DV-Personalmarkt: Tools allein ersetzen keine Programmierer

07.09.1984

Verstärkt gefragt sind derzeit auf dem DV-Markt wieder qualifizierte Programmierer. Auch mittelfristig, so der Münchner Unternehmensberater Rolf A. Fischer, ist keine Abschwächung, sondern eher das Gegenteil zu erwarten. An dieser Tatsache könne auch das breite Angebot an modernen Software-Tools nichts ändern. Bernd Pacholschik, DV-Leiter bei der Drescher GmbH, begründet diese Entwicklung damit, daß das wachsende Informationsbedürfnis in den Betrieben zu einem Anwendungsstau führe, der nicht allein durch mehr Kapazität in der reinen Programmierung behoben werden könne. Auf eine marktpolitische Unsitte macht schließlich Anton Wurm, DV-Leiter bei Gang Nail Systeme in München, aufmerksam: Einige Programmierer bewerben sich, ohne eigentlich den Arbeitsplatz wechseln zu wollen. Ihre Absicht sei lediglich; so Wurm, mal wieder den eigenen Marktwert zu testen.

Dietrich von Alemann

Fachberater Methoden, WKFConsult Beratungsgesellschaft für Organisationsentwicklung und Informationsverarbeitung m. b. H., Berlin

Steigender Personalbedarf ist eine Folge des sich beschleunigenden Innovationszyklusses im DV-Bereich. Insellösungen und "Kellerleichen" (beispielsweise alte Einzelanwendungen in Assembler) werden immer unverträglicher mit den mittlerweile eingeführten Rahmenplänen der Unternehmen. Zudem verschlingt der Wartungsaufwand im Bereich der Altsysteme oft ... überwiegenden Teil an verfügbarer Arbeitskraft praxiserfahrener Spezialisten.

Vernetzung und Dezentralisierung von Rechnerkapazitäten haben die Komplexität der Probleme sprunghaft erhöht. Datenbankanwendungen und Dialogsysteme fassen die bisher nebeneinanderstehenden Anwendungen in komplexe Systeme zusammen.

Mit der wachsenden Mündigkeit der Nutzer hat sich auch ein Schlagwortwissen verbreitet. Hersteller, die vehement an die Anwender herangehen, können nicht selten an diese Schlagwörter anknüpfen. Dadurch entsteht, verglichen mit dem Beginn der 70er Jahre, eine nicht absehbare zusätzliche Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern.

Das ist die Situation in der ... für die Informationsverarbeitung Verantwortlichen heute stehen. Die Beschränkung auf die vorhandenen Mitarbeiterressourcen kann meines Ermessens durch zwei Maßnahmen erreicht werden: den Einsatz von Standardsoftware und/oder konsequentes Zurückgreifen auf Softwareentwicklungsmethoden. Neue Methoden und Tools, die die Softwareentwicklung rationalisieren sollen, werden leicht zur "Schrank-Ware" und beiseite gelegt, wenn ihre Handhabung inkonsequent und inadäquat erfolgt.

Ungewollter Personalbedarf entsteht insbesondere dann, wenn bei der Einführung von Softwareentwicklungsmethoden und Tools allgemeine Grundsätze vom DV-Management, beispielsweise durch den Druck des Tagesgeschäftes, vernachlässigt werden.

Allgemeine Grundsätze für die Einführung von Methoden und Tools sind:

- sorgfältige Ausbildung der Mitarbeiter,

- Förderung der Lernfähigkeit und Lernbereitschaft der Mitarbeiter und des EDV-Managements,

- kritisches Im-Griff-behalten der Akzeptanzschwelle bei der Einführung von Softwareentwicklungsmethoden und Tools,

- Konsequenz und langer Atem bei der Einführung von Softwareentwicklungsmethoden.

Wenn man weiß, daß im Durchschnitt etwa 50 bis 80 Prozent der Softwareentwicklungsressourcen in deutschen Unternehmen mit der Wartung der vorhandenen Software beschäftigt sind, so ergibt sich daraus, daß die Lösung des Konfliktes die Rationalisierung des Softwareentwicklungsprozesses ist. Wird die Frage nach dem Freisetzen an Wartung gebundener Mitarbeiter und ihr konsequenter Einsatz in der Neuentwicklung nicht konkret gestellt, beantwortet und die Lösung etwa auf dem Arbeitsmarkt gesucht, dann wird der vorhandene Konflikt mit Sicherheit verschärft.

Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Voraussetzung für den Einsatz von Standardsoftware, Softwareentwicklungsmethoden und Tools das Vorhandensein von konsistenten Rahmenplänen und Organisationsmodellen ist.

Es existiert also - abgesehen von geplantem Wachstum und nicht planbarer Fluktuation -, trotz vorhandener Methoden und Tools nicht ein realer Bedarf an Programmierern. Vielmehr besteht ein erhöhter Bedarf an fachlicher und methodischer Qualifikation des Managements im allgemeinen und der Informationsverarbeitung im speziellen.

Rolf A. Fischer

Geschäftsführender Partner, Fischer & Partner Unternehmensberater, München

Die Nachfrage der Unternehmen am Arbeitsmarkt steigt. Ein Beleg dafür: In der FAZ wurden im vierten Quartal 1983 fast doppelt soviel DV-Mitarbeiter gesucht wie im Vergleichszeitraum (FAZ-Daten März '84). Eine aktuellere und totalere Statistik würde uns diesen Trend nur verstärkt wiedergeben und eine differenziertere erkennen lassen, daß die Ersatzbeschaffungen am Arbeitsmarkt wohl eher weniger geworden sind. Mittelfristig ist keine Abschwächung zu erwarten, sondern das Gegenteil. Nach einer GMD-Studie werden die Schwerpunkte der Anwendungsentwicklung im Fertigungsbereich und in der Bürokommunikation liegen. Beides sind relativ unbedeutende Gebiete, so daß erwartet werden kann, daß hieraus weiterer Bedarf an Mitarbeitern entsteht.

Unternehmensintern gilt, daß die DV-Budgets "nicht mehr in den Himmel wachsen" und äußerste Zurückhaltung gegenüber neuen Stellen in der Datenverarbeitung vorherrscht. Gleichzeitig aber nehmen die Wünsche der Fachabteilungen nach mehr und/oder komfortablerer Software zu. Daß der Ausweg aus diesem Teufelskreis, nämlich mehr Standard-Software zu implementieren und mehr und bessere Tools bei der Softwareentwicklung einzusetzen, keinen Erfolg bringt, beweist die steigende Nachfrage nach neuen Mitarbeitern. Sie ist dann begründet, daß nur rund die Hälfte der Programmier-Kapazität für Neuentwicklungen verfügbar ist, während die übrigen Mitarbeiter Wartungsaufgaben wahrnehmen. Zum anderen gilt, daß die kurzfristige Realisierung der Anwenderwünsche und mittelfristig die Softwareplanung mehr Kapazität erfordert als Standard-Software und Tools freisetzen können.

Welche Maßnahmen sind erforderlich, um neue Mitarbeiter rekrutieren zu können? Es geht für die einzelne Firma darum, möglichst rasch ein Maßnahmenbündel zu realisieren, denn makroökonomisch bleibt der Engpaß Arbeitsmarkt bestehen. Viele Unternehmen haben noch nicht akzeptiert, daß sich die Präferenzskala der Bewerber bei einem Stellenwechsel verändert hat. Was noch vor nicht langer Zeit das Gehalt war, ist heute die wirtschaftliche Zukunft - und damit das Image - des zukünftigen Arbeitgebers. Unternehmen in Wachstumsbranchen und solche aus anderen Bereichen, die den Arbeitsmarkt, den einzelnen Bewerber und den Mitarbeiter in der Vergangenheit gepflegt haben, sind im Vorteil. Zweite Priorität haben die persönlichen Entwicklungschancen und erst an dritter Stelle rangiert das Gehalt. Außerdem gilt immer noch, "handgeschnitzte" Mitarbeiter sind weiterhin nicht zu haben. Die Bewerber spüren auch, wenn sie, gemessen am Ideal, nur aus Verlegenheit hingenommen werden.

Singuläre Maßnahmen können nur ab und an Erfolg haben. Notwendig ist vielmehr eine Strategie, die sowohl den Arbeitsmarkt als auch die eigenen Mitarbeiter einschließt:

- kurzfristig: Die Beschäftigung von Freiberuflern, Softwarehäusern und die gezielte Suche nach Mitarbeitern.

