Mindestens eine Programmiersprache vom Ingenieur gefordert:

DV-Know-how ist wie das tägliche Brot

14.03.1986

BONN (CW) - Über Informatikkenntnisse des Ingenieurs ist bisher lediglich ganz allgemein bekannt, daß er sie haben sollte. Detaillierte Anforderungen indes sind nur für wenige Fachsparten festgeschrieben. Licht in diese Grauzone bringen will nun eine Umfrage bei Anwendern der Computer- und Softwaretechnik verschiedener Industriezweige. Der Initiator, das Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung in Bonn, betont in seinen Ergebnissen: Das "Handling" von Anwendungssoftware spielt in allen Branchen die größte Rolle.

Die Erhebung zur EDV-Anwendung im Rahmen Ingenieurtätigkeiten konzipierte das Kuratorium so, daß mit Hilfe eines Auswertungsbogens bei Unternehmen der verschiedenen Wirtschaftszweige erfragt wurde, welsche Kenntnisse in einzelnen in Tätigkeitsfeldern im Zusammenhang mit der Anwendung computergestützter Verfahren erforderlich sind.

Um eine Gewichtung der Kenntnistiefe zu ermöglichen, wurden vier Intensitätsstufen eingeführt:

- keine Anforderungen;

- Einblick in Teile oder Ausschnitte des Gebietes;

- Überblick über wichtige Teile und deren Zusammenhang innerhalb des Gebietes;

- Vertrautheit und souveränes Verfügen über möglichst viele Teilinformationen und damit gegebene Zusammenhänge innerhalb des Gebietes sowie deren Anwendung.

Softwareerstellung ist obligatorisch

In der Diskussion der Ergebnisse ist mit 65 Erhebungsbögen der Maschinenbau ein Bereich, der für die Formulierung von Anforderungsprofilen umfangreiche Informationen geliefert hat. Bei den Grundbegriffen der DV liegt der Schwerpunkt der Anforderungen bei der Stufe Überblick, im Bereich der Hardware deutlich darunter. Für den Umfang mit Ein- und Ausgabeeinheiten und Dialoggeräten werden überdurchschnittliche Kenntnisse erwartet. Das ist verständlich, weil dies die für den Benutzer wichtigen Peripherieteile sind. Bei den Datenverarbeitungssystemen liegen die Anforderungen etwas höher als Einblick mit Schwerpunkt bei den Systembefehlen, was typisch ist für benutzerfertige Anwendungssoftware.

Bei den Programmiersprachen liegt Basic bei der Stufe "Überblick", während für Fortran ein höherer Beherrschungsgrad gefordert wird. Bei allen anderen sind die Anforderungen wesentlich geringer. Es ist damit zu rechnen, daß sich hier mit Bekanntwerden neuer Sprachen Verschiebungen ergeben. Man kann aber aus diesen Momentaufnahmen schließen, daß mindestens anhand einer Sprache Kenntnisse der Programmentwicklung zu vermitteln sind, für Maschinenbauer vorzugsweise Fortran.

Bei der Softwareerstellung zeigt sich ein wesentlich höheres Anforderungsniveau, das im Durchschnitt bei der Bewertung "Überblick" liegt. Die Bereiche Problemanalyse, Systementwurf, Datenfluß- und Programmablaufplan liegen darüber, die anderen Bereiche der Programmerstellung darunter. Dieses Anforderungsspektrum erklärt sich aus der Sicht der Aufgabenverteilung bei der Zusammenarbeit von Ingenieuren und EDV-Spezialisten. Es läßt sich daraus die Empfehlung ableiten, dem Maschinenbau-lngenieur den Komplex Softwareerstellung exemplarisch zu vermitteln, so daß er einen guten Überblick über die einzelnen Schritte der Softwareerstellung erhält.

