DV-Industie: Europa am Scheideweg

01.06.1990

Dementis von Computerfirmen sind ungefähr soviel wert wie die Gewinnkombinationen auf einem nicht abgegebenen Lottoschein. Angesichts der fast unlösbar scheinenden Probleme darf man über die Aussagen von Philips und Olivetti, jegliche Fusionsabsichten lägen ihnen fern (Seite 6), nur milde lächeln. Es mag sein, daß der angeschlagene Philips-Konzern momentan noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, um Schritte zur endgültigen Sanierung des DV-Bereiches einzuleiten. Und man kann wohl auch davon ausgehen, daß Olivetti-Chef Carlo De Benedetti kein klares Konzept hat, wie die Schwierigkeiten in denen der italienische Büromaschinen Produzent steckt, überwunden werden können. Nur genügt es nicht, Versuchsballons steigen zu lassen (De Benedetti: "Wir reden mit jedem"), um sich dann wenn es ans Eingemachte geht, in Unverbindlichkeiten zu flüchten.

Zugegeben: Die Verantwortlichen bei Philips und Olivetti sehen sich einem besonderen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Es geht um das Schicksal der europäischen Computerindustrie. Seit den siebziger Jahren vergrößert sich der Abstand zwischen den amerikanischen DV-Multis und den Europäern. Bei Universalrechnern, den sogenannten Mainframes, ist der Zug längst abgefahren, herrscht IBM nahezu uneingeschränkt. Das Beharren von Siemens und Bull etwa auf Eigenständigkeit aus nationalem Interesse war eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. Die Unidata, als europäische Lösung angedacht und 1973/74 auf den Weg gebracht, mußte scheitern. Das Verhältnis der beiden Hauptpartner, Siemens und Bull, war zutiefst gestört. Philips, der Dritte im Bunde, hat sich nach dem Scheitern der Unidata im Jahre 1975 aus dem Mainframe-Geschäft zurückgezogen. Siemens und Bull wurstelten als Generalisten weiter - das Ergebnis kennen wir. Daß sich lokale Größen wie die britische ICL, Nixdorf` oder Olivetti vorübergehend in Nischenmärkten behaupten konnten, gehört mittlerweile zu den Fußnoten der DV-Geschichte, die neuerdings nicht mehr nur von IBM & Co., sondern zunehmend auch von den Japanern geschrieben wird.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber Fehler lassen sich wiederholen. Dazu reicht die Kurzsichtigkeit der europäischen DV-Industriellen allemal aus. Es muß nachdenklich stimmen, daß der europäische Einfluß selbst auf Wachstumsgebieten wie der Software zurückgeht. Auch hier dominieren die Amerikaner (CA, Microsoft, Lotus etc.). Eine europäische Industriepolitik versagt, die solche Verhältnisse auf dem Schlüsselgebiet der Informations und Kommunikationstechnik entstehen läßt. Es ist fünf vor zwölf. Die Lösung liegt auf der Hand: Nur gemeinsam sind die Europäer stark. Was wir brauchen, sind JAs zur Zusammenarbeit - keine Dementis.