Kommunen schwenken vom Post- auf eigenen Externen Rechner um:

DV-lnfrastruktur wirkt auf Btx kostenmindernd

08.08.1986

Eines der ersten Btx-Projekte in der und für die öffentliche Verwaltung wurde vor Jahren in Nordrhein-Westfalen gestartet. Umfangreiche Erfahrungen liegen bereits vor, etliche Anwendungen laufen, Bürgernähe und Verwaltungsvereinfachung sind in Teilen realisiert. Weitere Schritte stehen an, zum Beispiel ein Platzbuchungssystem für Veranstaltungen. Neuestes Ergebnis von Preis-Leistungs-Berechnungen: Eigene externe Rechner sind inzwischen kostenmäßig den Postrechnern weit überlegen. Der Btx-Projektleiter beim kommunalen Rechenzentrum Niederrhein (KRZN), Heinz-Johann Kreischer, berichtet über Historie und Rolle des Projekts anhand konkreter Beispiele.

Die Arbeitsgemeinschaft Kommunale Datenverarbeitung in Nordrhein-Westfalen (AKD), ein Zusammenschluß kommunaler Datenzentralen mit dem Ziel gemeinsamer Anwendungsentwicklung und Nutzung, hat im Frühjahr 1983 nach ersten Experimenten im Rahmen des Btx-Feldversuchs ein Projekt für die Realisierung des neuen Mediums gestartet, das sich aus drei Teilen mit unterschiedlicher Aufgabenstellung zusammensetzte:

- Öffentlichkeitsarbeit mit Bildschirmtext für die Zielgruppe Bürger,

- Dialoganwendungen mit Bildschirmtext für die Zielgruppe Bürger und Verwaltung,

- Rechnerverbund und Netze.

Die Federführung für das Teilprojekt 1 lag beim Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein in Moers (KRZN). Es nahm seine Arbeit am 3. August 1983 auf und beendete sie am 22. März 1984. Es sollten ein Konzept für den Inhalt, den Aufbau und die Pflege eines kommunalen Btx-Programms erarbeitet und Überlegungen zu Suchstrategien und Unterstützungsmöglichkeiten angestellt werden.

Am 14. September 1983 wurden im Teilprojekt 2 die Arbeiten aufgenommen. Federführendes Rechenzentrum für das Teilprojekt 2 ist die Landeshauptstadt Düsseldorf, Amt für Datenverarbeitung. In diesem Teilprojekt liegt für die Zukunft der Schwerpunkt der Entwicklungsarbeit. Hier sollen Dialoganwendungen für Bürger und Verwaltung entstehen. Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Arbeit steht ein Platzbuchungssystem für kommunale Veranstaltungen.

Das Teilprojekt 3 - wiederum unter Federführung des Kommunalen Rechenzentrums Niederrhein - hat am 7. Oktober 1983 seine Arbeit aufgenommen. Gegenstand dieser Arbeit sind die Themen "Rechnerverbund und Netze". Der Projektauftrag definiert die zwei Ziele "Realisierung des Btx-Rechnerverbundes" und "Erarbeitung eines Verfahrens für die Aktualisierung der Btx-lnformationsseiten im Rechner der Datenzentrale".

Info-Angebote für Zielgruppe Bürger

Nach dem Ende des Teilprojektes 1 waren die Voraussetzungen geschaffen, um Btx-Informationsangebote für die Zielgruppe Bürger zu erarbeiten. Zu den fertiggestellten Btx-Angeboten aus dem Einzugsbereich des Kommunalen Rechenzentrums Niederrhein gehören Programme für die Städte Krefeld, Neukirchen-Vluyn, Wesel, Emmerich, Kevelaer und Goch sowie das KRZN und der Kreis Viersen.

Diese Btx-Informationsangebote sind derzeit noch im Postrechner abgespeichert. Btx-Programme für die Städte Kleve und Xanten werden gegenwärtig erstellt. Bei der Stadt Nettetal wird ebenfalls ein Angebot erarbeitet.

Das KRZN ist seit dem 4. August 1985 als 88. Betreiber eines Externen Rechners von der Deutschen Bundespost zugelassen. Dadurch können neue Formen der Dialog-Anwendungen für Bürger, aber in erster Linie für verwaltungsinterne Anwendungen erschlossen werden.

Durch die Realisierung des Rechnerverbundes können die umfangreichen kommunalen Datenbanken darüber hinaus für Verwaltungsnebenstellen sowie verwandte Institutionen zugänglich gemacht werden. Dies war in der Vergangenheit in der Regel wegen der mit relativ hohen Kosten verbundenen herkömmlichen Datenfernverarbeitung kaum möglich. In Zukunft können Stadtwerke, Krankenhäuser, Verwaltungsnebenstellen oder ähnliche Institutionen auf Einwohnerdaten unter Beachtung der Bestimmungen des Datenschutzes zugreifen; den Nebenstellen der Volkshochschule wird im Bereich der Datenfernverarbeitung der gleiche Komfort geboten wie den Kommunen.