Bei der Benutzung von Anwendungssoftware liegen die Anforderungen besonders hoch, zwischen "Überblick" und "Vertrautheit". Das gilt vor allem für CAD, Umgang mit Programmanweisungen und CAM. Ledig]ich die Textverarbeitung erhält weniger. Es ist deutlich, daß es sich hier um die Benutzung von Verfahren handelt, die für den Maschinenbau spezifisch sind. Man kann daraus schließen, daß ein Vertrautmachen mit Anwendungssoftware und Programmanweisungen zu den Grundlagen der Ausbildung gehören sollte. Spezielle Verfahren sind eher fach- und branchenspezifisch zu behandeln.

Elektrotechnik mit Gewicht auf NC-Steuerungen

Bei der Elektrotechnik liegen die Anforderungen für die Themengebiete Hardware- und Softwareerstellung höher als im Maschinenbau. Bei der Auswertung ist aufgefallen, daß es zwei sehr verschiedene Arten von Tätigkeiten mit sehr unterschiedlichem Anforderungsniveau gibt. Bei den ersten handelt es sich um diejenigen Aufgabengebiete, bei denen computergestützte Verfahren nur benutzt werden. Dabei sind keine signifikanten Abweichungen vom Anforderungsprofil des Maschinenbaus feststellbar mit Ausnahme des Bereichs der Hardware (Zentraleinheit) und in einigen Gebieten der Softwareerstellung. Bei CAD und CAM liegen die Anforderungen merklich unter denen des Maschinenbaus, was deutlich macht, daß diese Verfahren nicht zu den Grundlagenkenntnissen gehören.

Die zweite Gruppe umfaßt Tätigkeiten, bei denen es sich um die Entwicklung und Herstellung von Produkten mit speicherprogrammierten Steuerungen handelt. Für diese gehen die Anforderungen, abgesehen vom Umgang mit Anwendungssoftware, in allen Bereichen erheblich über diejenigen der ersten Gruppe hinaus und werden dadurch charakterisiert, daß im Gegensatz zur ersten Gruppe in der Regel Vertrautheit in der Programmierung mit Assembler verlangt wird. Empfehlungen für die Ausbildung von Elektroingenieuren für derartige Tätigkeiten sind etwa von Ernst Golling und Kruno Hernaut in "Informatik-Grundlagen im Rahmen des Grundstudiums der Elektrotechnik" gemacht worden.

Anforderungsspitze Menütechnik

Besonders hohe Anforderungen liegen in dem Bereich Luftfahrt bei den Datenfernverarbeitungssystemen und der Softwareerstellung. Die Benutzung von Anwendungssoftware nimmt, vergleichbar mit dem Maschinenbau, einen hohen Stellenwert ein, insbesondere die Menütechnik, CAD und CAM.

Die vom Bergbau gemachten Angaben ergeben ein ähnliches Anforderungsprofil wie im Maschinenbaus wobei im Durchschnitt das Anforderungsniveau etwas niedriger liegt.

Grundbegriffe, Programmierung mit Basic, Problemanalyse, Programmdokumentation und Umgang mit Programmanweisungen zeigen besonders hohe Werte, die bei der Stufe Überblick oder darüber liegen. Außerdem wird der Umgang mit branchenspezifischer Software betont. Die Bedeutung von CAD und CAM liegt auch im Bergbau unter den Anforderungen des Maschinenbaus.

Auch für den Baubereich ergibt sich ein ähnliches Profil, wobei Anforderungsspitzen ebenfalls bei den Grundbegriffen, bei Programmierung mit Basic, Problemanalyse und Systementwicklung sowie beim Umgang mit Programmanweisungen, in der Handhabung der Menütechniken und der Benutzung branchenspezifischer Software liegen.

