Von Stagnationserscheinungen wenig zu spüren:

DV vor Hannover verhalten optimistisch

27.03.1981

MÜNCHEN - Das Getümmel im CeBIT wird offenbar selbst der Deutschen Messe- und Ausstellungs AG, Hannover, zu groß. Seit Jahren versucht sie, über hohe Eintrittspreise den Messebesuch für das Nicht-Fachpublikum zu einer echten Investition zu machen. Nicht getrennt sind DV-Exponate, die sich an den OEM-Markt - sprich: an Wiederverkäufer - wenden, vom Angebot für Endanwender. "Wer sich nicht ausreichend auf seinen Messebesuch vorbereitet, geht verloren", urteilt Willi Kister, Geschäftsführer der Digital Equipment, München, gelassen.

Das Problem, mehr Struktur in das CeBIT-Angebot zu bringen, berührt Kister nach eigenen Aussagen überhaupt nicht. Immerhin gäbe es Wegweiser, die jedem, der sich um eine Entscheidungsfindung bemühe, die Übersicht erleichterten. Horst Henn, Sprecher der Philips Data GmbH, Geschäftsbereich Bürotechnik in Siegen, würde eine Trennung der beiden Bereiche OEM-Kunden und Erstanwender befürworten: "Meine Kollegen aus dem OEM-Bereich dürften allerdings gegenteiliger Meinung sein." Gerade die Aussteller selbst würden das OEM-Angebot ihrer Mitbewerber oder möglichen Lieferanten gern bequem aus der Nähe betrachten Sie und die Software-Häuser hätten durch Vermischung beider Ausstellergruppen besseren Zugang zu den Bereichen, die sie interessierten.

Andererseits, und in diese Richtung gehen auch die Bemühungen der Messegesellschaft, wäre durch eine Abtrennung das Getümmel weniger groß. "Mir tut der Besucher leid, der eine bestimmte Applikation sucht", bedauert Messe-Hase Henn, der immerhin schon zwanzigmal in Hannover dabei war. "Wenn man die Computer nach Farben auswählen könnte, brauchte man nur mal hinzugucken".

Die Zielgruppe ist in Hannover anwesend, ob sich die Aussteller nun das Top-Management oder die DV-Profis als Projektträger vorstellen. "Hier sind die Wege kürzer", faßt Kister die Gründe zusammen, mit denen DEC die Reise nach Hannover rechtfertigt. Immerhin kostet der Quadratmeter heuer fünf Mark mehr als im Vorjahr, und auch für die kommenden vier Jahre hat die Messeleitung - trotz drastischer Preiserhöhung - den Ausstellerzustrom nicht eindämmen können.

"Im Gegensatz zu anderen Branchen sind die CeBIT-Verbände vergleichsweise wenig pessimistisch was die wirtschaftliche Entwicklung angeht", schätzt ein Messesprecher das Verhalten der Mieter ein. Ihm sind keine großen DV-Unternehmen aufgefallen, die nicht mehr erscheinen. DEC spricht sowohl Endabnehmer als auch große EDV-Kunden an, die selbst auf der Ausstellerliste stehen. "Der Weg zum nächsten Messestand ist kürzer als etwa die Reise nach Mannheim", erklärt der Sprecher.

Um die Zielgruppe aus dem Top-Management anzusprechen, startete die ICL Deutschland nach den Worten eines Sprechers eine großangelegte Einlade-Aktion. Mit einem Messeaufwand, der weit über einer Viertel Million Mark liegt, hofft das Unternehmen die Gruppe, die über den Einsatz der vorgestellten Branchenprogramme entscheidet, auch tatsächlich zu erreichen .

Auch Hewlett-Packard läßt sich zur Messe nicht lumpen, um so viel neue Kontakte wie möglich zu knüpfen. Nach Ansicht der Böblinger zahlt sich keine Veranstaltung so aus wie die Hannover-Messe. Das Unternehmen gibt volle Power: Mehr als 100 Mitarbeiter seien ständig am Stand anwesend .

Die ADV-Orga F. A. Meyer GmbH geht als Software-Haus im Vergleich zu den Hardware-Anbietern finanziell in kleinem Maßstab nach Hannover. "Am meisten ins Gewicht fallen die Ausfallzeiten der Leute, die während der Messe den Stand betreuen", meint Markting-Leiter Dirk Lippold. Insgesamt rechnet er mit Ausgaben, die beträchtlich über

50 000 Mark liegen.

Die Kontakte zielen auf den Leiter der Datenverarbeitung und die Unternehmensleitung. "Die Erfahrung zeigt, daß die Messeteilnahme für uns sinnvoll ist. Laut Auswertungen von Messegesprächen stieg die Anzahl und die Qualität der Besucher, gemessen an ihrer Entscheidungs- und Beratungsfunktion im Entscheidungsprozeß." Das Sehpublikum reduzierte sich. Im Vergleich zu früher, als die Beratung noch auf dem Dach des Messegebäudes stattfand, sei es allerdings mehr geworden.

Wenig Neuigkeiten seitens der Anbieter erwartet Waldemar B. Melzer von der CPT Textcomputer Vertriebs GmbH, Köln. Konsequenzen ergeben sich daraus für Melzer nicht: "Man kommt nicht vorbei an Hannover," meint er. Nur wenn die Entwicklung technisch oder organisatorisch stagnierte und die Nachfrage zu wünschen übrig ließe, werde man sehr schnell messemüde. Die Branche, auf die die Stagnationserscheinungen nicht zuträfen, brauche Hannover.

Die Gier Electronics, auf die ein Heimspiel zukommt, richtet in Hannover den Blick aufs "Integrierte Büro", in dem Datenverarbeitung mit Textverarbeitung zusammenlaufen. Zwar koste die Vertiefung, die mit etwa 30 Mann am Stand und drei bis 400 000 Mark betrieben wird, einiges Geld, doch wird die Veranstaltung nach Worten von Product Manager Max Schell auch genutzt, damit Vertriebsdirektoren und Vertriebsbeauftragte den Kontakt zum Markt behalten: "Im Moment noch lohnen sich die Ausgaben. Viele Leute sagen allerdings, daß sie nicht mehr kommen wollen. Sie halten die Messe für nicht mehr überschaubar."

"Keine Firma kann es sich mehr erlauben mit nicht funktionierenden Maschinen oder Programmen nach Hannover anzureisen", tritt ein Sprecher aus der Branche Gerüchten von halbvollendeter Software entgegen. Die Unternehmen sind nach Ansicht von Kister zu gut gemanagt, viel zu viel kundiges Fachpublikum tritt in Hannover auf, als daß "ein DV-Anbieter es wagen könnte, die Öffentlichkeit zu täuschen".