DV-Leiter in der Bundesrepublik bevorzugen klar US-Produkte

23.01.1987

Seit Jahrzehnten ist es in der Bundesrepublik Usus, daß Anwenderfirmen sich beim Kauf neuer Rechner eher für ein amerikanisches Fabrikat entscheiden. Hans-Peter Theissen, DV-Leiter bei der deutschen Carbone AG, steht diesem Verhalten kritisch gegenüber, meint aber: "Man hat es als DV-Verantwortlicher einfach leichter, wenn man mit der Masse im Strom schwimmt. Es ist meist der bequemere, aber sicher nicht immer der bessere Weg." Informationsmanager Uwe Laerum von der Bauknecht Hausgeräte GmbH stellt die momentane amerikanische Überlegenheit in der DV ebenfalls nicht in Frage. Allerdings sieht er einen Hoffnungsschimmer am DV-Horizont für die deutschen Hersteller aufziehen. Seiner Meinung nach werden die amerikanischen und europäischen Computeranbieter durch Joint-ventures immer mehr zu gleichwertigen Partnern. Laerum prognostiziert: "Hier beginnt die dominante Rolle Amerikas abzubröckeln."

Hans-Werner Keil

Hauptabteilungsleiter Organisation Datenverarbeitung Lemmerz-Werke KGaG, Königswinter

Haben die europäischen Computerhersteller eine Chance, den Marktanteil der US-amerikanischen Hersteller zu ihren eigenen Gunsten zu verändern?

Diese Frage stellt sich eigentlich gar nicht. Haben alle anderen eine Chance gegen die IBM? So müßte die Frage lauten.

Ich bin der Meinung: Nein, da der Zug zur IBM stärker ist als von der IBM weg.

Solange alle anderen Anbieter sich noch untereinander befehden, haben sie keine Chance gegen die IBM. Nur eine gemeinsame Strategie könnte hier Erfolg versprechen: Eine Gemeinsamkeit ist hier jedoch nicht zu erwarten.

Kein DV-Leiter kann mit gutem Gewissen einen Hardware-Wechsel befürworten. Die Kosten hierfür lassen sich in keiner Weise rechtfertigen. Ein Hardwarewechsel heißt in den meisten Fällen Softwarewechsel oder Umstellung. Das bedeutet Stillstand für die Übergangszeit, in der die Umstellungsaktivitäten zu Lasten einer Weiterentwicklung der Anwendungen geht. Welches Unternehmen kann sich das leisten?

Ein Hardware-Wechsel kann nur aus der Unzufriedenheit des Anwenders oder aus der Perspektivelosigkeit mit den Produkten des Lieferanten entstehen. Es ist für die IBM leichter, die Ursache für die Unzufriedenheit auf die Unfähigkeit des DV-Leiters zu lenken.

Für die DV-Leiter mit IBM-Park ist es darüber hinaus sehr einfach, allen Problemen mit der Bemerkung "Wir haben ja schon den größten Computerhersteller im Einsatz, mit wem sollte es denn dann noch besser gehen?" zu begegnen.

Solange es die IBM schafft, ihre Produkte als Industriestandard zu verkaufen - wie sollte es auch anders sein bei über 50 Prozent Marktanteil - besteht für die anderen nur die Hoffnung, einen Bruchteil vom großen Kuchen zu erhaschen.

Die Softwarehäuser stellen für die IBM darüber hinaus eine zusätzliche Unterstützung dar. Die Entwicklungen können nutzbringend und rationeller im derzeitigen DV-Markt vertrieben werden. Eine andere Aufteilung der Hardware-Konstellation hätte hier nachhaltige Folgen für die Softwarehersteller.

Ein weiterer Punkt zugunsten der IBM ist der Personalmarkt für DV-Kräfte. Die Beschaffung von Mitarbeitern mit Kenntnissen der IBM-Welt ist zweifelsohne leichter.

Hans-Peter Theissen

DV-Leiter Deutsche Carbone AG, Frankfurt

Sieht man sich in der bundesdeutschen Computerlandschaft um, so trifft man in Konkurrenz zu den einheimischen Anbietern von DV-Produkten im wesentlichen auf den Marktführer IBM mit seinen Maschinen. Ich möchte daher die Fragestellung auf das Problem lenken, warum entscheiden sich so viele deutsche Unternehmen für Computer der IBM und nicht für die Produkte aus dem eigenen Land, also von Siemens, Nixdorf oder vielleicht noch Kienzle. Sind die Computer der IBM wirklich so viel besser als die der deutschen Konkurrenz? Im Bereich der großen Anwender mit entsprechendem Adreßraumbedarf und der Forderung nach großer Leistung können die Überlegungen sicher nicht an der IBM vorbeigehen, denn gerade bei der XA-Fähigkeit klemmt es ja besonders bei Siemens noch. Aber wie sieht es bei der sogenannten breiten Masse der kleinen und mittleren Anwender aus, die diese Leistungen nicht benötigen also etwa die Kategorie der /38-Benutzer und 43XX-Anwender?