Die Angaben für den feinmechanischen und optischen Wirtschaftsbereich liegen in den Gebieten Grundbegriffe und Hardware im Anforderungsbereich des Maschinenbaus. Bei den Programmiersprachen wird neben Basic und Fortran auch Exapt Bedeutung beigemessen. Die Anforderungen im Bereich der Erstellung von Software liegen höher im Vergleich zum Maschinenbau Im Hinblick auf die Benutzung von Anwendungssoftware werden insbesondere Überblick im Umgang mit Programmanweisungen, Menütechnik CAD und CAM verlangt vergleichbar mit den Anforderungen im Maschinenbau .

Die Zusammenfassung des Meinungsbildungsprozesses innerhalb des Verbandsbereichs erlaubt aufgrund der Auf- beziehungsweise Abrundung keine differenzierte Betrachtung. Jedoch ergeben sich aus der Kommentierung des Verbandes folgende Tendenzen:

Der Schwerpunkt der Anforderungen bei den Grundbegriffen liegt bei der Stufe "Überblick" bei der Speicherprogrammierung entsprechend der derzeitigen Bedeutung in der Druckindustrie zwischen "Einblick und Überblick". Im Bereich Hardware liegen die Anforderungen tendenziell eher in Richtung "Einblick". Der Umfang mit Ein- und Ausgabeeinheiten ist entsprechend den Bedingungen in der Druckindustrie höher zu bewerten als Kenntnisse über die Zentraleinheit. Besonders hervorgehoben sind die Kenntnisse über Schnittstellen.

Die Anforderungen bei den Datenverarbeitungssystemen liegen eher in Richtung Einblick wobei der Datenfernübertragung in der Druckindustrie eine besondere Rolle zukommt das heißt wichtig sind hier möglichst viele Teilinformationen über die Anwendung der Datenfernübertragung. Exemplarisch sollte ein Einblick über eine Programmiersprache vermittelt werden (zum Beispiel Basic). Bei den anderen Sprachen sollte ein Einblick in die Anwendungsbereiche gegeben werden. Die Schwerpunktsetzung ist allerdings abhängig von der Entwicklung im Hard- und Softwarebereich.

Das Anforderungsniveau für die Softwareerstellung liegt deutlich über der Stufe "Überblick" wobei die Schwerpunkte bei Problemanalyse und Systementwurf wie auch Programmablaufplan und lineare Programme liegen. Die Anforderungen für die Anwendungssoftware liegen ebenfalls entsprechend den Aufgaben der Druckindustrie zwischen Überblick und Vertrautheit, wobei sich durchaus Verschiebungen ergeben können so kann die Menütechnik auch höher bewertet werden. Ebenso gewinnt die CAD-Technik in der Druckindustrie immer mehr an Bedeutung.

Mindestens eine Programmiersprache

Zusammenfassend läßt sich sagen daß eine fachübergreifende Grundausbildung einen guten Überblick über die EDV-Grundlagen geben und einen Einblick in die Funktion der Hardware mit besonderer Betonung von Ein- und Ausgabeeinheiten und Dialoggeräten vermitteln soll. Ein Überblick über Datenverarbeitungssysteme ist erwünscht. In der Programmierung sollte mindestens anhand einer Programmiersprache ein Überblick über die Softwareerstellung gegeben werden wobei die Betonung auf Problemanalyse, Systementwurf und Datenflußplan liegt. Die Benutzung von Anwendungssoftware spielt für alle Bereiche die größte Rolle wobei es verständlicherweise fachspezifische Unterschiede gibt.

Durch die Erhebung ist eine zuverlässige Basis für die Diskussion um die Einführung der Grundlagenausbildung in der Benutzung von computergestützten Verfahren in der Ingenieurausbildung gegeben. Bei den über die Grundlagen hinausgehenden Bereichen und im Angebot branchenspezifischer Anwendungssoftware wird es eine rasche Entwicklung geben.

Literaturhinweis:

Ernst Golling, Kruno Hernaut: Informatik Grundlagen im Rahmen des Grundstudiums der Elektrotechnik. In: "etz" Band 104 (1983), Heft 24, Seite 1264 - 1268.