DV-Frauen: Die Kariere nicht nur den Männern überlassen

16.08.1985

Noch immer sind Frauen in DV-Führungspositionen mit der Lupe zu suchen. Noch immer müssen sich männliche Chefs den Vorwurf gefallen lassen, Frauen auf ihrem Weg nach oben zu benachteiligen. Gründe hierfür sind traditionelle Vorurteile gegenüber Frauen sowie die Befürchtung, die geförderte Mitarbeiterin durch Familiengründung zu verlieren. Doch auch die Frauen stehen sich noch zu oft selbst im Weg. Wegen der Angst vor der eigenen Courage bleibt die Eigeninitiative der Frauen zumeist auf der Strecke. Resümiert Marléne Schäfer, Geschäftsführerin in Frankfurt: "Die DV ist ein Abenteuerleben. Frauen dagegen mögen das Überschaubare, das Faßbare, die Sicherheit." Doch Resignation scheint fehl am Platz. Verändern sich auch eingefahrene Verhaltensweisen und Einstellungen nur langsam, so bleibt doch die Hoffnung, daß immer mehr Frauen in der DV-Branche den Aufstieg schaffen. Vorausgesetzt allerdings, daß beide Seiten mehr Mut, Offenheit, Risikobereitschaft und Selbstbewußtsein an den Tag legen. bk

Christa Spengler-Rast

Projektleiterin Bereich Bürokommunikation, Bifoa-Institut, Köln

Über Jahrhunderte war Frauen nur eine "zurückhaltende Rolle" im Beruf zugedacht. Mit dem Aufkommen der DV haben sie eine Chance gesehen für einen Neubeginn. Vielleicht sind deshalb relativ viele Frauen in dieser Branche zu finden, obwohl Männer den Frauen die Eignung für "analytische" Aufgaben gerne absprechen.

Ich habe (glücklicherweise) bisher in überwiegend mit Männern besetzten Projekten gearbeitet. Mag sein, daß diese mich schon fast als Exoten angesehen haben. Ich hingegen erlebte diesen Zustand als "normal". Dabei bemerkte ich, daß einige wesentliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen, die aber eine solche Zusammenarbeit eher interessanter und angenehmer gestalten.

So sind Frauen eher bereit, bei ihren Vorschlägen ein Risiko einzugehen. Sie sind oft weniger auf Vorhandenes fixiert, statt dessen gehen sie neue Wege. Zu improvisieren und ungewisse Situationen zu meistern, fällt Frauen - vielleicht weil extravertierter leichter.

Dagegen sind Männer systematischer in ihrem Vorgehen. Hier können wir von den Männern vielleicht noch einiges lernen. Da sie meist in der Erziehung besser auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet wurden, gehen sie eher mit "System" an die Bewältigung ihrer Aufgaben heran. Frauen dagegen sind oft in ihrem Arbeitsstil nicht so eingefahren, was sich positiv auf die Kreativität auswirkt.

Männer zeichnen sich durch größere Sachlichkeit und Nüchternheit aus. Bei komplexen Angelegenheiten ist dies sicherlich von Vorteil. Allerdings habe ich viele Situationen erlebt, wo zuviel Sachlichkeit auch oft hinderlich sein kann, zum Beispiel im Marketing, beim Motivieren von Personen, beim Delegieren von Aufgaben.

Die Vorzüge einer "gemischten" Zusammenarbeit haben Computerhersteller schon lange erkannt und sich insbesondere im Marketing/Verkauf dieses Zusammenspiel zunutze gemacht. Nur leider sieht es bei Präsentationen immer noch so aus, als ob die Frau "Dekoration" und "Dienerin" des Mannes sei, wie in alten Zeiten.

In der DV-Branche (inklusive Beratungsunternehmen) ist Personalverantwortung in

Frauenhand immer noch seltener vorzufinden als die sogenannte Sachverantwortung.

Vielfach besteht unterschwellig die Meinung, daß Frauen nur fachlich und weniger aufgrund ihrer "Persönlichkeit" respektiert werden. Außerdem sind viele (männliche) Chefs unsicher, ob sich Investitionen für eine Frau auch lohnen, sie tatsächlich Familiengründung und Beruf in Einklang bringen kann. Deshalb werden weibliche Bewerbungen wahrscheinlich auch kritischer betrachtet.

Karriere ist - und da gehört auch Personalverantwortung dazu - nur dort möglich, Wo die Fähigkeiten und die Persönlichkeit der Frau gut bekannt sind. Eine weitere Alternative ist, sich selbständig zu machen. Dies ist gerade bei Frauen häufiger vorzufinden. Die dritte Möglichkeit besteht darin, durch Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen an gute Positionen heranzukommen.