ER-Software

Für den Betrieb des Externen Rechners (ER) setze das kommunale Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) IBMs Rechnerverbund-Software VCSIP ein. Die Positionierung (CPU, DFN-Steuereinheit, Terminals etc.) sowie die Implementierung der CEPT-Software geschah Ende 1984. Hardware-Erweiterungen waren kaum erforderlich. Neben der Anschaffung des Btx-Terminals, eines PC für die Inhouse-Editierung und einer dafür notwendigen Standleitung zum Host war mit einer IBM-Steuereinheit 3705 aufzurüsten. Bei der Konfiguration der Software mußte man für die Dialoganwendung Schnittstellen zum IMS-Subsystem berücksichtigen; mit dem Btx-Anwendungssteuerungsprogramm (ASP) waren sie gegeben.

Um Aussagen über Möglichkeiten, Grenzen und Aufwand beim Einsatz von Btx im Rechnerverbund treffen zu können, hat das KRZN vorhandene Dialoganwendungen aus dem Bereich der herkömmlichen Datenverarbeitung unverändert für Bildschirmtext zugänglich gemacht. Ausgewählt wurden dabei die Dialogverfahren Einwohnerwesen (Kurzauskunft), Kfz.-Wesen (Halterauskunft), Wahlen (Wahlergebnisermittlung) sowie die KRZN-internen Anwendungen "Auskunft Bankleitzahl" sowie "Auskunft Straßenverzeichnis".

Bei diesen Verfahren handelt es sich um Testanwendungen, die Erfahrungen bei der Handhabung der Schnittstellen zwischen Btx-Software und Online-Subsystemen (IMS) vermitteln sollten. Dem Teilprojekt 2 - Dialoganwendungen mit Bildschirmtext, Zielgruppe Bürger - sollte dabei nicht vorgegriffen werden.

Die Möglichkeit, ausgehend von einer Btx-Teilnehmerstation auf vorhandene IMS- Datenbanken zuzugreifen, ist durch den Einsatz des IBM-Produkts ASP/APP gegeben. Dabei bewirkt das Anwendungs-Steuerprogramm (ASP) die Dialogsteuerung zwischen dem Btx-Teilnehmer und dem Subsystem über die Anwendungs-Preprozessoren (APPs), die wiederum die Ablaufsteuerung in den einzelnen Verfahren unterstützen. Um einheitliche Strukturierungen und Standards bei den verschiedenen Btx-Online-Anwendungen erarbeiten zu können, wird im KRZN das FKP-Konzept- (Funktions-Kontrollprogramm) benutzt, das als Steuerroutine den Ablauf der Dialogschritte kontrolliert, die Kommunikation zu den Schnittstellen des ASP durchführt und die anwendungsbezogene Verarbeitungslogik berücksichtigt.

Hilfe beim Umgang mit Behörden

Das Bürgerinformationssystem als Dialoganwendung, abrufbar sowohl über Btx als auch über herkömmliche Datenverarbeitung, spielt bei der beabsichtigten Realisierung des Bürgeramtes in der Stadt Nettetal eine nicht unerhebliche Rolle. Hierbei handelt es sich um ein System, in dem nicht etwa Daten über, sondern im Gegenteil Informationen für Bürger und Sachbearbeiter abgelegt sind. Es sind Daten, die dem Informationssuchenden den Umgang mit Behörden erleichtern sollen. Hier wird unter anderem Antwort auf die Frage gegeben, was bei einem Behördenbesuch alles zu beachten ist oder wo Rentenanträge zu stellen sind.

Der Sachbearbeiter im Fachamt der Kommune hat die Möglichkeit, auf Verwaltungswissen auch aus anderen Fachbereichen der Kommune oder anderen Behörden zuzugreifen. Er kann so den Bürger in nahezu allen Anliegen komplett beraten oder informieren. Ganz erheblich wird dabei die Suchfunktion durch die Vorgabe frei formulierbarer Schlagwörter erleichtert. Durch die Möglichkeit, diese Informationen sowohl über Btx als auch über herkömmliche Datenverarbeitung abrufen zu können, ist man der Forderung, Informationen da verfügbar zu machen, wo sie benötigt werden, ein erhebliches Stück nähergekommen

Das Bürgerinformationssystem wurde von der Stadt Nettetal und dem KRZN erstmals auf der Hannover-Messe CeBIT '86 im Rahmen der Präsentation des Bürgeramtes der Stadt Nettetal vorgestellt.

