DV-Personalmarkt '81: Wird das Spezialistenloch gestopft

09.01.1981

Die Personalsituation in der Datenverarbeitung wird nach Ansicht von Eugen Nuding 1981 ebenso angespannt sein wie im vergangenen Jahr. Als Ursachen sieht der Märklin-DV-Chef sowohl das unverminderte Wachstum des DV-Anwenderpotentials als auch die derzeitige DV-Ausbildung, die noch immer nicht den Bedürfnissen des Marktes gerecht werde. Das Nachwuchs-"Gap" erscheint auch Hans Jürgen Müller von der Hessischen Landesentwicklungs- und Treuhand GmbH als Grund für die anhaltende Personalmisere. Selbst die hohen Gehälter in der DV seien für junge Leute kein Anreiz mehr, wenn die Neigung zu einer Tätigkeit im technischen Bereich fehle. Der "Nachschub" von den Ausbildungsinstitutionen könne somit auch 1981 das Spezialistenloch nicht stopfen, verdeutlicht Waldemar Richter; denn die Newcomer würden bereits allein durch die hinzukommenden Erstanwender aufgesogen. ha

Wolfgang Bühl

DV/Org.-Leiter, Deutsche Kraftverkehr Ernst Grimm GmbH & Co. KG, Düsseldorf

(IBM 370/125, DOS/VS)

Wir werden in unserem Hause auch 1981 DV-Personal aufstocken müssen. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, neue Leute, die direkt von der Schule kommen, auszubilden, hat sich als richtig erwiesen. Es ist jedoch ein sehr langer und steiniger Weg.

Probleme hatten wir jedoch im letzten Jahr professionelle DV-Leute zu finden. In der Vergangenheit wurde viel über den Rücklauf der Programmiertätigkeit und über vereinfachte Systeme diskutiert. In dieser "Angstliche" lag sicherlich auch ein Grund, daß sich viele junge Leute erst gar nicht für eine DV-Karriere entschieden haben. Aus den privaten DV-Schulen kommen heute andererseits viele Umschüler, mit denen die Anwender gar nichts anfangen können, da sie zum Teil bereits zu alt sind.

Auch die nächsten Jahre werden von einem permanenten Bedarf an qualifizierten DV-Leuten geprägt sein. Man kann diese Nachfrage leider nicht aus den eigenen Reihen decken. Die heutigen Anwendungen erfordern immer mehr DV-Leute, die über ein fundiertes Wissen, von der Ausbildung her gesehen, verfügen.

Dieses Problem dürfte vor allem in den Führungsebenen der Datenverarbeitung immer gravierender werden. Der Bedarf in unserem Unternehmen ist zwar vorerst gedeckt, da wir aber die Installation eines IBM-Systems 4341 planen, wird dies nur vorübergehend eine positive Situation sein. Der Kauf von Standard-Software ist für uns ein Punkt, der künftig zur Beseitigung des Personal-Engpasses beitragen könnte.

Heinz Küppers

DV-Leiter, Warner Elektra Atlantic GmbH, Alsdorf (IBM /34)

Wir verfügen aufgrund der Organisationsstruktur in unserem Hause nicht über das Potential an kaufmännischen Mitarbeitern, um unseren DV-Personalbedarf aus den eigenen Reihen zu rekrutieren. Betrachtet man die derzeitigen Berufsbilder in der Datenverarbeitung, so ist erkennbar, daß die Organisationsprogrammierer künftig verstärkt dazu beitragen könnten, den Personal-Engpaß zu beseitigen. Allein die klassische Trennung von Organisation und EDV wird immer weniger gute Arbeit hervorbringen. In der Kombination beider Abteilungen könnte vielleicht eine Regulierung des Personalmarktes stattfinden.

Wir haben im Unternehmen im letzten Jahr beide Bereiche zusammengelegt und mit dieser Regelung bisher ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Bei dieser Entwicklung wird jedoch der herkömmliche Programmierer Federn lassen müssen.

Da der Schwerpunkt in der Datenverarbeitung vorwiegend im kaufmännischen Bereich liegt, könnte zum Beispiel aus der Betriebswirtschaft ein neues Potential in die DV gelangen und dazu beitragen, den Personal-Engpaß zu beseitigen. Gute Chancen haben hier sicherlich auch DV-Kaufleute, die heute in verstärktem Maße von privaten Fachschulen ausgebildet werden.

Den Herstellern ist vorzuwerfen, daß sie sich bisher kaum bemüht haben, die kaufmännischen oder organisatorischen Wissensgebiete in ihre interne Ausbildung aufzunehmen. Hier beschränkte man sich bisher ausschließlich auf die Vermittlung reinen DV-Wissens, um den eigenen Mitarbeiterbedarf zu decken.

