Fachleute diskutierten über Leistungssicherung im Rechenzentrum:

DV-Katastrophen-Vorsorge darf nicht am Geld scheitern

25.05.1984

MÜNCHEN (CW) - Praktikable Back-up-Lösungen, die die Kontinuität der Informationsverarbeitung gewährleisten sollen, müssen sorgfältig geplant und den sich ändernden betrieblichen Anforderungen laufend angepaßt werden. Ein hundertprozentiges Back-up wird dennoch Wunschtraum bleiben. Sich möglichst umfassend gegenüber Katastrophen gleich welcher Art abzusichern, ist aber heute schon unerläßlich. Die Sicherungskosten durften bei der zunehmend größer werdenden Abhängigkeit des Unternehmenserfolges von einer fehlerfrei funktionierenden Datenverarbeitung nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Auf diesen Nenner lassen sich die wichtigsten Ergebnisse einer Fachtagung zusammenfassen, die von CW-CSE, der Seminargruppe aus dem Verlag der COMPUTERWOCHE, unter dem Motto "Leistungsoptimierung und Leistungssicherung im Rechenzentrum" in der vergangenen Woche In München durchgeführt wurde.

Welche Form der DV-Sicherung als optimal anzusehen ist, wird jedes Unternehmen individuell bestimmen müssen: So vielfältig die verschiedenen Aufgaben und davon abhängig Installationen und Anwendungen sind, so unterschiedlich sind auch die möglichen Sicherungs- und DV-Katastrophenvorsorge-Maßnahmen.

Wie am Rande der Tagung angedeutet wurde, hätten Katastrophenfälle mehrfach gezeigt, daß Wiederanlaufprobleme nach Eintreten des Notfalls häufig auf das Nicht-Vorhandensein entsprechend vorbereiteter Räumlichkeiten zurückzuführen seien. Den Herstellern wurden hier durchwegs gute Noten erteilt: Sie seien in Krisensituationen eigentlich immer in der Lage gewesen, die erforderlichen Ersatzkonfigurationen binnen weniger Tage zu liefern.

Folglich konzentrierten sich die Back-up-Anstrengungen von Groß-Anwendern auch weniger auf die vertraglich zusicherbare Verpflichtung zur Lieferung von Ersatzsystemen seitens der Hersteller, als vielmehr auf die Investition in sogenannte "DV-Notlandeplätze".

Räumlichkeiten mit hardwareneutraler RZ-Infrastruktur werden inzwischen auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen als Dienstleistung angeboten und zwar sowohl als "stationäre kalte Rechenzentren" als auch in Form von "transportablen Computerräumen", die indes gegenüber den stationären den Nachteil aufwiesen, nicht über Datenübermittlungsleitungen zu verfügen.

Günstige Mietpreise

Der Vorteil der leeren Ausweichrechenzentren sei vornehmlich in vergleichsweise günstigen Mietpreisen zu sehen. Die Installations- und Unterhaltungskosten für einen solchen DV-Notlandeplatz könnten nämlich in der Regel auf mehrere Mieter verteilt, die Vorsorgekosten jedes einzelnen somit gesenkt werden. In der Praxis, so wurde auf der Fachtagung berichtet, habe sich aber inzwischen herausgestellt, daß die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit dieser Räumlichkeiten im Falle der Fälle einen Aufwand erfordert, der weit über die Installationskosten hinausgehe. Zudem bedürfe die Installation der kurzfristig zu liefernden Anlagen, das Einlesen der gesicherten Datenbestände sowie das Einrichten und Hochfahren der Betriebssysteme mit den benötigten TP-Anschlüssen weitere Tage. Ein Umstand, der zu denken geben muß, wenn man berücksichtigt, daß bei umfangreichen Online-Arbeiten Eingaben und daraus resultierende Transaktionen für mehr als fünf Tage rein von der Bearbeitungsmöglichkeit her angeblich nicht mehr nachgeholt werden können.

Dennoch, so war am Rande der Tagung zu hören, wird diese Lösung vielfach favorisiert, nicht zuletzt, weil man glaubt, dem Topmanagement kostenträchtigere - wenn auch sicherere - Lösungen derzeit noch nicht präsentieren zu können: "Da müßte schon bei uns oder der unmittelbaren Konkurrenz was Richtiges passieren, damit die hellhörig würden", zeigte sich stellvertretend für viele ein RZ-Chef überzeugt.

Engpaß irn Notfall

Wirtschaf tlichkeitsgesichtspunkte spielen auch die dominierende Rolle, wenn Test- und Entwicklungssysteme - eigens installiert um den Produktionsablauf nicht zu stören - als Back-up herangezogen werden. Bei zirka 25 Prozent Testkapazität, wie es bei größeren EDV-Installationen heute üblich ist, dürfte indes klar sein, daß ein auf die notwendigen Test- und Entwicklungsaufgaben zugeschnittenes System wohl kaum in der Lage ist, die liesamtproduktion im Notfall zu übernehmen. Auch wenn die dann reduziert würde. Einen Ausweg bietet hier wohl nur ein weit über den eigentlichen Test- und Entwicklungsbedarf dimensioniertes System - mit entsprechend höheren Kosten.