Wird sich bezüglich der Karrieremöglichkeiten etwas ändern? Ich glaube ja. Doch und das ist aus der Sozialpsychologie seit langem bekannt - eingespielte Verhaltensweisen und Einstellungen verändern sich nur langsam. Allerdings gibt es doch eine Reihe positiver Erfahrungen von Personalverantwortung bei Computerherstellern, Softwarehäusern und Unternehmensberatern, die vielen Männern gezeigt haben, daß Frauen kein größeres Risiko bei der Besetzung von Führungspositionen darstellen als Männer.

Marléne Schäfer

Geschäftsführerin, Computerhouse Schäfer GmbH, Frankfurt

Die DV ist eine unfaßbare, unüberschaubare, undurchsichtige, unruhige, trockene, aber dennoch kreative und aggressive Phantasiewelt. Sie ist ein Abenteuerleben. Wer in die DV einsteigt, läßt sich auf eine Reise ins Ungewisse ein, auf der jeder sein Werkzeug selbst erfinden muß und sich sein "Wunder" selbst zurechtbastelt. Wenige Frauen lassen sich auf unsichere, risikoreiche und anstrengende Abenteuer ein.

Tatsache ist: Die Frau kann ihr biologisches Erbe nicht verleugnen. Daraus resultiert die fast immer einseitige Entscheidung - entweder Familie oder Karriere. Selbst Frauen, die ein längeres Studium absolviert haben, können sich dieser Entscheidung nicht entziehen. Ein Doppelleben Karriere plus Familie ist zeitlich kaum vernünftig machbar.

Durch die traditionelle Erziehung der Frau wurde das Bewußtsein, sich in technischwissenschaftlichen Berufen zu engagieren, nicht gerade gefördert. Vielmehr mögen Frauen das Überschaubare, das Faßbare und die Sicherheit. Die logische Konsequenz daraus ist, daß der schon vorhandene Vorsprung der Männer in der DV sich noch mehr vergrößerte. Dieser Vorsprung ist nicht ohne weiteres aufzuholen.

Weiterhin ist die Einarbeitungszeit in die DV sehr langwierig, selbst wenn genügend Qualifikation vorhanden ist. Denn sind erst einmal alle Faktoren für eine vernünftige Karriere, wie Ausbildung, Detail-Wissen und Durchsetzungsvermögen, vorhanden, ist meistens das Alter erreicht, um eine Familie zu gründen.

Frauen besitzen erwiesenermaßen keine geringere Streßstabilität als Männer, Vielmehr müssen sie, um ein ähnliches Karriere-Resultat zu erzielen wie ein Mann, einen wesentlich höheren Einsatz und ein profunderes Fachwissen vorweisen.

Wie sieht es nun mit der Akzeptanz der Männer aus, die mit Frauen in der DV zusammenarbeiten? Die Antwort ist relativ klar. Haben die Männer einmal erkannt, daß die fachliche Qualifikation der Frau unanfechtbar ist, verhalten sie sich sehr loyal. Und darüber hinaus: Der Respekt der Männer wächst.

Eine Unsicherheit mit einem Hauch von Neid ist die Folge bei den männlichen Kollegen. Sie befürchten, daß eine Frau in derselben Ebene ihren Charme zusätzlich dazu einsetzen könnte, um ihren Aufstieg zu fördern.

Für die Zukunft ergeben sich keine positiveren Perspektiven für den Einsatz von mehr Frauen in leitenden Positionen, Dazu trägt sicherlich auch der nicht zu unterschätzende Faktor Arbeitslosigkeit bei.

Marianne Utendorf

Beraterin und Referentin für DV-Kurse, Mummert & Partner EDV-Service, Wiesbaden

Seit über zehn Jahren im DV-Bereich tätig, wiederholt sich für mich bis heute die Erfahrung, in Sitzungen bei der allseits gewohnten Anrede "meine Herren" bleiben zu können. Die Ursachen hierfür sind sicher nicht ausschließlich DV-spezifisch: Wurde noch vor einigen Jahren nur vereinzelt von Frauen der Weg in die DV gewählt, so ist in jüngster Vergangenheit ein deutlicher Anstieg des weiblichen Nachwuchses zu verzeichnen.