Da ist zum Beispiel die /38 die ich aufgrund ihrer Inkompatibilität selbst zu den übrigen IBM-Systemen für keine gute Alternative halte, zumal sie in ihrem Wachstum begrenzt ist. Bei den etwas größeren Anwendern, etwas aus dem Spektrum der 43XX-Maschinen, halte ich die Siemens 7.5XX-Rechner für die bessere Lösung, weil hier der zu betreibende Aufwand im Rechenzentrum und in der Systemverwaltung geringer ist als bei vergleichbaren IBM-Rechnern. Für den kleineren Anwender, der keine oder nur sehr wenig eigene Programmierkapazität hat, bleibt als Argument für einen Computer des Marktführers vielleicht noch die Überlegung, daß er dann wesentlich mehr Möglichkeiten hat, Fremdsoftware einzusetzen. Doch auch dieses Argument verliert zunehmend an Bedeutung, da mittlerweile zum Beispiel auch für BS2000-Anwender der Markt für Standardsoftware besser geworden ist.

Einen wesentlichen Grund, warum so viele Kollegen im Bereich der kleinen bis mittleren Systeme sich gegen deutsche Produkte entscheiden, sehe ich eher in der Angst, eine Fehlentscheidung zu treffen. Es ist für einen DV-Leiter sicher schwierig, bei außretenden Problemen mit einem einheimischen Produkt dem Argument "Mit IBM wäre uns das nicht passiert" stichhaltig entgegenzutreten. Hat er sich aber einmal für die IBM entschieden, dann kann er später achselzuckend konstatieren: "Diese Probleme sind normal, die haben alle anderen auch." Hier liegt der Kern des Problems; man hat es als DV-Verantwortlicher einfach leichter, wenn man mit der Masse im Strom schwimmt. Es ist meist der bequemere, aber sicher nicht immer der bessere Weg, sich für DV-Systeme aus den USA zu entscheiden.

Uwe Laerum

Informationsmanager Bauknecht Hausgeräte GmbH, Stuttgart

Es sei zunächst die Frage erlaubt: "Dominieren amerikanische DV-Hersteller tatsächlich?" Generell ist die führende Rolle amerikanischer Hersteller auf dem Datenverarbeitungsmarkt wohl unbestritten; insbesondere auf dem Markt für Großcomputer. Ein deutsches Unternehmen wie Siemens spielt hier eine untergeordnete Rolle.

Dies gilt sicher auch noch im Bereich der mittleren Datentechnik bis hin zum PC-Einsatz. Dennoch glaube ich, daß bereits hier Produkte von deutschen Unternehmen (zum Beispiel Nixdorf, Siemens) und europäische Unternehmen (zum Beispiel Philips) eine zunehmend stärkere Rolle spielen. In einigen Branchen (zum Beispiel Banken) läßt sich die augenfällige "deutsche beziehungsweise europäische" Macht nicht mehr übersehen.

Im Bereich der Kommunikationstechnologie und ihrer Verbindung zur Informationsverarbeitung verstärkt sich für mich der Eindruck, daß deutsche und europäische DV-Unternehmen eine immer bedeutendere Rolle spielen werden. Insbesondere da viele Impulse aus den relativ geschützten inländischen Nebenstellenmärkten kommen. Dennoch bleibt insgesamt unbestritten, der Datenverarbeitungsmarkt wird von amerikanischen Herstellern beherrscht.

Nun aber zu der Frage: "Was begründet die amerikanische Dominanz?" Die westliche Welt in Europa und insbesondere Deutschland war in der Nachkriegszeit zunächst vollauf damit beschäftigt, den Nachholbedarf der Märkte zu befriedigen. Vor dem Hintergrund voller Beschäftigung, ausgelasteter Kapazitäten und großer Nachfragen ging es daher zunächst vorwiegend darum, die quantitative Datenverarbeitung zu bewältigen. Das Know-how und die Technologie lag dafür vor, hatte sich bewährt und war relativ schnell zu haben - und fast nur von amerikanischen Herstellern - Hersteller, die bereits Größenordnungen aufwiesen, in die deutsche Unternehmen erst hineinwachsen mußten. Hinzu kommt, daß es einem Unternehmen - einem amerikanischen - gelungen ist, durch seine übermächtige Größe Standards für den "Rest der Welt" zu setzen.

