeit vier Informatikarzt-Halbtagsstellen an Münchner Krankenhäusern vier Vollzeitstellen werden".

Mehr Krankenhausärzte werden künftig die Zusatzbezeichnung "Medizinische Informatik" führen können, doch trotz des Bedarfs wird die Zahl der Klinik Planstellen nicht erheblich wachsen. Auch bei der Bereitschaft zu rein informatikorientierten Tätigkeiten in der Klinikverwaltung oder bei Gesundheitsbehörden sind beschäftigungsmäßig keine Wunder zu erwarten. Recht vage sind daher die Hoffnungen der Teilnehmer am "Münchner Modell", wenigstens die Hälfte ihrer Arbeitszeit ärztlich tätig zu sein. Spitz und seine "Kommilitonen" müssen vielmehr potentielle Arbeitsplätze in Industrie und Forschung ins Auge fassen.