Der reine Informatiker ist weniger gefragt

DV-Unternehmen suchen den anwenderorientierten Guru

27.03.1992

HANNOVER (hk) - Vom Techniker zum Dienstleister - so könnte man den Trend auf dem Stellenmarkt für Informatiker charakterisieren. Diese Entwicklung hat zur Folge - so das Ergebnis einer auf der CeBIT vorgestellten Stellenmarktuntersuchung -, daß die Unternehmen andere Anforderungen an den zukünftigen DV-Profi stellen als noch vor einigen Jahren.

Das Auswertungsergebnis nach Branchen über einen Zeitraum von drei Jahren zeigt deutlich, in welche Richtung für den Informatiker der Zug geht: weg von den klassischen Einsatzgebieten in der Elektronikindustrie - womit auch die Hardwarehersteller gemeint sind - hin zu Beratung und Dienstleistung. Die SCS-Personalberatung wertete DV-Stellenanzeigen aus 19 Tageszeitungen aus. Demnach ist im Zeitraum 1989 bis 1991 der Anteil der Anzeigen aus der Elektrotechnik von gut 40 Prozent auf 30 Prozent zurückgegangen. Rückgänge verzeichnet aber auch der Fahrzeug- und der Maschinenbau. Dagegen sind die Beratungsunternehmen sowie die Finanzdienstleister, aber auch der Handel verstärkt auf der Pirsch nach qualifiziertem DV-Personal.

Auch wenn man die Nachfrage nach DV-Profis unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Fachbereiche betrachtet, zeichnet sich eine interessante Entwicklung ab. Zwar bleibt die Org./DV-Abteilung weiterhin die Heimat des Informatikers, allerdings suchte diese viel weniger Personal als noch vor drei Jahren - die Nachfrage ging von 65 Prozent auf 45 Prozent zurück. Dagegen melden andere Fachbereiche großen Bedarf an DV-Spezialisten an, etwa Marketing, Vertrieb und Betriebswirtschaft.

Zu dieser Entwicklung paßt ein weiterer Trend. Der Informatiker ist nicht mehr unumschränkter Herrscher in seinem Revier. Die Stellenauswertung zeigt, daß die Unternehmen fremdgehen und gerne auch Studenten anderer Fachrichtungen einstellen. Zwar sind ihnen die Informatiker noch immer am liebsten, allerdings mit stark rückgängiger Tendenz - im Kommen sind dagegen die Wirtschaftswissenschaftler.

Es kann also kaum verwundern, wenn in diesem Zusammenhang Helmut Hofstetter auf dem Karrierezentrum der CW selbstkritisch anmerkt, daß er die falschen Mitarbeiter habe. Das hänge damit zusammen, so der Personalfachmann von Digital Equipment, daß sich die Aufgaben des Informatikers im Laufe der letzten Jahre stark verändert hätten. Der Computerexperte habe kaum noch mit der Technik zu tun, wie das früher der Fall war. "Wir suchen den Guru, den Mitarbeiter, der in komplexen Zusammenhängen denken kann und in der Lage ist, dem Anwender eine Lösung anzubieten." Deshalb sei es für DEC jetzt wichtig geworden, die Kandidaten im Umfeld der Anwender zu suchen, "damit unser Mitarbeiter auf Anhieb die Sprache seines Gegenübers versteht", meint der Münchner Personal-Manager.