Diskutiert wurde auf der Fachtagung auch die Möglichkeit, sich aus Kostengründen mit Unternehmen vergleichbarer Anlagen-Konfigurationen zusammenzuschließen und Test- wie Batcharbeiten in Kooperation in einem eigenen, örtlich vom Produktionssystem getrennten RZ abzuwickeln. Empfohlen wurde für dieses Test- und Batchsystem eine Kapazität von 75 Prozent der Produktionsanlagen, die aber nur zur Hälfte für diese Arbeiten ausgelastet sein sollte, um eine gewisse Back-Up-Leistung permanent vorzuhalten.

Abgesehen von der Schwierigkeit, im engeren regionalem Umfeld Unternehmen mit vergleichbarer Anlagenkonfiguration zu finden, die zudem noch kooperationswillig sein müßten, wurde von Teilnehmern vereinzelt bezweifelt, daß im Katastrophenfall die Umschaltung auf die Testanlage des Kooperationspartners reibungslos klappe. Als absolut notwendig habe sich in jedem Fall erwiesen, daß beide Systeme über einen Front-End-Rechner verbunden würden, der sämtliche Leitungsanschlüsse für die internen und externen Terminals enthalte (Bild 1). Zudem sollte besonderes Augenmerk auf die Redundanz der Leitungen zu den Knotenrechnern der Post gelegt werden.

Detailliert vorgestellt wurde anschließend das Leistungsangebot von zwei kommerziellen Back-up-Dienstleistern, dem Computer uitwijk Centrum bv (CUC) in Amsterdam und der INFO Gesellschaft für Informationssysteme mbH, Hamburg. Beide Unternehmen sind seit etwa einem Jahr in Betrieb.

Das niederländische CUC, dessen ausschließlicher Geschäftszweck in der Lieferung von Back-up-Service einschließlich der Beratung für die Aufstellung von Katastrophenplänen besteht, bietet den Tagungsinformationen zufolge seine Leistung auf drei Service-Ebenen an:

- der Economy Service stelle die benötigte Hardware inklusive der entsprechenden Netzwerkverbindungen zur Verfügung - der Basic Service beinhalte zusätzlich die lauffähige Software für das operationelle Betriebssysteme und die Datenkommunikation

- beim Full Service sind zudem auch die Pflege und das Ingangsetzen der operationellen Datenbanken und der Benutzer-Software im Leistungsangebot enthalten.

Darüber hinaus könnten Full-Service-Kunden bis zu zwölf Monaten auf technisch vollkommen ausgerüstete stationäre und transportable Computerräume in der benötigten Größe zurückgreifen. Sechs Testläufe pro Jahr sind für jeden der 15 Kunden beim Basic- und Full-Service obligatorisch.

Neben den verschiedenen Service. Graden besteht für CUC-Kunden die Möglichkeit, ihre im Vertrag spezifizierte Hardware-Konfiguration im Katastrophenfall nach individueller zeitlicher Präferenz zu nutzen. Das Angebot reicht von einem reine Wochentags-Betrieb zwischen 8.00 und 18.00 Uhr (prime shift) biszur 24-Stunden-Nutzung an sieben Tagen in der Woche (full time).

Kostenabhängigkeit

Die gesamten Back-up-Kosten bestimmen sich somit individuell in Abhängigkeit von der gewählten Service-Stufe und dem gewünschten Schicht-Intervall. Für eine IBM 308X mit 60 Plattenlaufwerken, 10 Tape-Units und Common I/0 betragen die Gebühren beim Full Service und 24stündiger Nutzung monatich 111900, - Gulden. Entscheidet sich der gleiche Kunde für die niedrigste Service-Stufe und die prime shift, ermäßigen sich seine Kosten auf 38800, - Gulden pro Monat (= zirka 35 Prozent).

Bei der INFO in Hamburg, bei der ebenfalls IBM-Großanwender aus den Bereichen Handel, Banken, Industrie und Versicherungen den Kundenkreis stellen, kann das Back-up-RZ von INFO-Kunden auch zur Durchführung von Testarbeiten und zur Abdeckung von Kapazitätsspitzen genutzt werden.

Das eigentliche Back-up-Leistungsangebot ist dem des CUC vergleichbar. Es beinhaltet Back-up-Studien inclusive der Infrastruktur-Planüng, Räume für Ersatzinstallationen, für Testläufe im Jahr sowie die Garantie, eine Back-up-Beginns im Katastrophenfall innerhalb von 24 Stundem für die Dauer von bis zu fünf Monaten.

Entnommen der Fachtagungs-Dokumentation "Leistungsoptimierung und Leistungssicherung im Rechenzentrum", herausgegeben von CW-CSE, Friedrichstr.31, 8000 München 40, Tel.: 089/38172-0.