DV-Methodenkenntnisse für Top-Manager?

03.11.1978

"Die meisten Top-Manager eines Unternehmens sind nur unzureichend über die Möglichkeiten der DV-Verfahren informiert. Daraus resultiert ein geringes Vertrauen zu Modellergebnissen, eine Überschätzung des Zeitaufwandes für die Absicherung von Entscheidungen durch Modelle und die Vorstellung von untragbaren Kosten für die Modellentwicklung und für die Beschaffung modellgerechter Daten". Diesem Zitat aus einer im Jahre 1975 von Dr. Klaus Heinzelbecker bei den 100 umsatzstärksten deutschen Industrie-Unternehmen durchgeführten Umfrage konnte sich Günter Sandscheper, Online-Chefredakteur und Referent auf der "Structo 78" nur anschließen: "Was Wunder, wenn die DV-Chefs angesichts dieser Abneigung ihrer Vordermänner die Finger von solchen komplizierten Dingen lassen".

Dennoch: der diesjährige "Methoden-Kongreß" war als Appell an das Management gedacht: Erst ein voll hinter allen Entscheidungen stehendes Top-Management kann den wirklichen Erfolg der DV im Unternehmen gewährleisten. CW bat die drei "Top-Referenten" in Sachen Methoden und Verfahren um eine Stellungnahme.

Harry Sneed

Vice President of Software Research Associates, San Francisco

Ich betrachte ein Unternehmen wie ein gut oder schlecht strukturiertes Programmsystem. Das Top-Management entspricht dem Hauptsteuerungsteil. Es fällt Entscheidungen, ruft Unterprogramme auf, verteilt Aufgaben auf die einzelnen organisatorischen Einheiten und prüft die Ergebnisse. Die Datenverarbeitung ist nur einer von vielen Zweigen im Betriebsbaum. Daher sollte die Betriebsleitung sich nicht mehr, aber auch nicht weniger um diesen Zweig kümmern, als sie sich auch um andere Zweige kümmert, das heißt sie muß wissen, wie die Datenverarbeitung in den Gesamtbetrieb hineinpaßt, was sie tun sollte, und was sie getan hat.

Ich bin also nicht der Meinung, daß das Top-Management sich in die Details der Datenverarbeitung einmischen soll. Die Wahl der Methoden und Werkzeuge ist Sache der DV-Manager. Dafür werden sie bezahlt. Das Top-Management muß nur dafür Sorge tragen, daß kompetente Leute an der Spitze der Datenverarbeitung stehen, Leute, die in der Lage sind, Methoden und Werkzeuge zu beurteilen, und die den Mut haben, sie auch unter ungünstigen Umständen einzusetzen.

Leider ist es so, daß viele Top-Manager nicht genug von der Datenverarbeitung verstehen, um kompetente von inkompetenten Leuten zu unterscheiden. Oder, falls sie es können, haben sie oft keine Wahl: Die kompetenten DV-Manager fehlen. Die meisten DV-Manager sind entweder aus anderen Betriebszweigen gekommen, oder sie sind in der Datenverarbeitung zu rasch aufgestiegen, um auf dem Weg nach oben die nötigen Fachkenntnisse zu erwerben. Infolgedessen haben wir heute eine Generation von weitgehend inkompetenten DV-Managern - Männer der ersten Stunde - mit einem erheblichen Nachholbedarf an DV-technischen Kenntnissen, die sie sich nur noch mühsam aneignen können.

Die Softwarekrise ist also in Wirklichkeit eine Managementkrise. Unsere Branche ist einfach zu schnell gewachsen. Die Menschen haben mit der Technologie nicht schrittgehalten. Deshalb mein Rat an das Top-Management: Steuern Sie die Entwicklung Ihrer Datenverarbeitung, und züchten Sie sich fähige DV-Führungskräfte heran. Der Rest wird sich von alleine ergeben.

Dr. Dietrich Splettstoßer

Geschäftsführer der UGA Unternehmensberatung GmbH, Düsseldorf

Ob es wirklich wünschenswert ist, daß sich das Top-Management eines Unternehmens Methodenkenntnisse auf dem Gebiet der Datenverarbeitung aneignet, würde ich so beantworten: Wünschenswert sind Methodenkenntnisse für jeden, also auch für das Top-Management. Aber wenn man an die zahlreichen Top-Manager in kleineren und mittleren Betrieben denkt, von denen eine Grundsatzentscheidung, wie zum Beispiel über den Einsatz der Datenverarbeitung oder den Einsatz von bestimmten Programmen, verlangt wird, dann ist eine solche Entscheidung ohne Kenntnisse der elementaren systemtechnischen Methoden eigentlich kaum vorstellbar. Insofern müßten also in jedem Fall beim Top-Management verfügbar sein die systemtechnischen Methoden zu denen zum Beispiel gehören: Projekt-Standards. Also Verfahren zum Start und zur Überwachung von Projekten.

