DV-Gehälter '84: Nur eine Drei vorm Komma

08.03.1985

Nach einer bundesweiten Umfrage der Hamburger Personalberatung Handelsdienst GmbH stiegen die Einkommen im DV-Bereich von 1983 auf 1984 um durchschnittlich 3,5 Prozent - wahrlich nicht schlecht im Branchenvergleich, aber auch, gemessen an früheren Zuwachsraten, nicht gerade berauschend.

Wer geglaubt hatte, die neuen Informations- und Kommunikationstechniken würden einen Boom im DV-Personalmarkt auslösen, sieht sich getäuscht. Das Problem lag in den vergangenen zwei Jahren meist darin, daß einerseits am Markt vorbeiproduziert wurde (Anfangsprogrammierer, Informatik-Assistenten etc.), während auf der anderen Seite der Bedarf an qualifizierten Spezialisten, etwa "Software-Methodikern", Netzwerk-Controllern" oder "Informations-Organisatoren" bei weitem nicht gedeckt werden konnte.

Das Defizit ist schon in der Ausbildung angelegt, die technologische Entwicklungen offensichtlich nicht wahrnehmen kann - oder nicht wahrnehmen will. Was da an Prognosen über den zukünftigen Bedarf kursiert, ist eine mittlere Katastrophe. (Sollte es da nicht schon längst ein Programmierer-Proletariat geben?)

Die Tendenz zur Fehleinschätzung hat Ursachen, denen ein einzelner Anwender nicht entgegenwirken kann. Sie ist damit zu erklären, daß Berufsanfängern immer nur die glänzende Seite der Medaille gezeigt wird. Welche Faktoren bestimmen denn den Personalbedarf in der Datenverarbeitung? Da wären drei zu nennen:

1. Rationalisierung frißt Rationalisierer;

2. zunehmender Einsatz des Dialogbetriebs;

3. das "schwarze Loch" im Anwendungsbereich, das vielzitierte "Software-Gap".

Was nun die beiden ersten Einflußgrößen betrifft, so gibt es kaum Diskussionen darüber, daß sie bedarfsmindernd wirken - zumindest bedarfsneutral. Die Automation macht bekanntlich vor den Rechenzentren nicht halt - das Expertensystem ersetzt den Konsol-Operator. Und der Einsatz von Generatoren sowie ingenieurmäßigen Verfahren zur Softwareproduktion wäre die richtige Reaktion auf die Verweigerung von Programmierkünstlern, die es gewohnt sind, ohne Richtlinien zu arbeiten.

Zu Punkt 2: Zwar schafft die Dialogverarbeitung Luft bei der Datenerfassung, die auf den Sachbearbeiter übergeht - eine Kompensation für die Abwanderung von Datentypistinnen findet indes nicht statt, da die Zusatzqualifikation "Keyboardplayer" vom Endbenutzer wie selbstverständlich verlangt wird.

Damit wären wir bei der "Softwarekrise" und ihren Auswirkungen auf die Beschäftigung: Die Form des Wachstums in der DV-Branche ist von der technischen Weiterentwicklung abhängig. Diese beruht allein auf organisatorischem Fortschritt. Das bedeutet: Sie setzt eine Umgestaltung voraus. Davon ist freilich nichts zu sehen. Im Gegenteil: Da werden neue DV-Einsatzarten wie "Personal Computing" oder "Bildschirmtext" (Btx) als Bausteine für die Bürokommunikation "von oben" totorganisiert. Dementsprechend fallen die Lösungen aus: Lausige Programme, schwer zu handhaben - und alles andere als problemadäquat.

Solche eingebauten Bremsmechanismen gibt es noch mehr. Fazit: Die Anwender-Unternehmen brauchen DV-Dienstleister, Informationsmanager und Koordinatoren - Reformer, die den Fortschritt kalkulierbar machen. Die kann , man nicht in der Informatik-Retorte erzeugen - und die müssen reifen. Haben wir Geduld.