Beeinflussung des höheren Managements nur durch Überzeugung und positive Selbstdarstellung:

DV Chef: Weniger Scheuklappen; mehr Risiko

28.09.1984

MÜNCHEN - Dem traditionellen DV-Leiter soll es an den Kragen gehen. Sei er früher als "Bit- und Byte-Akrobat" ungekrönter König der DV-Landschaft gewesen, so gehöre dem strategisch denkenden Informationsplaner die Zukunft. Inkompetenz, gar Ignoranz gegenüber den technischen Entwicklungen werfen Berater und Fachleute vielen DV-Verantwortlichen vor. Die Betroffenen selbst halten sich mit Stellungnahmen zurück, erweisen damit der eigenen Sache einen schlechten Dienst. Doch noch ist der Zug nicht abgefahren.

In vielen Unternehmen, darin sind sich Experten einig, stünden sich derzeit zwei verhärtete Fronten gegenüber: der Vorstand und die DV-Verantwortlichen. Beide Seiten hätten offenbar immer noch nicht gemerkt, wie sehr sie aufeinander angewiesen seien. Zwischen ihnen herrsche vor allem Sprachlosigkeit.

Davon überzeugt, daß viele Manager der Geschäftsführung ein gestörtes Verhältnis zur Datenverarbeitung haben, ist Dr. Heinz Streicher von SCS, Hamburg: "Die Vorstände werden bald Grund zum Fürchten haben, wenn sie die veränderte Situation nicht in den Griff bekommen." Hilfe käme laut Streicher, nur dadurch, die DV-Chefs sowie die gesamte Datenverarbeitung und ihre Bedeutung für das Unternehmen anzuerkennen.

Vorstand ins Boot holen

Noch wichtiger sei es aber für den DV-Verantwortlichen, auf den Vorstand zuzugehen, ihn baldmöglichst zu sich ins Boot zu holen. Denn für ihn gehe es ums Überleben. Ihm müsse es schnellstmöglich gelingen, die eigene Rolle neu zu definieren und dieses neue Selbstverständnis im Unternehmen durchzusetzen. Schaffe es der DV-Leiter nicht, in den nächsten Jahren zum Informationsmanager aufzusteigen, werde ihm dieser, so Streicher sarkastisch, "irgendwann vor die Nase gesetzt".

"Der DV-Manager muß umdenken", warnt auch Günther Fischer, DV-Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung bei CBM, Benzheim. Daß dies schwierig ist, weiß er aus eigener Erfahrung: "Ich war auch so ein typischer Bit- und Byte-Freak, der sich am liebsten nur um technische Probleme kümmerte."

Aber dann habe er angefangen, sich mit dem Bereich Direkt-Marketing zu beschäftigen, und begriffen, daß man sich als DV-Leiter auch um den eigentlichen Unternehmenszweck kümmern müsse. Von nun an delegierte der Benzheimer DV-Leiter viele seiner bisherigen Tatigkeiten und besuchte Präsentations- und Managerkurse.

Vor allem habe er auch gelernt, wie wichtig es ist, auf die Bereichsleiter der Abteilungen zuzugehen, mit ihnen über ihre Arbeit zu reden und bestehende Probleme gemeinsam zu besprechen. Fischers Rat: "Der DV-Manager, der weiterkommen will, muß sich täglich am Riemen reißen, um von seinem Fachidioten-Nimbus wegzukommen." Am meisten ärgert ihn, daß sich seine Zunft noch heute so schlecht verkauft.

In die gleiche Kerbe haut auch Unternehmensberater Rolf Fischer aus München: "Die DV-Leiter müssen den Rollkragenpulli gegen den dunklen Anzug tauschen." Der Berater warnt davor, sich weiterhin selbst ans Terminal zu setzen. Die DV-Manager müssen endlich lernen daß es viel wichtiger ist, sich gegen den Vorstand durchzusetzen und ihm klarzumachen, wie bedeutend ihre Arbeit für das Unternehmen ist."

Der Münchner Berater weiß, wovon er redet. Nach seinen Erfahrungen sucht der Vorstand eher einen Mann von außen, der Informationsmanager wird, als seinem DV-Leiter diese Chance zu geben. Fischer glaubt an die baldige Akademisierung der Datenverarbeitung.