Trotzdem, die berufliche Aufbauphase findet gerade in einem Alter, wo Karriereweichen gestellt werden, zumeist durch die Babyphase eine jähe Unterbrechung. Die Rückkehr in den Beruf nach einigen Jahren ist ohnehin nur bei entsprechendem Organisationstalent und zupackendem Partner möglich, denn DV-Jobs sind keine Teilzeitjobs, und Führungspositionen sind es erst recht nicht. Welchem Manager ist da zu verdenken, daß er wegen des Ausfallrisikos Frauen von vornherein nicht mit Aufgaben betraut, die die entsprechenden Aufstiegschancen bieten?

Zudem rekrutieren sich heute die Führungskräfte im DV-Bereich zunehmend aus Akademikern. Der Anteil der Frauen hat aber gerade in den Examenssemestern der Fächer Informatik und Mathematik in den letzten Jahren keinen wesentlichen Anstieg zu verzeichnen.

Dabei ist bei Frauen die berufliche Qualifikation eine notwendige Grundvoraussetzung. Die Besetzung von Führungspositionen - und dies gerade auf der mittleren Ebene mit ihrem Sprungbrettcharakter - erfolgt im Zweifelsfall jedoch noch immer nach dem Versorgungsprinzip. Frauen haben in der Regel keine Familie finanziell zu versorgen, und somit ist der männliche Bewerber, wenn es um Aufstieg und damit mehr Gehalt geht, im Vorteil.

Oftmals geben bei der Besetzungsentscheidung vermeintliche Erfahrungen den Ausschlag: Da hatte man(n) einmal einer Frau die Chance gegeben, aber sie konnte sich nicht durchsetzen kam nicht mit den männlichen Mitarbeitern zurecht. Allein diese Befürchtungen, gepaart mit der Unreflektiertheit möglicher Konfliktsituationen, können die Berufung einer Frau in eine Führungsposition zu einer "selfful-filling prophecy" werden lassen: Wem man es nicht zutraut, der schafft's auch nicht!

Ist deswegen Resignation angebracht? Ganz im Gegenteil: Mehr Mut, Offenheit, Risikobereitschaft und nicht zuletzt Selbstbewußtsein auf beiden Seiten sind nötig.

Angelika Siegmund

Geschäftsstellenleiterin, Innova Consulting GmbH, München

Für mich steht außer Frage, daß Frauen prinzipiell den Männern in Managementfähigkeiten nicht nachstehen. Ich behaupte, daß sie ihren männlichen Kollegen im Hinblick auf den in vielen Unternehmen angestrebten kooperativen Führungsstil "naturgemäß" einiges voraus haben.

Ich habe mir die Frage gestellt, ob "eine Karriere" in einem traditionellen Unternehmen (nämlich eine entsprechende Managerposition) eine selbstbewußte Frau überhaupt ein erstrebenswertes Ziel ist. Viele Gespräche mit Kolleginnen haben mir gezeigt, daß sie - wie ich auch - ihre berufliche Karriere als persönliches Wachstum, als Selbstverwirklichung, als Befriedigung, als die Tätigkeit, die sie sich wünschen, begreifen. Und als eine Chance, anderen ähnliche Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten.

Männer dagegen scheinen darin nur einen Weg zu sehen, auf dem man sich nach oben kämpfen muß, der Anerkennung, Geld und letztendlich Macht bedeutet.

Entsprechend gestalten sich die Spielregeln in unserem Wirtschaftssystem. Ich habe den Eindruck, daß (nicht nur) eine Frau mit jeder Sprosse, die sie auf der Hierarchieleiter eines großen Unternehmens nimmt, ein Stück von ihrer Identität zurücklassen muß und sich damit von ihren Zielen entfernt. Ich jedenfalls bin dazu nicht bereit! Für mich bedeutet Karriere im Beruf nicht, eine bestimmte Managementposition zu erreichen, sondern mir persönlichen Freiraum zu schaffen, um meine Ideen durchsetzen zu können und meine obengenannten Ziele zu erreichen. Aber das nicht auf Kosten anderer. Ich habe daher meinen Weg immer aktiv gesucht und gefunden.

Dabei habe ich die Erkenntnis gewonnen, daß kleine, junge Unternehmen einer Frau wesentlich bessere Entwicklungsmöglichkeiten bieten ( - oder natürlich den Weg in die Selbständigkeit).

Bezogen auf die DV-Branche sind sicherlich beratende Tätigkeiten ideal für eine Frau, da neben dem Know-how der Umgang mit Menschen im Mittelpunkt steht und oftmals über Erfolg und Mißerfolg entscheidet. Und in diesem Bereich haben Frauen mit Sicherheit spezielle Fähigkeiten und Möglichkeiten, von denen Mann lernen sollte.