DV-Probleme am Staatstheater Stuttgart beispielhaft für \Branchenverhalten: Erst massiver Druck sorgte für reellen Service

11.07.1986

STUTTGART (ch) - Nach anfänglichen Hardwareproblemen läuft die DV-Anlage im Stuttgarter Staatstheater nun zufriedenstellend. Für die Überwindung der Schwierigkeiten waren allerdings besondere Anstrengungen erforderlich.

Ab Februar dieses Jahres sollte der für die Tageskassen-Abrechnung und die Statistik des Theaters bereits seit einigen Jahren eingesetzte Rechner Kienzle 9177 zusätzlich die Aufgaben des Kartenverkaufs übernehmen. Voraussetzung war unter anderem die Verlegung von Leitungen zu den entsprechenden Terminals vom Typ 9007 an den Verkaufsschaltern. Diese Arbeiten wurden nach Spezifikationen der Computerfirma über das Stuttgarter Hochbauamt ausgeführt, wobei auch der Denkmalschutz, unter dem das Gebäude steht, eine Rolle spielte. Der Rechnerhersteller lieferte die erforderliche Hardware; dazu gehört auch ein Satz Leitungsmultiplexer. Das Programm dazu hatte das unabhängige Softwarehaus DPS geschrieben; das Paket war ebenso wie der Rechner selbst als mehrfach erprobtes Produkt keinesfalls als Prototyp zu betrachten.

Chaos durch unklare Verantwortlichkeiten

Dennoch kam es zu Problemen. Zunächst erwies sich die bisher verwendete Zentraleinheit K11 als zu schmalbrüstig und mußte gegen das leistungsfähigere Modell K12 ausgetauscht werden. Bald danach versagten die Leitungsmultiplexer mehrfach den Dienst. In den Plattenlaufwerken sorgten mehrere Headcrashes für Datenverlust. Während die Schlangen vor den Theaterkassen immer länger wurden, kam es dann zu Fehlbedienungen durch nervös gewordenes Verkaufspersonal. Der Hardware-Lieferant zeigte sich aber nicht sonderlich kooperativ.

Laut Verwaltungsdirektor Rolf Quati vom Stuttgarter Staatstheater und Klaus Dobler von der Datenzentrale Badert-Württemberg, die bei dem Projekt die Interessen des Anwenders wahrzunehmen hatten, entwickelte der Anbieter nicht das notwendige Gespür für die Probleme seines Kunden. Statt dessen versuchte er sich nach Darstellung des Anwenders aus der Pflicht zu stehlen, indem er die Software für die Fehler verantwortlich machte. Erst massiver Druck brachte die Hersteller von Hard- und Software zur Problemlösung an einen Tisch zusammen. Zudem ließ die Kundendienst-Präsenz zu wünschen übrig. Dobler drückt das so aus: "Die Firma hat, wie das häufig der Fall ist, das Ding hingestellt und ist dann verschwunden. Der Anwender mußte sehr häufig und laut rufen, damit jemand kam."

Nachdem die Pannen-Serie nicht enden wollte, mußte der Direktor der Datenzentrale in eigener Person beim Lieferanten vorstellig werden, damit dieser die Betreuung seines Kunden mit größerem Nachdruck betrieb. Danach erst besserte sich die Situation durchgreifend. Ein Austausch der gesamten Verkabelung einschließlich Multiplexer brachte Abhilfe. Resümiert Dobler: "Wenn der Druck seitens der Datenzentrale nicht so massiv geworden wäre, bin ich sicher, daß sich das noch etwas hinausgezögert hätte. Die Zusammenarbeit ist jetzt unendlich viel besser geworden. Aber die Situation ist typisch: Wenn ein Anwender nicht irgendeine Institution hat, die ihm ein bißchen helfen kann, ist er eigentlich den DV-Firmen ziemlich ausgeliefert."

Die Hardware

Kienzle 9177 mit CPU K11 (gegen K12 ausgetauscht). Speicherkapazität 1024 Kilobyte lauf 1530 Kilobyte erweitert)

Massenspeicher 1 x 105 Megabyte Festplatte, 2 x 43 Megabyte

Wechselplatten; Streamer; Diskette.

Terminals: 2 x 9007

Kommentar

In dem Maße, wie der Markt für DV-Anlagen wächst, werden neue und dementsprechend relativ unerfahrene Anwender mit den Tücken des Objekts konfrontiert. Dinge, die gestandene Profis längst nicht mehr erschüttern können, stellen gutgläubige Betreiber meist kleiner und mittlerer Anlagen vor massive Schwierigkeiten. Gemeint sind die immer wieder zu beobachtenden Diskrepanzen zwischen dem im Prospekt versprochenen und dem dann tatsächlich erbrachten Nutzen - sprich: Leistung und Verfügbarkeit - eines Computers.

Das Problem ist keinesfall auf einen einzelnen Anbieter zu beschränken. Für hier nicht namentlich erwähnte HeIsteller besteht deshalb nicht der geringste Anlaß, sich die Hände in Unschuld zu waschen.

Hat der Vertriebsbeauftragte den Abschluß in der Tasche und die Provision auf dem Konto, so ist für ihn die Sache erledigt. Der Anwender hat eine neuerworbene Datenverarbeitungsanlage im Keller und unter Umständen den Arger am Hals. Exemplarisch zeigte sich dies wieder am Beispiel der Installation beim Stuttgarter Staatstheater.

Zum Auftakt erwies sich die Zentraleinheit als der Aufgabe nicht gewachsen und mußte durch eine größere (und natürlich teurere) ersetzt werden. Das ist ein alter VB-Trick. Versprechen läßt sich auf Hochglanzprospekten alles mögliche. Man muß es nur entsprechend schwammig, aber optimistisch formulieren. Es sind dann sowie o andere, die das Versprechen einlösen müssen.

Dann nervten den Kunden unerklärliche Ausfälle in der Anlage. Hier kam der besonders üble Trick zwei zur Anwendung: Für den Hersteller der Hardware ist natürlich die Software schuld und vice versa. Diese Konstellation fordert die Kreativität eines sportlich veranlagten Vertriebsmenschen geradezu heraus, mit Einfällen zu geizen ist weder notwendig noch angebracht. Nur der Kunde verrenkt sich bei diesem Pingpong den Hals nach dem Motto: Wenn zwei sich streiten, ist der Dritte der Dumme.

Nachdem ein Abreißen der Serie nicht abzusehen war, trat der Anwender die Flucht nach vorne an und weihte im Vorwort des Mai-Theaterprogramms die leidgeprüfte Theateröffentlichkeit in seine Probleme ein. Diese Möglichkeit haben die meisten DV-Anwender nicht. Auch steht hinter den wenigsten eine Organisation mit soviel Einfluß als Großanwender wie im vorliegenden Fall. Soll heißen: Die im Dunkeln sieht man nicht.

Eine Lösung anzubieten fällt nicht leicht. Auf geduldigem Papier zugesagte Kundenunterstützung läßt sich nicht so leicht verifizieren wie die angegebenen Leistungsdaten. Den Herstellern die Notwendigkeit einer intensiven Betreuung, bei mehreren Beteiligten einer verantwortlichen Kooperation untereinander, immer wie der eindringlich ins Gebetbuch zu schreiben ist offenbar auch zuwenig. Hoffentlich trägt der befürchtete Imageverlust durch die Kommunikation unter den Anwendern dazu bei, vorbeugend die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen.