Die Unabhängigkeit der USL hält sich In engen Grenzen

DV-Unternehmen investieren in die Unix-Tochter von AT&T

12.04.1991

FRANKFURT (gfh) - Zwei Jahre nach Bekanntgabe seiner Verkaufsabsichten hat der Telefonriese AT&T Investoren für die Unix Software Laboratories (USL) gefunden. Elf Unternehmen - fast alle Mitglieder der AT&T-nahen Unix International (UI) - haben Minderheitsbeteiligungen in einer Gesamthöhe von insgesamt etwa 22 Prozent erworben. Weitere zehn Prozent worden für die Mitarbeiter reserviert.

Über die Höhe der einzelnen Beteiligungen hüllt sich Joel A. Appelbaum, Executive Vice-President der USL, in Schweigen. Legt man jedoch die nicht bestätigten Schätzungen des "Wall Street Journals" zugrunde, nach denen AT&T den Wert der Unix-Company mit 325 Millionen Dollar beziffert hat, so sind insgesamt etwa 65 bis 80 Millionen Dollar investiert worden (zu den neuen Eigentumsverhältnissen siehe Kasten auf Seite 2).

Da die einzelnen Anteile auf 4,6 Prozent begrenzt waren - nicht 4,8 Prozent, wie von der englischsprachigen Presse verbreitet -, ergeben sich Investitionssummen, die nur wenig differieren. Wegen der Übernahme von ICL durch Fujitsu wurde allerdings festgelegt, daß deren gemeinsamer Anteil nicht das Limit von 4,6 Prozent überschreiten darf. Der IDC-News-Service hat darüber hinaus erfahren, daß die Japaner zusammen einen Anteil von 9,2 Prozent erworben haben.

Davon fallen jeweils 3,6 Prozent auf NEC und Fujitsu. Die beiden anderen Firmen begnügen sich mit je einem Prozent. Insgesamt ergibt sich so ein leichtes Übergewicht der fernöstlichen Investoren.

Grund für die Loslösung der Unix-Entwickler von der Konzernmutter waren die Monopolvorwürfe gegen den Unix-Besitzer AT&T. "An dieser unerfreulichen Situation haben die Beteiligungen nichts geändert", so OSF-Manager Hans Josef Jeanrond, "solange die Prozentsätze so gering bleiben, kann von einer Abgabe der Kontrolle nicht Rede sein." Gegen eine grundsätzliche Änderung der Machtverhältnisse spreche auch, daß fast alle Investoren aus den Reihen von Unix International stammen.

Die Möglichkeiten der neuen Anteilseigner halten sich jedoch in engen Grenzen. Von den neun Sitzen im Aufsichtsrat erhalten die Investoren lediglich drei, AT&T dagegen fünf, der übrige Sitz geht an den Chairman der USL. Da die Produktentwicklung wie bisher durch die "Roadmap" von Unix International gesteuert werden soll, können die Investoren mit ihren wenigen Stimmen lediglich auf das Management Einfluß nehmen.

Konkrete Vorteile versprechen sich die Investoren in ihren offiziellen Statements daher nicht. Den meisten geht es vor allem um eine Stärkung der Marktposition des Unix-V.4-Betriebssystems, wobei Novell soweit geht, es als den "eindeutigen Gewinner bei den Standard-Computerumgebungen" zu bezeichnen.

Appelbaum betont dagegen, daß USL-Beteiligungen eine Investion in eine Firma darstellten, die eine starke Position in einem rasch wachsenden Markt innehabe.

Etwa 30 Prozent Wachstum pro Jahr

Appelbaum führt Statistiken an, wonach der Verkauf von Unix-Hard- und Software bis 1994 einen Wert von 42 Milliarden Dollar erreichen soll. Vor zwei Jahren sei das Marktvolumen von Unix noch bei 13 Milliarden Dollar gelegen, bis 1995 sollen es jedoch bereits 200 Milliarden Dollar sein. Diese Entwicklung werde seinem Unternehmen, so der USL-Manager, jährliche Wachstumsraten um die 30 Prozent bescheren.

Doch dieser Boom und das USL-Monopol auf das Unix-Betriebssystem hat der AT&T-Tochter bisher relativ wenig Profit gebracht. In den ersten drei Quartalen 1990 hat die USL mit einem Umsatz von 48 Millionen Dollar laut der Wochenzeitung "The European" lediglich 600 000 Dollar Gewinn erwirtschaftet. Das Vorjahresergebnis lag auf der Basis von 59 Millionen Dollar bei 4,2 Millionen Dollar. Für das laufende Jahr spricht Appelbaum von einem moderaten Umsatzzuwachs auf knapp über 100 Millionen Dollar und geringfügigen Gewinnen.

Zu Irritationen hat geführt, daß fast alle Investoren aus den Reihen von Unix International stammen. Branchenbeobachter vermuten die Spaltung der UI-Mitglieder in zwei Klassen. Appelbaum dementiert solche Gerüchte heftig, räumt allerdings ein, daß der Einfluß derjenigen Unternehmen wachse, die sowohl im Aufsichtarat der USL als auch bei Unix International vertreten sind.

USL-Anteile sollen Mitarbeiter motivieren

Dem Vorwurf der OSF, die Ablösung von AT&T sei noch keineswegs geleistet, begegnet er mit dem Hinweis, daß die Konzernmutter öffentlich versprochen habe, sich langfristig mit einer Minderheitsbeteiligung an der USL zufriedenzugeben. Wann das geschehen soll, wußte er jedoch nicht.

Der Grund für das langsame Vorgehen von AT&T liegt nach Auskunft des USL-Managers bei der Belegschaft, die den Wechsel von einem großen Konzern zu einem vergleichsweise kleinen Software-Unternehmen erst einmal verdauen müsse. Um vor allem die hochqualifizierten Unix-Fachleute langfristig halten zu können, haben AT&T und USL beschlossen, zehn Prozent der USL-Anteile für die Mitarbeiter zu reservieren.

Die Eigentümer der Unix Software Laboratories (USL)

Der AT&T-Konzern behält 60 bis 70 Prozent der USL-Anteile, verspricht aber, langfristig seine Majorität aufzugegen. Zehn Prozent der Anteile bleiben für Mitarbeiter der USL reserviert.

Bei den neuen USL-Teilhabern handelt es sich im einzelnen um die japanischen Firmen Fujitsu (3,6 Prozent), Toshiba (1), NEC (3,6) und Oki (1), die alle vier zu den Principal Members, von UI gehören. Aus Amerika kommen die Fujitsu-Tochter Amdahl, Sun Microsystems, Motorola und Novell. Die beiden erstgenannten Unternehmen sind ebenfalls Principal Members, Novell dagegen ist nicht einmal einfaches UI-Mitglied.

Aus Europa stoßen die 80prozentige Fujitsu-Tochter ICL und der Italienische Olivetti-Konzern zu den USL-Eignern. Ein Außenseiter ist das taiwanische Institute for Information Industry (III). Die Non-profit-Organisation zur Förderung offener Systeme gehört als einzige sowohl Unix International als auch der konkurrierenden Open Software Foundation an. Die Investitionen liegen zwischen einem und 4,6 Prozent je Unternehmen.