Klaus Jungnitsch

DV-Leiter, Baeuerle Farben KG, Memmingen (Siemens 7.22, BS1000)

Speziell in unserem Unternehmen wird sich die DV-Personalsituation im nächsten Jahr weitgehend normalisieren. Andererseits sehe ich auf dem Personalmarkt auch tendenziell eine Verbesserung. Die Programmiersprachen werden sich für den DV-Anwender weiter vereinfachen und das Handling der Systeme wird sich positiv verändern. Es werden heute Dialogsteuersprachen angeboten, gute Compiler erleichtern die Programmierung erheblich, und auch die Betriebssysteme werden inzwischen einfacher gestaltet. Man braucht heute nicht mehr so tief in die DV-Materie einsteigen, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall war.

Dieser Trend dürfte sich 1981 sicherlich noch weiter ausdehnen. Die Anforderungen an die breite Schicht der Programmierer werden künftig nicht mehr den gleichen hohen Know-how-Level haben wie bisher. Trotzdem kann das erforderliche DV-Personal nicht so schnell nachwachsen, wie es der Markt erfordert. Allein der MDT-Bereich wird einen eventuellen Personal-Überschuß bereits wieder aufsaugen.

Allerdings wird sich künftig ein neuer Trend in den Unternehmen bemerkbar machen: Die Sachbearbeiter in den Fachabteilungen werden verstärkt dazu übergehen, sich kleinere Programme selbst zu schreiben und einen "klassischen Programmierer" nur noch bei komplexen Problemen benötigen. Kurzfristig sehe ich jedoch keine Möglichkeit, den Personal-Engpaß zu beseitigen. Der derzeitige Bedarf an qualifiziertem DV-Personal entstand schließlich nicht ad hoc, sondern ist ein Bedarf aus der Vergangenheit.

Hans-Jürgen Müller

DV-Leiter, Hessische Landesentwicklungs- und Treuhand GmbH, Wiesbaden (IBM/34)

Bei uns stellt sich die DV-Personalsituation etwas anders dar als im freien Markt, da wir ein Unternehmen im Öffentlichen Dienst sind. Auch wir haben innerhalb des letzten Jahres krampfhaft Programmierer gesucht. Da wir an den Bundesangestellten-Tarif gebunden sind und nicht die gleichen Gehälter zahlen können wie in der Industrie, treten Pesonalprobleme im DV-Bereich häufig verstärkter auf. Neue DV-Mitarbeiter aus eigenen Reihen zu rekrutieren und selbst auszubilden, lohnt sich bei unserer DV-Größe noch nicht, so daß wir generell auf qualifizierte externe DV-Leute angewiesen sind.

Bei uns deutet sich bereits der Trend an, daß die gesamte Informationsverarbeitung zusammenwächst. Die Kombination der unterschiedlichen Medien, wie Textverarbeitung, Bildschirmtext etc. wird auch in den nächsten Jahren einen erhöhten Stellenbedarf schaffen. Wir brauchen vor allem Mitarbeiter, die nicht nur auf Text- oder Datenverarbeitung fixiert sind, sondern Spezialisten, die beides können. Allein die Textverarbeitungssysteme werden immer komplexer, so daß sie im MDT-Bereich bereits an die Datenverarbeitung heranreichen.

Die Personalsituation in der Bundesrepublik wird sich auch 1981 nicht verändern, weil der Nachwuchs noch immer zu wenig gefördert wird. Auch hohe Gehälter sind kein Anreiz für junge Leute, wenn das Verhältnis zu einer Tätigkeit im technischen Bereich fehlt. Einen weiteren Teil der Schuld an der DV-Personalmisere liegt bei den Herstellern. Sie schöpfen von vornherein den Rahm der Hoch- oder Fachhochschulabsolventen ab, indem. sie mit höheren Gehältern und einer besseren Ausbildung ködern.

Eugen Nuding

Org./DV-Leiter, Gebr. Märklin & Cie. GmbH, Göppingen (Honeywell Bull 64/30, Gcos)

Die Personalsituation in der Datenverarbeitung wird in diesem Jahr ebenso angespannt sein wie 1980. Es wir für die DV-Benutzer weiterhin schwierig sein, qualifiziertes Personal zu bekommen. Ein Grund dafür liegt einerseits im unverminderten Wachstum des DV-Anwenderpotentials. Hinzu kommt die Problematik des DV-Nachwuchses: Auch im nächsten Jahr dürfte es den Fachhoch- oder DV-Fachschulen nicht gelingen, den Bedürfnissen des Marktes gerecht zu werden. Die Situation in den Ausbildungsinstitutionen sollte allerdings nicht nur vom rein qualitativen Aspekt gesehen werden.

Uns fehlt vielmehr eine große Anzahl von jungen Datenverarbeitern, um die Personallücke zu schließen. Vor allem sollten wir aber versuchen, für den Nachwuchs ein neues DV-Bewußtsein zu schaffen. Da viele Jahre am Markt vorbeiproduziert wurde und Newcomer nach ihrer Ausbildung nicht immer einen Job gefunden haben (fehlender kaufmännischer und technischer Background), wurde lange Zeit der Eindruck erweckt, es sei sehr schwierig, in der DV unterzukommen.

