Dienst am Kunden ist mehr als nur Wartung und Reparatur:

DV-Techniker benötigen Einfühlungsvermögen

05.12.1986

MÜNCHEN (CW) - Zufriedenheit beim Kunden erreichen DV-Anbieter nur durch gut geschultes technisches Personal. Einfühlungsvermögen ist dabei ebenso wichtig wie eine freundliche und professionelle Haltung in schwierigen Situationen. Entsprechend dieser Anforderungen hat die Burroughs Deutschland GmbH, Frankfurt, das Schulungsangebot für ihren technischen Kundendienst modifiziert.

Dienst am Kunden ist mehr als nur Wartung und Reparatur. Diese Erfahrung machen System-Hersteller in zunehmendem Maße. Der "Service after sale" wird immer häufiger zum ausschlaggebenden Faktor bei der Kaufentscheidung und stellt an die Kundendienst-Techniker ständig steigende Anforderungen. Hinzu kommt, daß die Gewinnspannen durch Hardware-Verkäufe in der letzten Zeit immer schmaler geworden sind. Die technische Entwicklung hat zudem robustere Systeme hervorgebracht, so daß die Hersteller die niedrigeren Erlöse aus Kundendienst-Verträgen durch andere Dienstleistungen kompensieren müssen. Was liegt da näher, als das Angebot an Dienstleistungen und Service zu erweitern und qualitativ aufzuwerten.

Zu dieser Einsicht gelangte auch die Frankfurter Burroughs Deutschland GmbH. Insgesamt kann die technische Abteilung für Kundendienst-Zwecke auf eine Basis von rund 100 Technikern zurückgreifen. Charakteristisch für die Produktpalette ist dabei, daß Mainframe-Kunden fast durchweg Wartungsverträge mit Burroughs abgeschlossen haben, Kunden mit mittleren und kleineren Systemen scheinbar häufiger auf ihre eigenen Wartungskünste zurückzugreifen bereit sind. Aufgrund der Streuung der unterschiedlichen Systemgrößen und Anwendergruppen werden die Techniker systemübergreifend ausgebildet, was einen hohen Trainingsaufwand verlangt. Im Steigen begriffen ist darüber hinaus der Bedarf an Schulung für den Kunden.

Neues Kundendienst-Modell soll "totalen Service" bieten

Auf Anregung der amerikanischen Muttergesellschaft hat Burroughs Deutschland- jetzt ein besonderes Kundendienst-Modell, den "Burroughs Professional Customer Service" eingeführt. Rolf Reinsch, Special Projects Manager der technischen Abteilung bei Burroughs: "Bisher haben wir unsere Leute hauptsächlich in technischer Hinsicht ausgebildet, wobei es für jedes Produkt eine Schulung gab. Aber Kundendienst bedeutet heute ja viel mehr, als nur Reparaturen an Maschinen auszuführen." Totalen Service hat Burroughs sich nun auf die Fahnen geschrieben, und damit ist neben der technischen Wartung auch das Angebot von Dienstleistungen Software- und Zubehör-Bereich gemeint: "Wenn ein Hersteller sich heute etwas nicht leisten kann, dann sind es unzufriedene Kunden", sagt Reinsch.

Trainingsprogramm besteht aus fünf Modulen

Das Schulungssystem wurde von McGraw-Hill International Training Systems entwickelt und heißt "Erfolg durch Kundendienst" (EDK). In das Trainingsprogramm werden neben den bundesdeutschen auch die knapp 20 Techniker der österreichischen Burroughs-Niederlassung einbezogen. Zielgruppen der Seminare sind zum einen die Kundendienst-Leiter, zum anderen die Kundendienst-Techniker. Entsprechend sind die Workshops auf fünf beziehungsweise vier Arbeitstage ausgelegt.

EDK ist ein Programm, das aus fünf Modulen besteht und von Video- und Audio-Material unterstützt wird. Es setzt zunächst bei der Klärung der Rolle des Technikers an: Sein professionelles Ansehen wird in der ersten Seminareinheit aufgebaut. Der nächste Schulungsschritt konzentriert sich auf Kommunikationstechniken, die bei Kundenbesuchen von großer praktischer Bedeutung sind: Zuhören, Beobachten, Fragen, Nachprüfen und Erklären sind Schwerpunkte.

Vertrauen zum Kunden gewinnen

Die Kommunikation dient der Zufriedenstellung des Kunden, und auf dieses Ziel ist die Beherrschung der Kommunikationstechnik ausgerichtet. Es gilt, Vertrauen aufzubauen,

dem Kunden zu zeigen, daß er wichtig ist, es gilt zu erkennen, welche Kundensituation Auswirkungen auf die eigene Arbeit hat und wie die Einstellung des Kunden zum Produkt, zum Störfall und zum Hersteller ist.