Eine wichtige Voraussetzung für die Verarbeitung von Btx im kommunalen Bereich ist eine schnelle und problemlose Aktualisierung der Btx-Programme. In diese Überlegungen mußte man Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen einbeziehen. Zu untersuchen war nämlich, wo ein Abspeichern der Btx-Informationsangebote aus Kostengründen erfolgen sollte. Gemeinsam mit der Gesellschaft für moderne Organisation (GMO), Bonn, wurde im Rahmen des Teilprojektes 1 für das KRZN untersucht, ob für die angeschlossenen Anwenderveranstaltungen ein Abspeichern der Informationsangebote im Postrechner oder in der Datenzentrale wirtschaftlicher ist.

Die Untersuchung unter Berücksichtigung der vielfältigen Btx-Dialog-Anwendungsmöglichkeiten ergab, daß trotz beachtlicher Aufwendungen für die erforderliche Rechnerverbund-Software und für Datex-P-Gebühren der Deutschen Bundespost das Abspeichern der Informationen im Externen Rechner des KRZN wirtschaftlicher ist. Der Hintergrund für die spezifisch auf das KRZN bezogene Untersuchung liegt darin, daß die hier vorhandene Datenverarbeitungs-Infrastruktur sowohl in personeller als auch in DV-technischer Hinsicht kostenmindernd wirkt. So brauchen in den angeschlossenen Kommunen zur Aktualisierung der Bildschirmtext-Angebote keine Editiergeräte angeschafft und kein spezifisches Know-how zum Editieren von Bildschirmtext-Seiten aufgebaut werden, weil das vorhandene Niederrhein-Netz und die in den Gemeinden bereits vorhandenen Datensichtgeräte zur Aktualisierung der Bildschirmtext-Angebote herangezogen werden können. Der zuständige Sachbearbeiter im Presseamt, im Hauptamt oder vielleicht im Sportamt kann zum Beispiel die Öffnungszeiten eines Hallenbades, sofern sie sich verändern, unmittelbar und ganz aktuell über das vorhandene Datenverarbeitungs-Equipment ändern.

Dialogverfahren "Aktualisierung" fertig

Ergebnis dieser Erkenntnisse ist das im ersten Quartal 1986 fertiggestellte Dialogverfahren "Aktualisierung". Es kann, ähnlich wie das Bürgerinformationssystem, sowohl über die herkömmliche Datenverarbeitung als auch über eine Btx-Teilnehmerstation (nicht Editierstation) genutzt werden. Nachdem die Projektarbeit im KRZN im wesentlichen abgeschlossen ist, müssen nunmehr die hier gewonnenen Erkenntnisse in die praktische Arbeit einbezogen werden. Der Btx-Rechnerverbund, der bis einschließlich Juni 1986 als Testanwendung im KRZN praktiziert wurde, ist in den Produktionsstatus zu übernehmen. Ein entsprechender Beschlußvorschlag wird den Verbandsgremien vorgelegt werden.

Damit wäre die Voraussetzung für die Übernahme der bisher im Postrechner abgespeicherten Informationsangebote erfüllt. Neben diesen Programmen sind im KRZN für die restlichen Verbandsanwender veröffentlichungsfähige Informationsangebote erstellt, die im Externen Rechner abgespeichert werden. Erstmalig könnten dann kommunale Daten aus einer gesamten Region über Btx abgerufen werden. Die Voraussetzung für die Realisierung des "Krefelder Btx-Modells" sind geschaffen. Das Krefelder Btx-Modell ist das Konzept eines überregionalen Informationsdienstes, bei dem die Möglichkeiten vorhandener DV-Infrastruktur und des Rechnerverbundes mit der kommunalen Datenzentrale konsequent genutzt werden. Auf der Basis eines Information-Retrieval-Systems wird hier dem Bürger Gelegenheit geboten, unter dem Impressum und der Leitseite seiner Heimatkommune beispielsweise auf alle Veranstaltungen einer Region zuzugreifen. Das angebotene Konzept läßt es auch zu, daß eine Kommune sich vom überregionalen Informationsaustausch ausschließt.

Kleine Kommunen mit Großstadtangebot

Die Anwendung des Krefelder Btx-Modells stellt sich in der Praxis wie folgt dar: Der Bürger wählt aus den vom System vorgegebenen Vorschlägen die Art der Veranstaltung, den Zeitpunkt oder Zeitraum und den Entfernungsradius aus.

Mit den bereitgestellten Informationen stellt das System die für den gewünschten Zeitraum und Entfernungsradius gespeicherten Veranstaltungen der ausgewählten Art zur Verfügung. Die Vorteile des Krefelder Btx-Modells liegen für kleinere Kommunen darin, daß sie mit dem Veranstaltungsangebot einer Großstadt gegenüber ihrem Bürger aufwarten können. Größere Kommunen werden in ihrer Zentralfunktion nachhaltig unterstützt. Der Bürger ist jedenfalls der Gewinner beim überregionalen Informationsdienst. Er erhält schneller und umfassender die gewünschten Informationen.

Heinz-Johann Kreischer ist Btx-Projektleiter beim Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein

(KRZN).