Mehr Mut zeigen und extrovertierter auftreten, schlägt Günter Schorn, Geschäftsführer der Lloyd Datenverarbeitungs GmbH, Deutscher Lloyd Versicherungen in München, seinen Kollegen vor. Schorn: "Der DV-Leiter muß den Vorstand zwingen, ihm zuzuhören." Voraussetzung dafür seien beispielsweise ein gutes Berichtswesen, eine genaue Kosten- sowie strategische Unternehmensplanung.

Auch wenn der Vorstand sich beim ersten Mal nicht dafür interessiert, was ihm sein DV-Manager vortragen wolle, so müsse es dieser wieder und wieder versuchen. Es seien nun einmal Barrieren zu überwinden und viele DV-Leiter machten den Fehler, zu schnell aufzugeben. Eine Trumpfkarte habe der DV-Verantwortliche immerhin im Ärmel. Der Münchner: "Den Vorstand möchte ich sehen, der nicht reagiert, wenn er hört, daß seine Ignoranz gegenüber dem DV-Leiter das Unternehmen in den nächsten Jahren ein paar Millionen Mark kosten könnte."

SCS-Mann Streicher empfiehlt denjenigen, die noch auf den fahrenden Zug aufspringen wollen, sich schnellstmöglich zu überlegen, was ihnen an Zusatzqualitäten für einen Informationsmanager fehle und sich diese anzueignen: "Der DV-Manager muß aufhören, zu denken, ohne ihn ginge nichts. Das kann er später auch nicht mehr - denn dann ist es zu spät." Er sollte Trainingsveranstaltungen mitmachen, sich um Controlling kümmern und vor allem die eigene Weiterbildung vorantreiben.

Derzeit gibt es in der bundesdeutschen Seminarszene allerdings kaum Kurse, die wirklich dazu beitragen, das Defizit an Wissen über moderne Unternehmensführung auszugleichen. Denn auf die Kursangebote der Hersteller wie IBM, Siemens und Nixdorf reagieren viele DV-Manager mit Mißtrauen. Es gäbe jedoch die Möglichkeit, rät Schorn seinen Kollegen, sich Ausbilder ins Unternehmen zu holen. So empfiehlt er beispielsweise Werner Kramer, seines Zeichens Hauptbildungsbeauftragter der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR). Kramer hält nebenbei auch Seminare für andere Unternehmen ab, wobei ein Seminartag im Durchschnitt zwischen 1500 und 1600 Mark kostet. Der Ausbilder weiß aus jahrelanger Erfahrung, wo die Datenverarbeiter der Schuh drückt. Kramer: "Der DV-Leiter muß einmal lernen, strategisch zu planen und zum anderen seinen Bereich für Dritte transparent zu machen." Großen Wert legt der Pädagoge in seinen Kursen deshalb auf Interview-Techniken, damit die Sprachlosigkeit zwischen Datenverarbeitern und Fachabteilung sowie zwischen DV-Management und Vorstand, überwunden wird.

Zuwenig Kurse für Unternehmensführung

In einem Punkt sind sich die Fachleute einige: Noch ist die Schlacht für den DV-Leiter nicht vollständig verloren. Schließlich bestünde ein großes Gap zwischen der vom Vorstand gewünschten "eierlegenden Wollmilchsau" und der Realität. In einer jüngst erschienenen Arbeitsmarktuntersuchung von SCS, Hamburg heißt es, daß die Nachfrage nach Managern und Spezialisten um fast 87 Prozent gestiegen ist. Mit anderen Worten: Noch muß der Vorstand - von wenigen Ausnahmen abgesehen - mit seinem DV-Manager vorliebnehmen. Schließlich fallen "Informationsmanager" nicht vom Himmel.

Günter Schorn befürchtet, daß viele den Weg vom traditionellen Datenverarbeiter hin zum Informationsplaner nicht mehr schaffen und auf der Strecke bleiben. Für die DV-Leiter, die die Zeichen der Zeit erkannt hätten, bliebe nur noch wenig Zeit, um nicht irgendwann nur noch die Schlußlichter des abfahrenden Zuges zu sehen.