Auf der anderen Seite begann sich hier und in Europa eine eigenständige DV-lndustrie nur vorsichtig zu bilden. Unerfahrenheit und teilweise wahrhaft naive Blauäugigkeit bei der kosten- und zeitgemäßen Beurteilung von Problemrealisierungen führte - mit Ausnahmen - zu Rückschlägen und damit zu Vertrauensverlusten.

In dieser Zeit legten amerikanische Firmen die Grundlage für ihre Dominanz, die natürlich mit allen Mitteln verteidigt wird (mangelnde Hardware-Kompatibilität, Zwangsverbindungen bei Hardware und Betriebssoftware und so weiter).

Insgesamt bleibt für mich als Fazit: Die amerikanische Dominanz auf dem Datenverarbeitungssektor ist vorhanden und wird auch bleiben; trotz erheblicher Erfolge von nichtamerikanischen, Unternehmen in Teilbereichen. In der Integration zwischen Informations- und Kommunikationstechnologie werden Amerika und Europa immer mehr zu gleichwertigen Partnern zusammenwachsen. Die Kooperationsbemühungen - meist als Joint-venture - von beiden Seiten weisen in diese Richtung. Hier beginnt die dominante Rolle Amerikas abzubröckeln.

Ralf Weißmann

DV-Leiter AKAI Deutschland GmbH, Egelsbach

Bei der Untersuchung der Ursachen für das schlechte Abschneiden deutscher Hard- und Softwarehersteller gegenüber amerikanischen Firmen könnte man unwillkürlich die Entwicklung und weltweiten Erfolge einer deutschen Automobil-Nobelmarke in Vergleich setzen. Der bekannte amerikanische Marktführer auf dem Gebiet der EDV hält jedenfalls nach wie vor jeder Konkurrenz stand. Das Leitwort DENKE beziehungsweise das bekannte THINK steht schließlich seit 1911/12 für alle diejenigen, die sich mit elektronischer Datenverarbeitung und ihrem Umfeld beschäftigt haben. Nicht von ungefähr kam der Erfinder der Lochkartenmaschinen Hermann Hollerith aus Amerika. Er sorgte schon 1910 dafür, daß in Deutschland eine Gesellschaft zum Erwerb seiner Patente und Vertrieb seiner Maschinen gegründet wurde.

Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, überall in Deutschland Tabelliermaschinen für immer weitere Anwendungsbereiche einzusetzen. Zunehmend mit den Verkaufserfolgen wuchsen die Zahlen gegründeter Niederlassungen und Mitarbeiter. Bereits 1936 wurden die ersten Kunden auf den "neuen Maschinen" geschult. Bis 1944 entwickelten sich dann Organisationsformen zur optimalen Nutzung dieser Maschinen, was heute schlicht als Software bezeichnet wird. Nach den Wirren des zweiten Weltkrieges wurden durch amerikanische Firmen mit Erfolg weltweite Bestrebungen unternommen, um die Firmentätigkeiten außerhalb der USA zu koordinieren.

Danach ging es schnell in Deutschland mit den amerikanischen Entwicklungen. Die ersten Produkte der Textverarbeitung (elektrische Schreibmaschinen) - das erste elektronische Rechenwerk mit Röhren - der erste "echt" programmierbare Computer mit Elektronenröhren - der erste externe Speicher als Magnetplattenturm mit wahlfreiem direktem Zugriff - der erste mit Transistoren und gedruckten Schaltungen ausgerüstete Computer. . . Ab 1973 geht der Trend zur Mikro-Miniaturisierung, zu größeren Speicherkapazitäten und zu höheren Rechengeschwindigkeiten.

Durch ihren "historischen" Vorlauf auf technisch-wissenschaftlichen Gebieten und der Fähigkeit, auf nahezu alle Anforderungen des Marktes flexibel reagieren zu können, haben amerikanische Firmen gegenüber deutschen größere Erfolge im Absatz ihrer Produkte. Die Hardware ist technisch makellos, ebenso wie die Betriebssystemsoftware. Schulungsleistungen sind durchorganisiert. Die Kompatibilität aller Produkte läßt kaum Wünsche offen. Ein besonderer Vorteil besteht besonders darin, daß für Anwendungssoftware auch "Fremdentwickler" zum beiderseitigen Vorteil integriert werden. Somit haben es deutsche DV-Entwickler schwer, in die umfassende Phalanx des amerikanischen Marktes einzudringen.