Control Data Institut fordert Schmalspur-Kurs für PS-Experten:

DV-Schule erklärt OS/2 zum Berufsstandard

29.07.1988

MÜNCHEN (ujf) - Während sich immer mehr Hersteller und Anwender skeptisch über OS/2 äußern, versucht das Münchner Control Data Institut (CDI) Einsteigern das neue Betriebssystem schmackhaft zu machen. Hochschulabsolventen und Studienabbrecher sollen Fachleute für "Standard Personalsysteme" werden. Von Unix hingegen ist bei dem "Standard"-Kurs keine Rede.

DV-kundige Leser der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) konnten über das, was da in der Verlagsbeilage "Erziehung und Unterricht" vorgestellt wurde, nur staunen: Der "EDV-Fachmann Standard Personalsysteme" sei der Beruf mit Zukunft. Die Autorin des Artikels, Christl Ziegler-Pirthauer, hatte in dem "sich entwickelnden Markt" für IBMs PS/2-Rechner eine starke Nachfrage nach "geeigneten" Fachleuten dieser neuen Spezies ausgemacht. Im ganzen Text findet sich aber kein einziger Hinweis darauf, daß die meisten PC-Experten dem MS-DOS-Nachfolgesystem bislang recht reserviert gegenüberstehen.

Was dem Leser vorenthalten wurde, war die Information, wes'Lied die Autorin singt: Ziegler-Pirthauer ist Mitarbeiterin der Öffentlichkeitsarbeit beim Control Data Institut in München. Ihr Brötchengeber offeriert, wie auch einem Inserat in derselben SZ-Beilage zu entnehmen ist, genau den Kursus, den sie in besagtem Beitrag anonymisiert beschreibt.

Die Resonanz auf dieses Ausbildungsangebot, das bereits seit Anfang des Jahres im Sortiment ist, war bisher nicht allzu groß. Obwohl die Teilnehmer schon ab 19. September in München die Schulbank drücken sollen, sind jetzt - zu Beginn der Ferienzeit - noch etliche Plätze frei. Und das, obwohl das CDI in seinem Prospekt ausdrücklich darauf hinweist, daß das Arbeitsamt das 16500 Mark teure Seminar fördert (AFG-Nummer 843/2495). CDI-Geschäftsführer Wolfgang Pflanz macht zwar kein Hehl daraus, daß das Lancieren von PR-Aufsätzen als Instrument der Verkaufsförderung langfristig geplant wird; auf die Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt habe er aber keinen Einfluß genommen.

PS/2-Kenntnisse nur in der Theorie vermittelt

Die künftigen Personalsystem-Fachfrauen und -männer, die später "zum Beispiel als Software-Entwickler in den mittlerweile von vielen Großunternehmen eingerichteten Benutzer-Service-Zentren" arbeiten sollen, werden während ihrer Ausbildung den fraglichen Computer, das PS/2 von IBM, allenfalls in den Auslagen von PC-Shops zu Gesicht bekommen. Denn als Hardware hat die Schule für ihre 15 Standorte statt dessen über 2000 Stück des Typs Z-286 bei der Zenith Data Systems GmbH in Dreieich gekauft. Dieses Modell läuft zwar auch unter OS/2, wenn's sein muß, ist aber nicht mit dem nach Herstellermeinung überflüssigen Mikrokanal ausgestattet, dessen Architektur im letzten Studienblock erklärt wird. Und auch Big Blues Softwarekonzept SAA (Zitat aus dem CDI-Katalog "1988 Vollzeit": "Mit SAA hat IBM neue Maßstäbe gesetzt. ") lernen die angehenden PS-Experten nicht aus erster Hand kennen.

Überhaupt kann der Kurs nur mit Informationen aus zweiter Hand aufwarten. Denn die Ausbildung der Trainer hat weder das Softwarehaus Microsoft übernommen, von dem OS/2 stammt, noch die IBM, Microsoft-Statthalter Christian Wedell: "Wir wollten mit dem CDI etwas machen. Aber wir konnten uns dann nicht einigen." Hardwarelieferant Zenith, ein großer Kunde der amerikanischen Microsoft-Mutter, verfüge allerdings über kompetentes Personal auf diesem Gebiet, meint der deutsche MS-Boß - Know-how-Transfer über vier Stufen also: Microsoft Corp. - Zenith Corp. - Zenith GmbH - CDI - Schüler.

So hundertprozentig sicher ist sich nicht einmal Schulleiter Wolfgang Pflanz, daß das neue Betriebssystem das Zeug zu einem echten Standard hat: "Wir wollten die Ausbildungsmaßnahme heuer zuerst einmal in München durchführen, probehalber," erzählt der CDI-Chef, und anschließend auch an anderen Orten, weil wir damals der Ansicht waren,

daß das der große Renner werden könnte und wir uns darauf umstellen müssen." Pflanz bittet um Geduld: "Aus meiner Sicht ist OS/2 ja nach wie vor nicht gerade im Sterben begriffen, sondern im Kommen, vielleicht langsamer, als alle meinen. Der Standard wird nach wie vor von IBM gesetzt." Dennoch vertrete das CDI keine Herstellerinteressen:

"Unix berücksichtigen wir gleichwertig."

Was unter gleichwertig zu verstehen ist, zeigt die Institutsbroschüre über die diesjährigen Vollzeitkurse: Das inzwischen sogar von der IBM anerkannte Betriebssystem gilt da noch als Thema für Techniker. Das Notwendige, auf das man sich laut Pflanz bei der Ausbildung beschränken muß, sieht in Business-DV-Kursen nach wie vor so aus: MVS, DOS, Cobol, CICS, PL/1. Befragt, ob Unix-Kenntnisse denn nicht notwendig seien für einen Berufseinstieg als Mikro-Software-Entwickler, antwortet Pflanz: "Das ist korrekt."

Derzeit sieht der CDI-Chef noch keine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage: "Wir bieten genau das an, was auf dem Markt gefragt ist." Aber: Wenn etwas weniger gefragt ist, bieten wir's nicht mehr an. "