"Messe aller Messen" spiegelt Situation am bundesdeutschen DV-Markt nicht wider:

DV-Establishment sitzt fest im CeBlT-Sattel

16.04.1982

HANNOVER/MÜNCHEM - Trotz eines in diesem Jahr fertiggestellten Hallenneubaus und einer damit um 10 000 auf rund 110 000 Quadratmeter erhöhten reinen Ausstellungsfläche im CeBIT-Bereich platzt die Hannover-Messe aus allen Nähten: An die hundert Hersteller der Branche sitzen 1982 draußen vor der Tür und prosperierend Unternehmen mußten sich, wie Branchenkenner meutern, mit "irgendwelchen Ständen abfinden", während die größten Standpositionen von den unsichersten Kantonisten der Branche gehalten würden. "Großstandbesitzer" sind beispielsweise Olympia, Triumph-Adler, Siemens und Kienzle (Tabelle).

Die Messe- und Ausstellungs-AG, Hannover, feiert die diesjährige Veranstaltung von der Ausstellerzahl und -fläche als die größte seit elf Jahren. Dennoch weiß sie nicht so recht, ob sie lachen oder weinen soll. Viele Unternehmen zeigen sich nämlich mit dem Messe-Management wenig zufrieden. Dadurch, daß grundsätzlich erst einmal demjenigen ein Platz zugeteilt wird, der noch vor der Tür steht, kommen Erweiterungswünsche von "Altkunden" oft zu kurz. Dort wird dann lamentiert, daß eigentlich der Besucher das Nachsehen habe. Wenn es darum gehe, nicht nur an der Maschine kurz zu demonstrieren, sondern ernsthafter in das Thema einzusteigen, dann brauche man einen abgeschlossenen Raum. Doch diese Quadratmeter-Kapazitäten fehlten in Hannover jedem Hersteller.

Den Messe-Versuch, möglichst allen Unternehmen eine Standfläche zur Verfügung zu stellen, befürwortet dagegen der Verband Datenverarbeitung im Zentralverband der elektrotechnischen Industrie (ZVEI). Dennoch ist auch er nicht zufrieden, Besser, als die Neuankömmlinge willkürlich in den Hallen zu verstreuen, sei es doch, beispielsweise in einem Eck der Halle 1 Platz für diese Unternehmen zu schaffen. Hier könnten sich dann die Branchenfrischlinge tummeln, und der Besucher hätte Gelegenheit, sich gezielt über Alternativen zu den Etablierten zu informieren.

Doch gerade um die Halle 1 entbrennt immer wieder Streit. Hier befinden sich schon seit 1970, als das CeBIT-Wahrzeichen entstand, die größten und ältesten Unternehmen. An diese Struktur haben sich die Besucher nach den Worten eines Messesprechers inzwischen so gewöhnt, daß erst einmal dieser Bereich "abgeklappert" werde. Für den Rest bleibe dann oft nicht mehr viel Lust und Liebe übrig.

Gezwungen durch einige Neuorganisationen bestehender Unternehmen, wie Philips oder AEG, oder durch Zusammenschlüsse (Mannesmann - Kienzle), strukturierte die Messe heuer den Flächen-Kuchen teilweise neu.

Unter denjenigen, die schließlich aus dem Stände-Duell mit Nachbarn und der Messeleitung als Sieger hervorgingen, befindet sich beispielsweise die Nixdorf AG. Sie wollte am bisherigen Standort eine "ganz nennenswerte" Erweiterung durchsetzen, die nur auf Kosten ihrer Standnachbarn zu lösen war. Diese wiederum waren keineswegs bereit, freiwillig den Weg zu räumen.

Da jedoch die festen Standbauten die verfügbare Fläche zementiert haben und der Ausstellungsbeirat sich dafür ausgesprochen hatte, keine grundsätzliche Neuverteilung zuzulassen, blieben Nixdorf-PR-Chef Rolf Prey zufolge nur noch - unter Einbeziehung der beteiligten Unternehmen - einige Tauschmöglichkeiten. Solche Vereinbarungen hätten beispielsweise zwischen Philips und Nixdorf stattgefunden.

So hat sich Philips als jetzige Kommunikationsindustrie AG auf dem Platz des zweiten Nixdorf-Standes breitmachen können, während die Paderborner eine andere, größere Fläche ebenfalls in Halle 1 ergatterten.

Zudem sei durch Konzentration einiger kleinerer Aussteller in Halle 3 Fläche freigeworden. Diese Unternehmen sind laut Prey dort sowieso besser aufgehoben als in Halle 1, wo sie zwischen den Großen doch nur untergingen.

Entschieden gegen eine Versetzung' in Halle 3 gewehrt hat sich dagegen die Deutsche Leasing AG, die von den Paderbornern vertrieben wurden. Ihr besonderer Service sei es doch, insbesondere in Zusammenarbeit mit den im C-Teil der CeBIT-Halle ausstellenden Unternehmen den Besuchern ein komplettes Finanzierungskonzept vorzustellen, Jetzt müssen sich die Leasingexperten mit einem Stand im A-Teil begnügen und mit dem Trost, sicherlich im nächsten Jahr wieder im C-Teil aktiv sein zu dürfen.

Verärgert über die Standpolitik der Messeleitung vermutet man denn auch in Branchenkreisen nichts Gutes. Die "Filzokratie" hätte Platz gegriffen, und man brauche beispielsweise nur einmal den Weg zu suchen von Nürnberg über Wolfsburg nach Hannover.- So befinde sich -im Aufsichtsrat bei TA, in den Volkswagenwerken- und bei der Messe AG ein und derselbe Mann. Nicht viel anders stelle sich auch die Situation bei Olympia dar.

Doch angesichts der nach wie, vor vorhandenen Messe-Euphorie trotz nachlassenden Steigerungsraten und bei einigen Unternehmen sogar roten Zahlen - wird es die Messe nicht, immer jedem recht machen können. Und freiwillig wird niemand Fläche räumen.

Die "Größten" auf der Messe

----------------------------------------------------

Unternehmen Ausstellungs-

fläche* (in m2)

----------------------------------------------------

Halle 1:

1.Olympia 2377

2.Triumph-Adler 2343

3.Philips 2132

4.Nixdorf 1704

5.Siemens 1701

6.Kienzle 1557

7.Olivetti 1155

8.IBM 1060

9.Hewlett-Packard 975

10.NCR 905

11.SperryUnivac 866

12.SEL 800

13.CTM 656

Halle3:

AEG-Telefunken 1176

Halle 18:

Sharp 1128

Preise pro m2:

Vierjahresvertrag:

1982 + 83:180 Mark

1984 + 85:190 Mark

Jahresvertrag für 1982:

185 Mark

------------------------------------------------------

*Quelle: Messe- und Ausstellungs-AG, Hannover

_AU:Nicole Winkler