Weitere Module beschäftigen sich im Anschluß daran mit der Abwicklung des Kundendienstes. Sie werden im Rahmen des Trainings in vier Phasen unterteilt und beginnen mit der Schaffung eines freundlichen, höflichen Klimas, um eine professionelle Beziehung zum Kunden herzustellen. Anschließend wird mit dem Kunden dessen Problem recherchiert nachgeprüft, ob der Techniker es verstanden hat, ein Plan zur Lösung vorgeschlagen und das Einverständnis des Kunden hierfür eingeholt. Phase drei und vier bestehen aus der Ausführung des Service-Auftrags und der Beendigung des Kundenbesuchs.

Ruhe bewahren in Notsituationen

Einen besonders hohen Stellenwert nimmt die Seminareinheit ein, bei der das Verhalten des Technikers in besonders schwierigen Kundensituationen geschult wird. "Mit zunehmender Komplexität eines Systems tritt dann und wann einmal eine Störung auf, worüber sich der Kunde in der Regel auch im klaren ist. Trotzdem kann es in Notsituationen auch zu einer gespannten Atmosphäre kommen". Als allgemeine Richtlinie wird "Burroughs-Technikern nun mit auf den Weg gegeben, Einfühlungsvermögen für die Situation des Kunden zu zeigen und offen zuzugeben, daß eine schwierige Situation vorliegt. Trainiert wird auch, dabei eine freundliche und professionelle Haltung zu bewahren und auch Techniken des Beruhigens und Lenkens einzusetzen: Zuhören und die Ruhe bewahren sowie bei Bedarf Fragen stellen, um die Gründe der Verärgerung zu erfahren, stehen dabei als Verhaltensmuster im Mittelpunkt.

Aus dem McGraw-Hill-Programm "Kundenorientiertes Verkaufen" (KOV II) wurde ein Teil in das Burroughs-Kundendiensttraining integriert. Die Kundendiensttechniker lernen in diesem Programmabschnitt, ein Verkaufsgespräch kundenorientiert zu führen und Einwände angemessen zu behandeln.

Externes Schulungspersonal ist nicht erforderlich

Die Workshops werden inzwischen von Burroughs-Mitarbeitern für die Kundendienst-Techniker des Hauses geleitet, so daß kein externes Schulungspersonal erforderlich ist. Zum Trainings-Material gehören umfassende Handbücher für den Seminarleiter und den Seminarteilnehmer. Unterstützt werden die Workshops durch ein Tonband in deutscher Sprache und Video-Clips mit positiven und negativen Beispielen vom Verlauf von Kundenbesuchen. Die Ziele des Trainings werden auf unterschiedlichen Wegen angegangen: Es gibt Lesetexte für die Teilnehmer, die Flipchart-unterstützten Darbietungen des Seminarleiters sowie Gruppenübungen und Rollenspiele, die insbesondere die Abwicklung des Kundendienstes betreffen. Video- und Audioparts runden das Angebot dramaturgisch und didaktisch sinnvoll ab.

Bei Burroughs werden je Seminar neun bis zwölf Mitarbeiter geschult, die in Gruppen zu drei Personen zusammengefaßt werden. Die Lernphasen für die Seminarleiter selbst sind je nach Aufbau unterschiedlich lang. Rolf Reinsch hat an einem "Crash-Kurs" von einer Woche in Milton Keynes, England, teilgenommen, in dessen Rahmen in Zwölf-Stunden-Tagen intensiv einmal das Training selbst und gleichzeitig das Train-the-Teacher-Programm abgewickelt wurde. Ein weiterer Seminarleiter hat beide Schulungen getrennt voneinander besucht.

Die EDK-Module, in denen es um das Verkaufen von Lösungen - ganz gleich, ob Hardware, Software oder Zubehör - geht, sind Rolf Reinsch zufolge für den Vertrieb sehr wichtig. Das Training zielte zunächst darauf ab, dem Wort "Verkauf" seinen scheinbar negativen Beigeschmack zu nehmen und klarzustellen, daß jemand, der etwas kaufen möchte, einfach einem Verkäufer gegenüberstehen muß. Eine Hilfe sei für die Techniker besonders die Aufbereitung der Verkaufstaktiken durch den Hinweis auf die Motivation zum Kauf gewesen. Es sei gelungen, die Abneigung der Techniker gegen das Verkaufen schlechthin in gewissem Umfang abzubauen.

Zeitplan während des Trainings exakt einhalten

Um den Erfolg der Schulung zu erhalten, gibt es Folgetrainings: Die Kundendienstleiter oder Zonenleiter von Burroughs führen regelmäßig Kundenbesuche gemeinsam mit den Technikern durch. Das ist zwar arbeitsintensiv, erlaubt aber dem Leiter, den Überblick über die Leistungsfähigkeit seiner Techniker sowohl in der Kommunikation mit dem Kunden als auch in produktspezifischer Hinsicht zu behalten.

Das EDK-Paket von McGraw-Hill ist vollständig in deutscher Sprache gehalten und hat dadurch einen besonders hohen Akzeptanz-Erfolg erzielt. "Häufig stehen wir ja vor dem Problem, daß aus den USA kommende Schulungs-Programme entweder nur in Englisch vorliegen oder unverständlich ins Deutsche übersetzt wurden". Anwendern des Schulungspakets gibt Rolf Reinsch den Rat während des Trainings genau auf die Einhaltung des Zeitplans zu achten.