Die nächsten Jahre werden jedoch zeigen, daß zusätzlich zu den Programmierern auch in großem Maße DV-Organisatoren gesucht werden. Unsere Anwendungen sind umfangreicher geworden (durch Dialogverarbeitung etc.) und erfordern inzwischen vermehrtes Einfühlungsvermögen in einzelne Sachgebiete. Dies könnte bedeuten, daß bereits im nächsten Jahr ein neuer Personal-Engpaß entsteht.

Waldemar Richter

Org./DV-Chef, Leuco Ledermann GmbH & Co., Horb am Neckar, (IBM 370/115 d, DOS/VS)

Auch im nächsten Jahr wird ein Überhang an Personalbedarf bestehenbleiben. Der Nachwuchs, der von den staatlichen oder privaten Schulen kommt, wird nicht das Spezialistenloch in der Datenverarbeitung stopfen können. Andererseits wird sich die derzeitige Personalsituation aber auch nicht verschlechtern. Ein Faktor, der zur quantitativen Stagnation im Personalmarkt beiträgt, ist sicherlich die immer größer werdende Zahl der DV-Anwender. Die neuen DV-Leute, die der Markt in 1981 hergibt, werden durch die hinzukommenden Erstanwender wieder aufgesogen.

Schuld an der Personalmisere haben weitgehend aber auch die Arbeitsämter, denen es bisher noch nicht gelungen ist, junge Leute zu motivieren, daß sie den Beruf des Datenverarbeiters ergreifen. Es wäre durchaus angebracht, wenn hier eine staatliche Institution steuernd eingreifen würde. Die Möglichkeiten, die hier brachliegen, sind im gleichen Maße weder beim Anwender noch beim Hersteller vorhanden.

Eine Möglichkeit, den Personal-Engpaß in den nächsten Jahren abzubauen, könnte darin bestehen, daß die Hersteller verstärkt dazu übergehen, die Programmierung so zu vereinfachen, daß der Bedarf an qualifizierten Softwerkern sinken wird.

Die Personalsituation in der DV kann jedoch nur so gesteuert werden, daß die Zahl der Auszubildenden an den Universitäten oder Fachhochschulen (vor allem in der Informatik) entsprechend erhöht wird. Wichtig ist hierbei aber nicht nur die Quantität der Auszubildenden, sondern vor allem die Qualität der Ausbildung.

Horst Rohn,

Org./DV-Leiter, Hermann G. Detleffsen AG & Co., Flensburg (IBM 370/125, DOS/VS)

Wenn man weiter so verfährt, wie bisher, den PersonaIengpaß in der Datenverarbeitung zu beseitigen, wird sich auch im Jahre 1981 nichts Grundsätzliches verändern. Nur wenn sich die Unternehmen selbst dazu entschließen, DV-Leute intern auszubilden, könnte der Personalmarkt eine positive Wendung erfahren.

In unserem Hause haben wir verstärkt externe Leute eingestellt, wie zum Beispiel Abiturienten. Diese wurden innerhalb von zwei Jahren als Operator ausgebildet und erhielten dann die Möglichkeit, in die Programmierung/Organisation überzuwechseln. Nur der Markt dankt es uns leider nicht, indem er uns dafür eine "Prämie" gibt, obwohl in dieser Überlegung sicherlich eine Möglichkeit zu finden ist den Personalengpaß zu beseitigen. Vielleicht werden aber im nächsten Jahr die Kommunikationsmittel bereits weiter vereinfacht werden so daß der Personalbedarf auf diesem Wege abgebaut werden kann.

Unternehmen die den Trend verfolgt haben, verstärkt auf Organisationsprogrammierer zu bauen, werden künftig im Personalbereich etwas besser abschneiden. Bei den hohen Anforderungen in der DV, (zum Beispiel Online-Programmierung, die durch die Bildschirm-Aktivitäten weiter vorangetrieben wird) wird ein Unternehmen nicht mehr in der Lage sein, nur noch mit den klassischen Programmierern klarzukommen.

Man hat in den DV-Abteilungen über Jahre hinaus versucht, durch fehlende Selbstkritik aus der Datenverarbeitung ein Mysterium zu machen. Inzwischen werden nur die Früchte dieses Verhaltens geerntet. Hätte man in der Vergangenheit eine bessere Personalpolitik betrieben, indem man langfristig geplant und investiert hätte, wäre es nie zu unserer derzeitigen Personalmisere gekommen.

Im Thema der Woche-Statement von Friedrich Schaible, Ausgabe Nr. 50 vom 12. 12. 1980, hat der Fehlerteufel zugeschlagen: Im letzten Absatz nimmt Herr Schaible nicht Bezug auf die "Struktur der Gesetzesabwicklung", sondern es muß vlelmehr heißen "Geschäftsabwicklung."