Und es mußten dazu gehören Methoden zum Beispiel der Auswahl von Datenverarbeitungsanlagen und Softwareprodukten. Wenn die Frage gestellt würde, ob es notwendig ist, daß das Top-Management Methodenkenntnisse besitzt, so würde ich darauf antworten: Nein, es ist nicht notwendig. Denn das Top-Management mußte sich hierzu doch so vertiefte Kenntnisse aneignen, daß es im Einzelfall beurteilen kann, welche Wirkungen welche Methoden an welchen Stellen verursachen worden.

Dies erscheint angesichts der Spezialisierung kaum möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll, denn hierzu ist eine ausgesprochene Bereitschaft des Managements notwendig, und die kann man eigentlich nicht erzeugen. Gewisse Methodenkenntnisse beim Top-Management müsser aber immer vorhanden sein, wenn der Manager selbst Kunde für DV-Leistungen ist. Also zum Beispiel bei der Nutzung des Informationsangebotes.

Er muß dann etwa Methoden kennen, wie gespeicherte Informationen verknüpfbar sind. Die Konsequenzen wären, daß die vielbeklagte Kommunikationslücke zwischen dem Management und der Org- und DV-Abteilung verkleinert würde. Diese Kommunikationslükke ist ja wahrscheinlich auch daher zu erklären, daß die Mitarbeiter und Manager im Org- und DV-Bereich wesentlich mehr von den Aufgaben und den anzuwendenden Methoden des Managements wissen, als umgekehrt die Manager von den Aufgaben und Methoden des Org- und DV-Bereiches wissen.

Dr. Reinhold Thurner

Geschäftsführer, Sodecon AG, Zürich

Ich möchte die Frage, ob es wünschenswert ist, daß sich das Top-Management eines Unternehmens Methodenkenntnisse über die Datenverarbeitung aneignet, etwas erweitern und fragen: Wer in einem Unternehmen muß sich überhaupt und in welchem Umfang Methodenkenntnisse der Datenverarbeitung aneignen? Der heutige Standardisierungsgrad der DV ist in den einzelnen Phasen wie Systemebene bei der Anwendung generell und ganz unten, bei der Programmierung heute noch auf einem außerordentlich niedrigen Stand. Bestimmte Begriffsinhalte werden daher von jedem anders interpretiert. Wird nun beispielsweise vom Top-Management eine Anforderung an die DV herangetragen, dann ist der Inhalt dieser Anforderung meist weit davon entfernt, eine konkrete Aussage zu enthalten.

Wenn das Top-Management zum Beispiel eine Erhöhung der Leistung ihres Fuhrparkes mit einer bestimmten Kilometer-Tournage fordert, ist dies eine klare Spezifikation. Bei der DV jedoch kennen wir diese klaren Spezifikationen nicht. Ich bin daher der Überzeugung, daß sich alle Beteiligten im Unternehmen so viel DV-Wissen aneignen müssen, daß sie imstande sind, ihrer Aufgabe als Manager gerecht zu werden. Mit anderen Worten: Alle zum Personenkreis des Managements gehörenden, müssen in der Lage sein, ihre Wünsche spezifizieren. und die Konsequenzen ihrer Forderungen wenigstens einigermaßen absehen zu können. Denn nur so ist die Voraussetzung gegeben, mit denjenigen Mitarbeitern im Betrieb, die die Wünsche des Managements entgegennehmen auch diskutieren zu können. Und nur so wird "anordnende" Manager zum kompetenten Gesprächspartner.

Das unbestreitbar niedrige Standardisierungsniveau in der gesamten DV kann meiner Ansicht nach nur durch ein höheres Engagement sowie durch möglichst umfassende Kenntnisse einigermaßen ausgeglichen werden. Ich glaube außerdem, daß das Wissen um Einsatzmöglichkeiten und Technik heute bereits wesentlich höher wäre, wenn es uns gelänge, ein höheres Maß an Standardisierung und Einheitlichkeit in den Systemen zu erreichen.

Der DV-Manager befindet sich heute in einer wenig beneidenswerten Situation: Er muß Mitarbeitern Anweisungen geben, von denen er selbst keine Ahnung hat, mit deren Problemen er sich nie befaßt hat, und die er darum auch nicht einmal nur probeweise realisieren konnte. Er muß diese Anweisungen vor dem Top-Management vertreten können - zumeist ohne sich das fehlende Know-how angeeignet zu haben. Hierbei wäre es sicherlich wünschenswert, wenn das Top-Management ihm mit Methodenkenntnissen entgegenkommen könnte.