- mittelfristig: Schulung der Mitarbeiter für bestimmte Aufgaben, herkömmliche Suche mit Personalanzeigen, die allerdings professionell gestaltet und abgewickelt werden müssen.

- langfristig: Konzeption und Realisierung einer Personalentwicklung, die den zukünftigen Personalbedarf aufgabenbezogen deckungsgleich mit dem Entwicklungspotential der Mitarbeiter zu bringen versucht.

Bernd Pacholschik

DV-Leiter O T Drescher GmbH, Rutesheim

Der Engpaß, geeignete Mitarbeiter für DV-Organisation und Programmierung zu finden, wird immer größer. Dabei ist das Angebot an umgeschulten, sachfremden Programmierern ohne Erfahrung groß. Außerdem bieten viele Softwarehäuser gute Hilfsmittel zur Programmerstellung an. In der reinen Programmerstellung sind aber nicht die Probleme zu suchen. Durch das wachsende Informationsbedürfnis in den Betrieben entsteht ein Anwendungsrückstau, der nicht durch mehr Kapazität in der reinen Programmierung behoben werden kann.

Vor der Programmierung sind die Ist-Aufnahme und das Soll-Konzept zu entwickeln. Dazu sind erfahrene Mitarbeiter notwendig, die die Fähigkeiten haben, Arbeitsabläufe und organisatorische Zusammenhänge zu erkennen, zu beurteilen, zu verbessern und zu rationalisieren. Ebenso die Einführung der neuen DV-Aufgaben, die Dokumentation, das Erstellen von Organisationshandbüchern und die anschließende Betreuung der Fachabteilungen setzen betriebswirtschaftliches Wissen, schnelle Auffassungsgabe und systematische, exakte Arbeit voraus.

Die reine Programmerstellung ist heute mit den vorhandenen Tools kein großes Problem mehr, obwohl sie immer noch den größeren Teil der Zeit eines DV-Projekts in Anspruch nimmt. Wir brauchen also weiterhin Mitarbeiter, die bereits Erfahrungen in den Betrieben und eine solide DV-Ausbildung hinter sich haben.

Dabei kommt es nicht darauf an, viele Programmiersprachen zu kennen, sondern DV-Organisation und Programmierung mit einer Sprache zu beherrschen.

Anton Wurm

Gang Nail Systeme, München

Um einen geeigneten Bewerber für eine Position als Programmierer und Softwareentwickler auf dem Gebiet Bauingenieurwesen und Baustatik zu finden, mußten wir die Stellenausschreibung mehrmals durchführen. Unsere Hauptforderung an den neuen Mitarbeiter war, daß er über praktische Erfahrung mit grafischer Datenverarbeitung verfügen sollte.

Wir stellten dabei fest, daß viele Bewerber nicht unserer Zielgruppe entsprachen. Zum einen gab es das Problem der fehlenden Berufserfahrung. Viele Bewerber hatten ein naturwissenschaftliches Studium abgeschlossen und wollten nun über den Nachweis eines erfolgreich beendeten DV-Lehrgangs in die Programmierung einsteigen. Bisher verfügten sie jedoch über keine praktische Erfahrung.

Andere Interessenten wiederum hatten zuvor ausschließlich in der Textverarbeitung gearbeitet. Ihre Aufgaben umfaßten in erster Linie Text-Editor-Programme, Datenverwaltung, Buchhaltung und die Instandhaltung von bestehenden Programmen, nicht aber technisch-mathematische Problemstellungen.

Auch die mangelnde Qualifikation der Bewerber machte uns zu schaffen. Es bewarben sich Leute, die während ihrer Ausbildung oder durch ihr Hobby DV-Wissen erworben hatten. Ihre Kenntnisse waren aber nicht ausreichend, um in Eigenverantwortlichkeit ein komplexes Plotprogramm zu erstellen.

Auf dem Softwaremarkt gibt es viele Bewerber aus den verschiedenen Berufssparten, die in die Programmierung drängen. Doch qualifizierte Interessenten, die die Voraussetzung mitbringen, Programmpakete für spezielle technische Gebiete zu konzipieren, sind nicht zu oft darunter vertreten. Diese Situation wird von einigen Programmierern ausgenutzt, die sich bewerben, ohne unbedingt den Arbeitsplatz wechseln zu wollen, sondern nur um ihren Marktwert zu testen.